ST-Uni-Vortrag

Soziologe: „Wo Leerstand ist, fehlt die Kontrolle“

Dr. Tim Lukas warnt davor, die Wahrnehmungsempfindung nur aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft zu beleuchten.
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Dr. Tim Lukas warnt davor, die Wahrnehmungsempfindung nur aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft zu beleuchten.

Soziologe Dr. Tim Lukas sprach im ST-Uni-Vortrag darüber, wie wir Angsträume wahrnehmen.

Von Jonathan Hamm

Solingen ist in vielerlei Hinsicht ein interessantes Forschungsobjekt für Dr. Tim Lukas. Zum einen sei die Klingenstadt seit der Anfertigung einer großangelegten Studie im Jahr 1985 „eine Wiege der deutschen Kriminalgeografie“, sagt er. Zum anderen könne auch in Solingen die Entstehung und Existenz von sogenannten Angsträumen beobachtet werden – wie beispielsweise auf der unteren Hauptstraße.

Doch was sind Angsträume genau? Wie entstehen sie? Und vor allem: Wie können sie verhindert werden? Mit diesen Fragen beschäftigte sich der Soziologe am Montagabend beim Uni-Vortrag von Bergischer Universität und Solinger Tageblatt. Im Gründer- und Technologiezentrum (GuT) sprach er darüber, wie das Sicherheitsgefühl in einer Stadt verbessert werden kann.

Um zu verstehen, was Angsträume sind und wie sie entstehen, müsse man sich mit dem Sicherheitsempfinden der Menschen auseinandersetzen. In der Forschung werde dabei zwischen objektiver und subjektiver Sicherheit unterschieden, wobei zwischen den beiden eine deutliche Diskrepanz bestehen könne. „Sicherheit ist ein sehr vielschichtiger Begriff, der viele Dimensionen aufweist“, stellt Dr. Tim Lukas klar.

„Lernen von Anderen ist immer eine gute Idee.“

Dr. Tim Lukas, Soziologe, über den Austausch zwischen Städten, Polizei und Ordnungsamt

So zeigen Statistiken, dass die tatsächliche Sicherheit in Deutschland in den vergangenen Jahren zugenommen hat. „Wir leben in sehr sicheren Zeiten, wenn wir auf die Kriminalstatistik schauen“, erklärt der Soziologe. Diese objektive Feststellung müsse aber nicht unbedingt mit der gefühlten Sicherheit übereinstimmen. „Wir haben eine Kluft zwischen dem, was wahrgenommen wird, und dem, was kriminalstatistisch als Angstraum gilt.“ Lukas’ Definition: Bei einem Angstraum handelt es sich um einen Ort, an dem sich viele Menschen aufgrund der Bebauung, Lage und anderer Menschen unsicher fühlen und daher den Platz meiden.

In Solingens Innenstadt, mit der er sich im Vorfeld seines Vortrages auseinandergesetzt hat, beschäftigt ihn vor allem die geringe Auslastung der Geschäfte. Sie könne auch dafür sorgen, dass Angsträume entstehen. „Da wo Leerstand ist, ist natürlich überhaupt keine soziale Kontrolle.“

Das sogenannte Disorder-Modell geht davon aus, dass die Furcht vor Kriminalität als Reaktion darauf entsteht, dass die soziale Kontrolle als mangelhaft wahrgenommen wird. Leerstand wie auch Verschmutzung oder fehlende Beleuchtung ließen sich unter dem Oberbegriff baulich-physische Aspekte zusammenfassen. Hinzu kämen soziale Phänomene, zu denen unter anderem suchtkranke und wohnungslose Menschen zählen.

Diese Betrachtung könne aber problematisch sein, warnt Lukas. „Wenn wir über Angsträume reden, dann tun wir das oft aus einer Perspektive der Mehrheitsgesellschaft“, erklärt er. Denn: Auch Menschen, die vermeintlich Angst machen, würden sich an diesen Orten unsicher fühlen – könnten diese jedoch im Gegensatz zur Mehrheitsgesellschaft nicht unbedingt meiden. „Während wir sagen können, wir machen einen großen Bogen darum, sind diese Menschen gezwungen, sich da aufzuhalten.“ Es gebe zu wenig Alternativen für die Menschen, die sich an diesen Orten aufhalten und zum Teil auch dort leben. „Wenn wir wollen, dass die Szene nicht mehr da ist, wo sie sich den ganzen Tag aufhält, müssen wir ein Angebot machen.“

Zudem wünscht er sich auf mehreren Ebenen einen engeren Austausch. „Was sich als ein gutes Konzept erwiesen hat, ist ein stärkeres Zusammenarbeiten zwischen Ordnungsamt und Polizei.“ Aber auch eine enge Städtekooperation könne dabei helfen, Ideen zu sammeln. „Es gibt in vielen Städten so gute Beispiele, an denen man sich orientieren kann. Lernen von anderen ist immer eine gute Idee.“

Vortrag zur Energiekrise

Letzter Vortrag 2023: „Wege aus der Energiekrise – so kann das nachhaltige Energiesystem der Zukunft gelingen“, Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Lehr- und Forschungsgebiet Elektrische Energieversorgungstechnik. Termin: Montag, 5. Juni, 19 Uhr.

Veranstaltungsort: Gründer- und Technologiezentrum, Grünewalder Straße 29-31, Solingen.

Hinweis: Der Eintritt ist frei. Dauer circa eine Stunde, im Anschluss Fragemöglichkeit. Viele kostenlose Parkplätze vorhanden.

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