Musical

„Fack Ju Göhte“: Zeki Müller versteht die Amok-Jugend

Zeki brauchte wenige, genaue Gesten, das Ensemble nutzte viele: Das Musical „Fack Ju Göhte“ lief jetzt im Theater.
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Zeki brauchte wenige, genaue Gesten, das Ensemble nutzte viele: Das Musical „Fack Ju Göhte“ lief jetzt im Theater.

Auf den Punkt präsentiert die Agentur Showslot das preisgekrönte Musical „Fack Ju Göhte“.

Von Daniela Neumann

Solingen. Auch wer die Filme nicht kennt, konnte der Story folgen und ein Musical-Fest erleben. An zwei Abenden gastierte das preisgekrönte Tour-Stück „Fack Ju Göhte“ nun in Solingen. Im ausverkauften Pina-Bausch-Saal erlebte das Publikum am Sonntagabend ein Ensemble der Agentur Showslot, das Spielfreude und Solidarität zeigte.

Im zweiten Teil verletzte sich Malcom Henry in seiner Rolle als Schüler Burak, so dass nach einer Unterbrechung Paul Elias Gierlinger für ihn einsprang. Zum großen Finale war Henry wieder mit auf der Bühne, anmoderiert von einer der beliebtesten Figuren, Franziska Kuropka als dominante Schulleiterin Frau Gerster.

Sie hält den frisch aus dem Knast entlassenen Dieb und Hausmeister-Bewerber Zeki Müller für einen Lehrer und stellt ihn zur Aushilfe an ihrer Goethe-Gesamtschule ein. Hier herrscht das Chaos in Form von außer Rand und Band geratenen Kids der 10b, intensiv dargeboten im Song „Amok“.

„Romeo und Julia“ gab es mit Superhelden-Klettkostümen

Alle, die mit dem Schulsystem zu tun haben, konnten ihre Anknüpfungspunkte finden: „Das könnte meine Klasse spielen“, war etwa im Publikum zu hören. Während Veronika Hörmann als hochmotivierte Referendarin Lisi Schnabelstedt zunächst auf pädagogische Achtsamkeit setzt, spricht Manuel Karadeniz als Zeki die Sprache der Jugendlichen. Und das heißt oft Wort- und Körpereinsatz bis zur Schmerzgrenze. Schimpfwörter und Fluchen gehören untrennbar dazu. Im Stück lernen alle, worum es dann geht: das Ganze zu verstehen. Woher, warum, und wohin soll es gehen.

Zeki will eigentlich nur seine unter der Turnhalle vergrabene Beute bergen, findet dann jedoch nach und nach andere Schätze: Menschen. Diese werden vom Ensemble liebevoll dargestellt und karikiert. Da ist Schülerin Chantal (erfrischend: Jasmin Fihlon), die kein Blatt vor den Mund nimmt. Damit übertüncht sie den Tumult zu Hause, den sie dem Zettel für die Zeitkapsel anvertraut hat: „Ich will, dass Mama endlich aufhört zu trinken.“ Die Macho-Allüren von Klassenkamerad Danger (stark im Rap: Florian Heinke) kommen auf den Prüfstand, als er sich gezwungenermaßen mit Schülerin Zeynep (eine mal selbstbewusste, mal melancholische Myriam Akhoundov) mit Worten battelt.

Die Wucht der Kids kanalisiert Zeki in der Theater-AG der Schule. Als Stück im Stück zeigt das Ensemble einen wilden Ritt durch „Romeo und Julia“ mit der Sprache und den Superhelden von heute. Dabei sind die Kostüme ebenso wie Requisiten im Comic-Stil aufgeklettet. Hier gehen Bühnen- und Kostümbild (Andrew Edwards und Adam Nee) Hand in Hand. Hervorragend ist zudem der Einsatz von Sprache und Melodie zur Darstellung von Personen und Handlung. Dafür waren neben Autor Kevin Schroeder die Komponisten Simon Triebel und Nico Rebscher zuständig. Mark Forster und Sarah Connor haben Hits mit Ersterem, Adel Tawil und Rea Garvey musikalische Erfolge dank Letzterem erzielt. „Geisterkrank“ statt geisteskrank, „Asapissimo“ als Wortschöpfung, feinster Bollywood-Stil und Polizeisirene in Hip-Hop eingebaut: So macht Musical Spaß. Ganz abgesehen von akkurater Choreographie (Jonathan Huor) und Lichtdesign (Tim Deiling), wodurch alle glänzen konnten.

Christoph Drewitz und Michael Lieb haben als leitende Verantwortliche für über zwei Stunden eine Welt erschaffen, die raue Realität mit Hoffnung auf die Zukunft verknüpft. So etwa bei Schülerin Laura, deren Entwicklung Amelie Polak rührend aufzeigt. Warmherzig und witzig läuft daneben Johanna Weinstich als Zekis Kumpanin Charlie, bevor sich er und Lisi näherkommen.

Seitenhiebe auf Frust bei Lehrkräften durch Behördendeutsches und das berüchtigte „Das-Lachen-bleibt-im-Hals-stecken“ bei einer Junkie-Szene führen dann zum guten Ende: Es geht darum, den Menschen in seinem jetzigen Tun zu sehen und nicht darin, was dieser auf dem Papier zu sein scheint.

Informationen

2018 gewann „Fack Ju Göhte“ den deutschen Musical-Theater-Preis in der Kategorie Bestes Musical. Das Stück zeichnet sich auch durch Ohrwürmer aus wie das Lied „Kaltes Wasser“.

showslot.com/fackjugoehte

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