Asyl

Zahl der Geflüchteten steigt in Solingen weiter an

In der Kleiderkammer von Gräfrath hilft helfen Georg Schubert, Babsi und Stefano De Nuccio sowie Katerina Lisgaris.
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In der Kleiderkammer von „Gräfrath hilft“ helfen Georg Schubert, Babsi und Stefano De Nuccio sowie Katerina Lisgaris.

Die Unterbringung bereitet in Solingen zunehmend Sorge. Die meisten Geflüchteten leben in Wohnungen oder wohnungsähnlichen Einrichtungen. Von den Plätzen, die die Stadt darüber hinaus in ihren Flüchtlingsunterkünften vorhält, sind nur noch wenige frei.

Von Kristin Dowe und Andreas Tews

Solingen. Die Flüchtlingsunterkünfte sind derzeit stark belegt, berichtet Rathaussprecher Daniel Hadrys. Und für die nahe Zukunft erwartet die Stadtverwaltung noch mehr Geflüchtete. Deren Unterbringung bereitet den Zuständigen Sorgen. Dem Flüchtlingsgipfel von Bund und Ländern sehe man mit Skepsis entgegen.

Yasser Berro ist selber Geflüchteter aus Syrien und kümmert sich um die Hausratkammer.

Derzeit leben laut Hadrys etwa 4000 Flüchtlinge in Solingen. Die meisten kommen aus der Ukraine, Irak, Syrien und Afghanistan. Untergebracht sind sie vor allem in Wohnungen oder wohnungsähnlichen Einrichtungen. Von den 1278 Plätzen, die die Stadt darüber hinaus in ihren Flüchtlingsunterkünften vorhält, seien nur noch wenige frei.

Und der Bedarf steigt weiter. Nach aktuellen Zahlen des NRW-Integrationsministeriums muss die Stadt in diesem Jahr mit bis zu 500 zusätzlichen Betroffenen rechnen, die ihr zugewiesen werden.

Bei der Stadt sieht man deswegen Handlungsbedarf. Hadrys: „Es werden immer wieder weitere Einrichtungen und Wohnungen neu erschlossen.“ Dazu kämen die Häuser in Holzbauweise, die bis Anfang 2024 in Gräfrath und Höhscheid in Betrieb gehen sollen. „Unser Ziel bleibt eine dezentrale Unterbringung mit möglichst wenigen Sammelunterkünften“, erklärt der Rathaussprecher. Wegen der anhaltenden Zuweisungen würden ständig weitere Objekte und Notunterkünfte geprüft.

„Wir brauchen endlich Planungssicherheit.“

Daniel Hadrys, Stadt Solingen

Derzeit ist aber nicht genau abzusehen, worauf sich die Stadt und die Hilfsorganisationen in Solingen einstellen müssen. Mehr Klarheit soll aus Sicht der Bundesregierung der Bund-Länder-Flüchtlingsgipfel bringen, zu dem Innenministerin Nancy Faeser (SPD) noch im Februar einlädt. Den erwartet man im Rathaus mit gemischten Gefühlen. Das wichtigste ist laut Hadrys: „Wir brauchen endlich Planungssicherheit und die Finanzierung von Vorhaltekosten, um aus dem dauerhaften Krisenmodus hinauszukommen.“

Immerhin scheint die Zusammenarbeit innerhalb der Stadt zu funktionieren. Fortschritte gebe es bei der Vermittlung von Wohnungen für Geflüchtete, sagt Georg Schubert vom Leitungsteam der Hilfsinitiative Gräfrath hilft anerkennend. „Anfangs war das ein großes Problem für die in Solingen ankommenden Ukrainer. Mittlerweile hat sich die Situation bezüglich der Wohnungen aber erheblich verbessert und die zunächst langen Wartezeiten bei der Bearbeitung der Anträge durch das Jobcenter haben sich verkürzt.“ Lediglich kleinere Wohnungen etwa für Alleinstehende seien weiterhin Mangelware. Positiv sei aber auch, dass sich der Austausch zwischen den Behörden und ehrenamtlichen Helfern durch eine monatliche Videokonferenz intensiviert habe.

Die Nachfrage nach Hilfsgütern wie Möbel und Hausrat sei im Lager von Gräfrath hilft an der Schulstraße immer noch hoch, beobachtet Schubert außerdem. Verbesserungsbedarf sehe er aktuell vor allem bei Arbeitssituation vieler Geflüchteter. „Viele der Betroffenen möchten unbedingt arbeiten, haben aber das Problem, dass ihre Qualifikationen in Deutschland nicht anerkannt werden. Dann müssen sie in ihrer Wohnung sitzen und Däumchen drehen, obwohl wir die Fachkräfte dringend brauchen würden.“

So kenne er den Fall eines ukrainischen Internisten mit elfjähriger Berufserfahrung, der aktuell nicht mal in der Pflege arbeiten dürfe, weil er nicht über das erforderliche Sprachzertifikat verfüge. Für Schubert unverständlich: „Wir dürfen diese Leute nicht auf der Straße stehenlassen.“

Auch die Hilfe der Kleiderkammer nähmen weiterhin viele Geflüchtete aus der Ukraine und anderen Ländern in Anspruch, berichtet DRK-Geschäftsführer Dr. Thorsten Böth. „Derzeit gibt es einen besonderen Bedarf an warmer Winterkleidung. Aber auch Bettwäsche und Handtücher werden stark nachgefragt.“ Insgesamt habe die Stadt die Situation mit den ukrainischen Geflüchteten bislang gut bewältigt, bestätigt auch Böth.

Der Austausch zwischen Stadt, Wohlfahrtsverbänden und Hilfsorganisationen funktioniere reibungslos. „Dadurch werden ständig wechselnde Herausforderungen, zum Beispiel in den Bereichen Kinderbetreuung, Schule, Sprachkurse, Wohnraum und auch rechtliche Fragestellungen, frühzeitig erkannt und gemeinsam mit den Verbänden angegangen.“

Zahlen

Die meisten der 4000 Geflüchteten in Solingen leben in Mietshäusern. Die Stadt hält aber auch 1278 Plätze in 21 Objekten vor, die als Flüchtlingsunterkünfte genutzt werden. Dabei handelt es sich um Übergangsheime, ein angemietetes Hotel, Handwerkerwohnungen sowie eine Notunterkunft.

Standpunkt von Andreas Tews: 12 Millionen für Solingen

andreas.tews@solinger-tageblatt.de

Ein Flüchtlingsgipfel mit Vertretern des Bundes, der Länder und der Kommunen soll mehr Klarheit in der Frage bringen, wie Städte und Gemeinden die neu ankommenden Geflüchteten unterbringen sollen. Es gehe darum, „direkt mit den Kommunen noch mal zu schauen, was getan werden könne“, heißt es aus dem Bundesinnenministerium der SPD-Politikerin Nancy Faeser.

Eine konkrete Idee für Solingen hätte ich: Wie wäre es, wenn der Bund die 12 Millionen Euro übernimmt, die die Stadt für zwei neue Holzhäuser in die Hand nehmen muss, um darin Geflüchtete unterzubringen? Im Rathaus gibt man sich da fast schon bescheiden: Eine verlässliche Planungssicherheit wäre demnach zumindest schon einmal ein Anfang.

Keine Frage: Wir leben in einer Zeit der Krisen, mit denen noch vor einigen Jahren keiner gerechnet hat. Doch der Bund muss mehr tun, als nur Hilfe anzukündigen. Es müssen Taten folgen. Sonst bleibt nicht nur der Aufwand an den Städten hängen, sondern wieder einmal auch die finanzielle Belastung.

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