„Greenwashing“

Wie auf legalem Weg Atom- und Kohlestrom als Ökostrom etikettiert wird

Lange Zeit wurde „Graustrom“, mittels CERT-Zertifikaten, bereits schon für circa 0,05 Cent je KWh in „Ökostrom“ umetikettiert.
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Lange Zeit wurde „Graustrom“, mittels CERT-Zertifikaten, bereits schon für circa 0,05 Cent je KWh in „Ökostrom“ umetikettiert.

Als Greenwashing werden PR-Methoden bezeichnet, durch die Unternehmen in der Öffentlichkeit als umweltfreundlich und umweltbewusst wahrgenommen werden sollen, ohne dass es dafür eine hinreichende Grundlage gibt.

Der Begriff ist an den englischen Begriff to whitewash angelehnt, was übersetzt so viel wie „eine Angelegenheit beschönigen“ bedeutet. Durch das verbesserte Öko-Image erhoffen sich die Unternehmen mehr Kunden für sich zu gewinnen.

RECS – Die Entkopplung von physisch geliefertem Strom und seiner Herstellungsart

Im Jahre 2002 wurde das Renewable Energy Certificate System (RECS) eingeführt. Der Hintergrund war der, dass ein Zertifizierungssystem zum Herkunftsnachweis von Ökostrom geschaffen und ein Handel mit Ökostromzertifikaten ermöglicht werden sollte. Kraftwerkbetreiber, die ihren Strom aus regenerativen Quellen bezogen, erhielten pro Megawattstunde erzeugten Strom ein Zertifikat. Diese konnten dann an andere Stromversorger weiter verkauft werden, wodurch der Ausbau regenerativer Energien gefördert werden sollte.

Die gekauften RECS-Zertifikate berechtigten die Stromanbieter dazu, ihren konventionellen Strom aus Kohle- oder Atomkraftwerken als grünen Ökostrom zu verkaufen. Die wichtigsten Vorteile, die für konventionelle Kraftwerkbetreiber aus dem Kauf von RECS-Zertifikaten resultierte:

  • keinen Nachteil durch das Einspeisegesetz: Durch RECS-Zertifikate wurde konventionell erzeugter Strom als Ökostrom deklariert und konnte mit Vorrang in die Netze eingespeist werden.
  • Weiterhin konnten konventionelle Kraftwerkbetreiber Ökostrom anbieten, ohne in alternative Energien investieren zu müssen.

In diesem Zusammenhang bemängelte Greenpeace 2007, dass der Preis für die Zertifikate viel zu gering ist, so dass keine Effekte durch RECS auf den Ausbau von erneuerbarer Energie zu erwarten wären. Zusätzlich kritisierten sie die Kundentäuschung: Ökostrom-Angebote, die auf RECS basieren, suggerieren eine Investition in Ökostrom, obwohl tatsächlich Atom- und Kohlestrom unterstützt werden. Aber auch das Gütesiegel „ok-power-Label“ wird von ihnen als unbrauchbar bewertet, da es gleichzeitig zu den RETCS miterworben werden kann. Dabei spielen gerade Gütesiegel eine bedeutende Rolle in der Einschätzung der Qualität des Ökostroms.

Der Unterschied zwischen Siegel und Zertifikat

Gütesiegel und Zertifikate sind ursprünglich dazu gedacht Herkunft und Qualität des angebotenen Stroms auf dem Strommarkt transparenter zu gestalten. Zwischen beiden Auszeichnungen wird wie folgt grob unterschieden:

Zertifikate: Ökostromzertifikate dienen dem Nachweis über die Herkunft des Stroms. Die Zertifikate werden unabhängig vom physisch produzierten Strom gehandelt. Es gibt dem Kunden darüber Auskunft, wo sein Anbieter den Ökostrom erworben hat und aus welchen Erzeugungsarten er zusammengesetzt ist.

Gütesiegel: Gütesiegel geben über die Qualität des gehandelten Ökostroms Auskunft. Hierzu sind weitere Kriterien durch den jeweiligen Anbieter einzuhalten.

Bei der Bewertung des angebotenen Stroms spielen Gütesiegel demnach eine entscheidende Rolle. Die verschiedenen Gütesiegel, die auf dem Markt vorhanden sind, sind die Gütesiegel von TÜV Nord, TÜV Süd, „OK power“ und „Grüner Strom Label“. Allen Gütesiegeln ist gemein, dass sie ihrem Kunden 100 Prozent Strom aus erneuerbaren Energien bescheinigen und mittels eines Aufpreises dem Ausbau regenerativer Energien zu Gute kommen. 

Dies wird beispielsweise auch durch das TÜV Nord Zertifikat bestätigt. Das TÜV Süd Zertifikat bietet zwei verschiedene Zertifizierungen an, demnach müssen 30 Prozent der Strommenge aus neuen Ökostromanlagen kommen, bzw. muss der Anbieter den Ökostrom zusätzlich zeitgleich ins Netz einspeisen. 

Beim „ok-Power-Label“ wird hingegen zwischen dem Händler-, dem Innovationsförder- und dem Initiierungsmodell unterschieden. Grundsätzlich müssen zusätzlich ein beschleunigter Ausbau der Stromproduktion aus regenerativen Energien oder eine Förderung der Systemintegration regenerativer Energien nachgewiesen werden. Der Ökostromanbieter darf zudem nicht an Atom- und Braunkohlekraftwerken oder deren Planung beteiligt sein. – Das Gütesiegel „Grüner Strom Label“ muss ebenfalls die gesetzlich vorgeschriebenen Herkunftsnachweise für Ökostrom nachweisen, jedoch sind diese an die zugrunde liegende Stromproduktion gekoppelt. Das bedeutet, dass wirklicher Strom bei den regenerativen Kraftwerken gekauft wird und keine virtuelle Übertragung mittels RECS-Zertifikaten erlaubt ist. 

Das „Grüner Strom Label“ wird daher von vielen Umwelt- und Verbraucherschutzverbänden, wie z.B. dem NABU und BUND unterstützt, die gleichzeitig Träger der Organisation sind. Durch die Kopplung von Herkunftsnachweis an den Stromkauf ist hier Sicherheit für den Kunden gegeben, das bei Strom mit diesem Siegel „echter“ Ökostrom drin ist.

Funktioniert „Greenwashing“ heute immer noch?

Aufgrund der Umsetzung der EU-Richtlinie 2009/28/EG, sollte der Handel mit RECS bis 2016 eingestellt und durch European Energy Certificate System (EECS) ersetzt werden. Doch was genau ändert sich hierdurch?

Geht die Kundentäuschung durch eine Entkopplung von Ökostrom-Zertifikat und physischem Ökostrom weiter?

Der Handel mit den Stromzertifikaten wird dadurch durch die EU-Kommission legitimiert und auf die gesamte EU ausgedehnt. Durch die nationale Umsetzung der Richtlinie in Deutschland wird eine Doppelvermarktung der Zertifikate hierzulande verhindert und durch das Umweltbundesamt mit Hilfe des Herkunftsnachweisregisters für Ökostrom (HKNR) überwacht. Durch das HKNR wird Stromerzeugern eine Ökostrommenge ab einer Megawattstunde bescheinigt und gleichzeitig die Entwertung der Zertifikate überwacht, nachdem sie an einen Stromlieferanten weiterverkauft wurden. Dadurch ist sichergestellt, dass der Strom von Ökostromerzeugern nicht trotz Zertifikatverkauf noch weiterhin als Ökostrom deklariert wird.

Die Zertifikate für Herkunftsnachweise sollen dem Endkunden nachzuweisen, dass ein bestimmter Anteil an Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt wurde. Herkunftsnachweise, die vom Produzenten separat zum produzierten Strom verkauft wurden, sollten „ gegenüber dem Endkunden nicht als aus erneuerbarer Quelle erzeugter Energie ausgewiesen oder verkauft werden.“ (siehe 2009/28/EG Abschnitt (52)).

Dahingehend, dass der Handel mit Zertifikaten, die von der eigentlichen Stromproduktion entkoppelt sind, erhalten bleibt, hat sich jedoch durch die neue Verordnung nichts geändert. Stromlieferanten dürfen ihren eigenen Strom-Mix durch den Erwerb der Zertifikate immer noch aufhübschen.

Stolpersteine für Stromkunden

Möchte der Endverbraucher einen Stromerzeuger anhand seines auf der Webseite dargestellten Energie-Mix beurteilen, gibt es immer noch Stolpersteine. So suggeriert der Ausdruck „Erneuerbare Energieträger (gefördert nach EEG)“ einen Anteil aus grünem Strom. Dabei handelt es laut Aussage des IWR-Instituts bloß um eine fiktive Berechnung, die sich aus der EEG-Umlage der Bürger in der Stadt ergibt – ohne dass dazu zusätzlich physischer Strom eingekauft werden musste. Auf schon vorhandenen „Graustrom“ wird die bezahlte EEG-Umlage der Verbraucher in dem städtischen Versorgungsgebiet automatisch angerechnet und die entsprechende Menge in EEG-Ökostrom umgewandelt.

Verbraucher sollten kritisch hinterfragen, ob das Versprechen in „Nachhaltigkeit und Verantwortung“ auch eingehalten wird.

Auch der Ausdruck „erzeugt aus erneuerbaren Energien“ besagt lediglich, dass entsprechende Herkunftszertifikate erworben wurden. Interessanter ist hier schon der Hinweis auf eine „optionale Kopplung“, da diese besagt, dass die Zertifikate zusammen mit dem physischen Strom erworben wurden.

Oftmals ist die Transparenz der Qualität des Ökostroms, der im Energie-Mix der Energieversorger angegeben ist, immer noch nicht hundertprozentig gegeben. Um als Endverbraucher nicht selber auf Greenwashing hereinzufallen, sollte genau auf die Angaben in der erhaltenen Stromrechnung geachtet werden. Ist dort der Hinweis auf „optionale Kopplung“ enthalten, ist auch der physische Strom „grün“.

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