Kooperation

Die Brille aus dem Netz - gekauft vor Ort

Neben „seinen“ Brillen bietet der Remscheider Optiker Dirk Sauer auch das Portfolio eines Online-Optikers an.
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Neben „seinen“ Brillen bietet der Remscheider Optiker Dirk Sauer auch das Portfolio eines Online-Optikers an.

Darum kooperieren Optiker-Handwerksbetriebe aus der Region mit Online-Anbietern.

Von Sven Schlickowey

Remscheid. Viel mehr Optiker-Tradition als bei Dirk Sauermann geht eigentlich nicht mehr. Schon sein Vater war Augenoptikermeister. Und als er sich vor fast 40 Jahren selbstständig machte, übernahm er ein Geschäft, das bereits 1935 gegründet wurde. Doch seit einiger Zeit beschreitet Sauermann neue Wege. In seinem Laden in der Remscheider Hindenburgstraße bietet er – neben seinem üblichen Angebot – auch einen Stützpunkt für einen Online-Optiker an.

Wer beim selbsternannten Brillendiscounter brillen.de einkaufen möchte, kann dies bei Dirk Sauermann tun. Er macht einen Sehtest, hilft bei der Bestellung und passt die Sehhilfe, die in China gefertigt wird, später auch an. Dafür erhält er von der SuperVista AG, dem Unternehmen hinter brillen.de, eine Provision.

Viel damit zu verdienen sei nicht, sagt Sauermann. Doch die Kooperation bringe Menschen in den Laden, die den Weg sonst eher nicht gefunden hätten, ist er überzeugt. Erst recht in Zeiten der hohen Inflation, in denen die Leute vermehrt aufs Geld schauen. „Wenn ich eine hochwertige Gleitsichtbrille mit Markengläsern von Rodenstock anfertige, kostet die vielleicht 1000 Euro, davon verkaufe ich aber natürlich nicht drei Stück am Tag.“ Von den wesentlich günstigeren Modellen von brillen.de gehe auch schon mal ein halbes Dutzend täglich über die Theke. „Damit habe ich wenigstens etwas zu tun.“

„Mittlerweile haben alle festgestellt, dass der reine Online-Vertrieb von Korrektionsbrillen nicht funktioniert.“

Chiara-Marie Argow, ZVA

So wie Dirk Sauermann denken offenbar auch andere Optiker im Bergischen. Bei brillen.de, dessen Konkurrenten Mister Spex und anderen Online-Optikern findet sich ein gutes Dutzend Partneroptiker in der Region. Mister Spex hat laut eigenen Angaben 500 Partnerbetriebe in Deutschland, Österreich und der Schweiz, brillen.de spricht von europaweit rund 900. Sie alle hoffen wohl auf mehr Kunden und höhere Umsätze ohne eigene Investitionen, womit zum Beispiel die SuperVista AG auf ihrer Internetseite wirbt. Denn die notwendigen Geräte haben Optiker meist schon. Und anders als im klassischen Geschäft müssen sie für das Online-Geschäft nicht Hunderte Fassungen aufs Lager legen – und vorfinanzieren.

Glaubt man allerdings dem Zentralverband der Augenoptiker und Optometristen (ZVA) profitieren die Online-Anbieter mindestens genauso von der Partnerschaft mit den Handwerksbetrieben vor Ort. Denn ohne die würden sie in Deutschland vermutlich sehr viel weniger Sehhilfen verkaufen. „Mittlerweile haben alle festgestellt, dass der reine Online-Vertrieb von Korrektionsbrillen nicht funktioniert“, sagt Chiara-Marie Argow vom Presseteam des ZVA. Das zeige auch der geringe Marktanteil: „So wurden in den letzten Jahren jeweils lediglich circa zwei Prozent der Brillen online verkauft.“

Denn die handwerkliche Arbeit des Optikers sei durch eine Online-Anwendung einfach nicht zu ersetzen, sagt der Verband. „Es gibt Defizite in der Beratung, bei den Messwerten, bei der Herstellung und bei der anatomischen Anpassung“, zählt Chiara-Marie Argow auf. Deswegen habe der Bundesgerichtshof auch schon 2016 reine Online-Anbieter per Gerichtsurteil dazu verpflichtet, ihre potenziellen Kunden vor dem Tragen ihrer Gleitsichtbrillen im Straßenverkehr zu warnen. Und deswegen brauchen die Online-Anbieter die Betriebe vor Ort mehr als andersrum.

Gleichwohl rate der ZVA seinen Mitgliedsbetrieben von einer solchen Zusammenarbeit ausdrücklich nicht ab, betont die Pressesprecherin: „Als Verband geben wir unseren Mitgliedern keine Empfehlung, mit wem sie kooperieren sollen. Dies gilt sowohl für einzelne Hersteller etwa von Brillengläsern, Fassungen oder Kontaktlinsen als auch für Plattformbetreiber.“

Und so will auch Dirk Sauermann weiter mit brillen.de zusammenarbeiten, zumindest so lange die Partnerschaft für ihn Vorteile bringe. „Bisher war das noch so.“ Gerade weil zuletzt viele Dinge teurer geworden sind, sei es wichtig, auch Brillen für den kleinen Geldbeutel anzubieten, sagt der Augenoptikermeister. Trotzdem sei das nur ein Zusatzgeschäft zu seiner eigentlichen Tätigkeit. „Und so versehe ich das auch.“

Hintergrund

Rund 6,8 Milliarden Euro Umsatz machte die Optiker-Branche in Deutschland 2021, 3,96 Milliarden Euro davon entfielen auf Brillengläser. Der Rest verteilte sich auf Fassungen (1,51 Milliarden), Sonnenbrillen (0,72) und Kontaktlinsen (0,61). Laut Prognosen steigt der Umsatz bis 2025 auf mehr als 7,7 Milliarden Euro.

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