Betreuung

Zum Sommer fehlen in Solingen 900 Kita-Plätze

Petra Coci und Davide Ciazza suchen schon lange einen Kita-Platz für ihre Tochter Chloe.
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Petra Coci und Davide Ciazza suchen schon lange einen Kita-Platz für ihre Tochter Chloe.

Sechs neue Einrichtungen sind in Planung. Genaue Eröffnungstermine und Bedarf sind schwer zu kalkulieren.

Von Simone Theyßen-Speich

Solingen. 900 Solinger Familien, die für den Sommer einen Kita-Platz für ihr Kind suchen, haben noch keinen gefunden. Diese dramatische Zahl wird das Familienbüro der Stadt am kommenden Dienstag dem Jugendhilfeausschuss präsentieren. Anfang vergangenen Jahres standen 600 Eltern ohne Kita-Platz da.

Insgesamt beantragt die Stadt für das kommende Kita-Jahr 5966 Plätze beim Land, dazu kommen 650 Plätze in der Kindertagespflege, so dass rechnerisch insgesamt 6616 Plätze in Solingen zur Verfügung stünden. „Darin eingerechnet sind aber schon 300 Plätze, die erst noch in Planung sind (siehe unten) und bei denen aufgrund der Engpässe beim Kita-Bau und dem Mangel an pädagogischen Fachkräften noch unklar ist, wann genau sie an den Start gehen können“, räumt Christoph Steinebach, Abteilungsleiter des Familienbüros im Stadtdienst Jugend, ein.

„Bei dem Thema muss dringend etwas geschehen.“

Christoph Steinebach, Familienbüro der Stadt

Außerdem können für den Sommer 70 Plätze in bestehenden Kitas nicht vergeben werden. Der Hauptgrund: fehlendes Personal. „Bei dem Thema muss dringend etwas geschehen“, fordert Steinebach. Da die Personalverordnung vom Land festgelegt werde, müsse es dort dringend Änderungen geben. So ist denkbar, dass nicht nur Erzieher, sondern auch Kinderpfleger mehr Gruppenverantwortung übernehmen. „All das muss natürlich mit Bedacht geschehen. Auch wenn es um die Überbelegung von Gruppen geht, darf es nicht zu einem Rückgang der pädagogischen Qualität oder zur kompletten Überlastung der Mitarbeitenden vor Ort kommen.“

Klar ist für das nächste Kita-Jahr, dass auch am 1. August noch viele Familien ohne Platz in einer Kita oder bei einer Tagesmutter dastehen werden. Das befürchtet auch Familie Coci aus Ohligs. Tochter Chloe wird im Oktober drei Jahre alt. „Wir haben unsere Tochter, sobald wir die Kitabetreuungsnummer von der Stadt hatten, wenige Monate nach der Geburt bei kita-online angemeldet“, erinnert sich Petra Coci. „Sie wäre schon im vergangenen Jahr gerne in die Kita gegangen.“

Das hat nicht geklappt, und auch für den kommenden Sommer steht die Familie bislang noch ohne Platz da. „Unser erster Wunsch war die Kita Don Bosco in Ohligs gewesen, katholisch, mit Italienisch-Schwerpunkt und nah an unserem Wohnort, das hätte alles prima gepasst, leider gab es eine Absage“, so Coci. Auch bei der Kita Sterntaler in Wald und der Kita Elsässer-Straße, den weiteren Wünschen bei kita-online, sind Absagen eingetroffen. „Vom Jugendamt haben wir die Antwort erhalten, dass viele Kinder noch einen Platz suchen“, ist die Mutter resigniert.

Derzeit kann sie nur einen Mini-Job zeitlich umsetzen. „Ich würde gerne wieder mehr arbeiten, hätte auch die Möglichkeit, in der Kantine einer Klinik anzufangen, aber ohne Betreuung für meine Tochter ist das nicht möglich.“ Auch die Anfragen bei Tagesmüttern seien erfolglos gewesen, mit knapp drei Jahren sei Chloe dafür zu alt.

Die Kriterien, wer angesichts der Mangellage einen Kitaplatz bekommt und wer nicht, legen die Träger der Einrichtungen fest. Alter, Geschwisterkinder, Wohnortnähe, soziale Härte oder die Konfession bei konfessionellen Trägern seien übliche Kriterien, so Christoph Steinebach.

Von den aktuell 908 suchend gemeldeten Kindern ist der Großteil (558) im Sommer zwei oder drei Jahre alt. Aber auch 86 Fünfjährige, also im letzten Jahr vor der Einschulung, haben noch keinen Platz.

Die Herausforderungen bei dem Thema sind und bleiben groß, betont Christoph Steinebach. Fachkräftemangel, komplizierte Refinanzierung der Gebäude, schwierige Bedarfsplanung auch durch Geflüchtete, psychische Folgen der aktuellen Krisen bei Familien und Erziehern – für Lösungsschritte ist jetzt ein Kita-Gipfel geplant. | Standpunkt

Kita-Neubaupläne

Planung: Verlässliche Zeitpläne für Eröffnungen seien aufgrund des Mangels an pädagogischen Fach-kräften, der Verzögerungen beim Bau, der Kostenexplosion und fehlender Grundstücke kaum möglich.

Glückspilze: Die neue sechsgruppige Kita an der Schwabenstraße wird, wenn nichts dazwischen kommt, im Sommer 2023 fertig, mit zwei der sechs Gruppen ist man schon im Ausweichquartier Elsa-Brändström-Straße gestartet.

Kuckesberger Zwerge: Die Elterninitiative in Ohligs soll mit anderthalb Gruppen im Sommer an den Start gehen.

Pinocchio 4: Im Ausweichquartier an der Elsa-Brändström-Straße könnte die Pinocchio-Kita mit zwei Vorläufergruppen noch dieses Jahr starten, wenn Personal vorhanden ist.

Goldberger Weg: Die viergruppige Kita könnte Ende '23 oder Anfang '24 in Betrieb gehen.

Planungen für 2024: Läuft alles glatt, könnte die Kita Löwenzahn an der Margaretenstraße mit drei Gruppen im Sommer 2024 starten. Auch die vier Gruppen an der Wuppertaler Straße sollen 2024 beginnen. Der Neubau der Kita Burg ist frühestens für Ende 2024 in Sicht.

Standpunkt: Die Decke ist zu kurz

simone.theyssen-speich@solinger-tageblatt.de

Die Zahl der fehlenden Kita-Plätze, die Decke, die an allen Ecken und Kanten zu kurz ist, beschäftigt die Verwaltung schon lange. Einiges ist im vergangenen Jahr geschehen, die aktuell 900 fehlenden Plätze zeigen aber, dass das noch lange nicht reicht. 900 Plätze, das wären neun zusätzliche sechsgruppige Einrichtungen. Die kann man nicht einfach aus dem Boden stampfen. Und selbst wenn, fehlen dafür die Erzieher. Es bleibt also wieder dabei, nur an vielen kleinen Schrauben zu drehen. Und das schnell. Überbelegung der Gruppen, da, wo es geht, mit Vorläufergruppen starten, da, wo Kitas noch nicht fertig gebaut sind, ausbilden und den Beruf für Quereinsteiger weiter öffnen.

Aber vor allen Dingen müssen Bund und Land das System für die Träger vor Ort bezahlbar machen. Und wir müssen aufpassen, dass die Mangelsituation nicht zur Spaltung der Stadt-Gesellschaft führt. Jüngere oder ältere Kinder, mit oder ohne Förderbedarf, geflüchtet oder alt-eingesessen – für alle muss Platz da sein.

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