Interview

Chip-Krieg zwischen China und den USA: „Derzeit folgt Schlag auf Gegenschlag“

Eine Mitarbeiterin prüft einen Wafer in einer Halbleiterfabrik in Suqian in der chinesischen Provinz Jiangsu.
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Eine Mitarbeiterin prüft einen Wafer in einer Halbleiterfabrik in Suqian in der chinesischen Provinz Jiangsu.

Die USA wollen China vom Zugang zu hoch entwickelten Halbleitern abschneiden. Peking versucht gegenzusteuern – und reagiert mit Gegenmaßnahmen, die auch Deutschland zu spüren bekommt.

  • China kündigte auf dem Nationalen Volkskongress unlängst eine deutliche Stärkung der eigenen Fähigkeiten in der Hochtechnologie an.
  • Ein Fokus ist die Halbleiterindustrie, die unter US-Sanktionen leidet und nun eigenständiger werden soll. Wirtschaftsprofessorin Doris Fischer erläutert die Erfolgsaussichten der chinesischen Industriepolitik.
  • Dieser Text liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 6. März 2023.
Wie sehr belasten die Chip-Sanktionen der USA die chinesische Wirtschaft ganz akut?
Aktuell haben die chinesischen Unternehmen noch viele Möglichkeiten, die Folgen abzufedern. Man hat zum Teil Vorräte an Chips angelegt, von denen noch etwas da ist. Aber ja, natürlich machen sich die Folgen jetzt schon bemerkbar. Das betrifft aber wohlgemerkt nur Hightech-Chips. Es geht bei den amerikanischen Handelsbeschränkungen nicht um alle Chips, sondern nur um hoch entwickelte Produktklassen an der Grenze des technisch Machbaren. Diese Produktgruppe kann China noch nicht selbst fertigen.
Die Einschränkungen betreffen zwei Bereiche: die Lieferung der Chips selbst und von Maschinen zu ihrer Herstellung. Was wiegt schwerer?
Kurzfristig wiegen die Einschränkungen in Bezug auf die Produkte selbst schwerer, langfristig die bezüglich der Ausrüstung. Die Alternative wäre ja, sie selbst herzustellen, indem man die nötigen Maschinen im Ausland kauft. Das ließe sich vergleichsweise kurzfristig bewerkstelligen. Die Entwicklung eigener Fertigungsmaschinen von Grund auf dauert jedoch deutlich länger. Das sind sehr komplexe Produkte. Wir kennen das aktuell auch bei uns in Deutschland. Es kommen Überlegungen auf, Solarpanels wieder selbst herstellen. Das dauert.

Zur Person

Doris Fischer ist Professorin für China Business und Economics an der Universität Würzburg. Sie hat einen Hintergrund in Sinologie und BWL. Derzeit forscht sie zur Rolle und Ausgestaltung von Industriepolitik für die Energiewende unter der Führung von Xi Jinping.

Im Bereich Solar plant China ja seinerseits Exportbeschränkungen für die EU. Es entspinnt sich ein Schlagabtausch der Volkswirtschaft mit immer weiter reichenden Sanktionen.
Wissen Sie, was das wirklich Traurige an dieser ganzen Entwicklung ist?
Was?
Dass diejenigen in China bestärkt werden, die schon immer gesagt haben: Die Amerikaner wollen uns klein halten. Das war lange Zeit eine Minoritätshaltung in China und ist erst unter Xi Jinping zu einer Mehrheitsmeinung geworden. Der Westen wird unseren Aufstieg nie akzeptieren, lautet der Tenor.

„Es geht um Spitzentechnologie, die auch militärisch relevant ist“

Derzeit stimmt das doch.
Ja, aber das hat sich aber in den vergangenen Jahren erst so hochgeschaukelt. Dazu haben sowohl Donald Trump als auch Xi Jinping beigetragen, jetzt führt Joe Biden diese Linie fort.
Wie kann China umgekehrt verhindern, dass die Chip-Sanktionen den technischen Aufstieg langfristig bremsen?
Die chinesische Regierung wird alles daransetzen, dass eigene Anbieter diese Fähigkeiten erlangen und die Abhängigkeit verschwindet. Es gibt schon lange Investitionsprogramme in den entsprechenden Branchen, und trotz aller Rückschläge ist anzunehmen, dass sie es irgendwann in Zukunft schaffen.
Japan und die Niederlande sind bei den Chip-Sanktionen jetzt offenbar ebenfalls an Bord. Warum war es den USA so wichtig, dass gerade diese zwei Länder ebenfalls den Export nach China beschränken?
Weil sie da, wo es um die Herstellung von Chips oder Teilprozessen der Herstellung von Chips geht, wichtige Lieferanten von Maschinen sind. Sonst hätte die chinesische Strategie sein können, über diesen Einkauf dieser Maschinen die Sanktionen zu umgehen. Den Amerikanern geht es aber noch um etwas anderes. 
Um was?
Tatsächlich lautete die Sorge in den USA auch, abhängig zu werden von chinesischer Zulieferung. Wenn sie die Entwicklung am Markt einfach hätten weiterlaufen lassen, dann wären Chips zwar weiterhin in den USA konzipiert worden, in zunehmendem Maße aber in China oder mit chinesischer Zuarbeit hergestellt werden. Es geht hier aber um Spitzentechnologie, die auch militärisch relevant ist, zum Teil zumindest. Und deswegen will man in den USA die gesamte Wertschöpfungskette eigentlich am liebsten auf dem Kontinent haben.

„Industriepolitik erfordert Subventionen, sie ist teuer“

Sie haben es gerade erwähnt: Chips sind auch Waffen. Als Nächstes kommt vermutlich eine Generation von KI-Waffen wie Schwarmdrohnen und Killerrobotern auf die Schlachtfelder zu, die gewaltige Rechenleistung benötigen. Da ist China noch abhängig?
Ich bin keine Waffenexpertin. Aber es ist sehr wahrscheinlich, dass China hart daran arbeitet, eigene Produktionskapazitäten für die nötigen Halbleiterelemente zu schaffen. Das sieht nicht anders als aus als bei den zivilen Anwendungen. Der Komplex aus staatlichen und privaten Akteuren arbeitet in der Innovation zum Teil sehr geschickt und effektiv.
Politiker im Westen wirken erschrocken darüber, wie erfolgreich Chinas Industriepolitik ist, und wollen sich nun eine Scheibe davon abschneiden.
Das ist natürlich die Ironie des Ganzen. Ich habe in meiner Forschung über 20 Jahre argumentiert, dass Industriepolitik vielleicht manchmal doch funktionieren kann. Das wurde lange Zeit kaum anerkannt. Gerade in Deutschland war Industriepolitik lange Zeit ein No-Go, es galt als unfein, das Wort überhaupt zu benutzen. Jetzt sehen wir eine vollständige Wende unter dem Eindruck Chinas. Doch die Politik sollte nicht vergessen, dass dabei die Effizienz auf der Strecke bleibt.
Warum ist das so?
Industriepolitik erfordert Subventionen, sie ist teuer. Und es klappt nicht immer alles. China hat eine hohe Toleranz für solche gescheiterten Versuche und schreibt die Investitionen als versuchten Schritt hin zu übergeordneten Zielen ab. Unsere Forschung ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die chinesische Regierung unter Xi Jinping in erheblichem Maße bereit ist, hohe Kosten für politisch motivierte Vorhaben in Kauf zu nehmen.

„Gespräche miteinander wären hilfreich“

Das Gleiche gilt für Europa und Deutschland in der Chipbranche ja auch. Wir subventionieren uns ebenfalls eine Halbleiterindustrie herbei.
Deswegen haben wir das gleiche Problem mit den steigenden Kosten im Vergleich zu einer Arbeitsteilung im Welthandel. Wir können natürlich sagen: Okay, wir gucken nicht mehr nur auf Effizienz für – in Anführungszeichen – höhere Ziele. Ob das dann aufgeht, müssen wir sehen.
Wird dadurch nicht alles für alle teurer?
Wenn wir versuchen, alles selbst zu machen und dafür wahnsinnig viel Geld in die Hand nehmen, dann sind die Sachen nicht mehr so kostengünstig. China erreicht in der Massenproduktion enorme Skaleneffekte.
Ist denn ein Ende dieser Sanktionen absehbar?
Derzeit folgt eher Schlag auf Gegenschlag. Die Amerikaner fordern ein Ende von marktverzerrenden Subventionen als Voraussetzung für eine Annäherung. Doch zugleich sehen sie allein schon die Existenz von Staatsunternehmen als Subvention an. Das hieße ja, dass China sein wirtschaftliches System komplett umkrempeln müsste. Es wirklich schwierig, sich im Moment vorzustellen, welche Schritte gegangen werden können, um das aufzuhalten. Gespräche miteinander wären schon mal hilfreich. Wegen der Geschichte mit dem Ballon herrscht aber im Gegenteil wohl eher Funkstille.

Dieser Text erschien am 6. März 2023 im China.Table Professional Briefing – im Zuge einer Kooperation steht es nun auch den Lesern der IPPEN.MEDIA-Portale zur Verfügung.

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