Wohnen
Makler: „Immobilienmarkt normalisiert sich wieder“
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Die gestiegenen Zinsen wirken sich auf den Immobilienmarkt im Bergischen aus.
Von Sven Schlickowey
Bergisches Land. Dirk Mosler ist ein alter Hase in seiner Branche, seit 1996 ist der Remscheider als Immobilienmakler tätig. Was er seit einigen Monaten erlebt, erinnert ihn bisweilen an die Zeit von vor etwa 15 Jahren. „Der Immobilienmarkt normalisiert sich wieder“, sagt er. Daran gewöhnen müssen sich alle Beteiligten aber trotzdem erst noch.
Dank extrem niedriger Zinsen konnte sich jahrelang nahezu jeder jede Immobilie leisten. Je nach Beleihungsauslauf und Zinsfestschreibung verlangten die Banken teilweise weniger als ein Prozent Zinsen. Inzwischen werden wieder um die vier Prozent fällig. Bei zwei Prozent anfänglicher Tilgung steigt damit die Annuität, also die jährliche Belastung, auf etwa das Doppelte.
Das schränke den Interessentenkreis deutlich ein, sagt Dirk Mosler. „Auf ein Reihen-Mittelhaus hatte ich früher am ersten Tag 50 Anfragen.“ Heute gebe es vielleicht 15 in drei Wochen. Entsprechend länger bleiben die Objekte beim Makler im Bestand. So wird das Leid der einen zur Freude der anderen. Denn wer sich trotzdem noch ein Haus oder eine Wohnung leisten kann, hat heute deutlich mehr Auswahl.
Angekommen ist diese Entwicklung natürlich auch bei den Kreditinstituten. Von einer merklich gesunkenen Nachfrage nach Baufinanzierungen sprach die Stadtsparkasse Remscheid bei der Vorstellung ihrer Bilanz vor wenigen Wochen – nachdem sie für 2022 noch ein Rekordergebnis in diesem Bereich vermelden konnte. Ähnlich sieht es bei den Kollegen in der Klingenstadt aus: „Generell kann man sagen, dass sich die Nachfrage nach einem Immobilienerwerb im Vergleich zu der Niedrigzinsphase deutlich beruhigt hat“, berichtet Sebastian Assé, Referent für Unternehmenskommunikation bei der Stadt-Sparkasse Solingen.
Die geringere Nachfrage lasse die Preise für Gebrauchtimmobilien sinken, erklärt Assé, bisher um etwa zehn bis 15 Prozent im Vergleich zu den Spitzenzeiten 2022. Aber nicht so deutlich, wie sich das die Käufer vielleicht wünschen würden: „Die Anpassung des Preisniveaus bei Gebrauchtimmobilien – hier spielt die Erwartung der Verkäufer natürlich eine große Rolle – geschieht jedoch nicht so schnell wie die Zinssteigerung.“
Der Markt müsse sich noch „einpendeln“, sagt Immobilienmakler Mosler. Sebastian Assé von der Stadt-Sparkasse Solingen spricht von gegenseitigen Erwartungen, die angepasst werden müssten. Sowohl beim Verkäufer hinsichtlich Preis und Vermarktungszeitraum als auch beim Käufer in Sachen Größe, Ausstattung, Zustand und Lage. Dass das kommen wird, darüber ist sich die Mehrheit der Experten einig. Wann ist derzeit aber noch unklar.
Zusätzliche Dynamik könnte die Entwicklung erhalten, wenn die Zinssteigerungen weitere Objekte auf den Markt spült. Ein durchaus denkbares Szenario, wie Dirk Mosler meint. Steigt die Rate nach dem Auslaufen der Zinsfestbindung, könnte das einige Besitzer zum Verkauf zwingen.
Wer eine Immobilie für 400 000 Euro plus Nebenkosten finanziert, zahlt bei 1,5 Prozent Zinsen und zwei Prozent anfänglicher Tilgung eine monatliche Rate von etwa 1280 Euro. Läuft die Zinsbindung nach zehn Jahren aus, ist zwar etwa ein Viertel der Kreditsumme getilgt, durch die höheren Zinsen steigt die Rate aber trotzdem. Bei vier Prozent auf etwa 1700 Euro. Nicht jeder wird sich das leisten können. Ein ähnliches Phänomen gab es früher schon, als auffällig viele Häuser nach acht Jahren weiterverkauft wurden – wenn die Eigenheimzulage auslief.
Wie sich die aktuelle Entwicklung auf die ohnehin schon niedrige Eigentumsquote der Deutschen auswirkt, ist unklar. In den zurückliegenden Boom-Jahren stieg die immerhin auf knapp unter 50 Prozent, bleibt damit aber immer noch weit hinter Norwegen (80 Prozent) oder der Niederlande (70) zurück. „Um die Eigentumsquote zu steigern, fehlen aktuell staatliche Anreize“, sagt Sebastian Assé.
Ob die für dieses Jahr angekündigte neue Wohnungsbauförderung daran etwas ändert, bleibt abzuwarten. Die Bundesregierung möchte sogenannte Schwellenhaushalte mit mindestens einem Kind und einem zu versteuernden Einkommen von maximal 60 000 Euro mit vergünstigten Darlehen unterstützen. Allerdings nur für Neubauten und mit maximal 240 000 Euro Kreditsumme. Bei den aktuellen Baupreisen dürften die Familien damit aber nicht weit kommen.
Bausparen
Durch die Zinssteigerungen erlebt auch ein beinah totgeglaubtes Finanzprodukt eine Renaissance, der Bausparvertrag, der zur Zinssicherung genutzt werden kann. Bausparverträge funktionieren, etwas vereinfacht, so: In der Ansparphase zahlt der Kunde ein, verzichtet aber in Vergleich zu anderen Produkten auf einen Teil des marktüblichen Zins, dadurch kann die Bausparkasse dieses Geld günstiger an andere Kunden verleihen. Wird der Vertrag zuteilungsreif, was vor allem mit der Laufzeit und den Einzahlungen zusammenhängt, bekommt der Kunde sein angespartes Geld und darf die Differenz zur Bausparsumme als Darlehen in Anspruch nehmen, ebenfalls zu günstigeren Konditionen. Die Zinssätze für die Spar- wie die Kreditphase werden bereits beim Vertragsabschluss festgelegt. Das System hat allerdings auch Nachteile. Verbraucherschützer kritisieren die teils hohen Kosten in den Verträgen. Zudem können die Bausparkassen nur das Geld verleihen, das sie vorher bei Sparern einsammeln, dadurch kann es zu Wartezeiten auf die Kredite kommen.