Mit Mitte 60 in Rente – oder doch nicht?
„Ich kann mich nicht zur Ruhe setzen – will ich auch gar nicht“
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Der 82-jährige Karl-Heinz Rodenkirchen führt die Tradition der Paul Hölzer GmbH fort.
Von Manuel Böhnke
Solingen. Gebückt sitzt Karl-Heinz Rodenkirchen am Schleifbock. Der Stuhl ist niedrig, die Haltung sieht unbequem aus. Der Solinger springt auf, geht zur nächsten Maschine. Schleifen, fräsen, punktschweißen – etwa zehn Arbeitsgänge sind notwendig, damit aus Rohware eine Pinzette wird. Der Geschäftsführer der Paul Hölzer GmbH erledigt sie alle eigenhändig – im Alter von 82 Jahren.
„Ich kann mich nicht zur Ruhe setzen – will ich auch gar nicht“, betont Rodenkirchen. Das gilt auch für sein Privatleben. Er ist begeisterter Radfahrer, bricht regelmäßig zu mehrtägigen Touren durch unwegsames Gelände auf. Dafür nimmt er sich Zeit. „Ich arbeite nicht mehr jeden Tag acht Stunden.“ Und doch ist er normalerweise von Montag bis Freitag im Betrieb, wenn es sein muss auch am Wochenende. Dabei beflügele ihn der Wunsch, das Vermächtnis seiner Vorfahren zu würdigen: „Meine Großeltern mussten auf viel verzichten.“
Emilia und Paul Hölzer gründeten das Unternehmen am 1. April 1918. Zunächst produzierten sie Taschenmesser und Bestecke, später zusätzlich Klappmesser und Rasierklingen, ehe das Sortiment auf Werkzeuge für Goldschmiede, Juweliere, Uhrmacher und Optiker umgestellt wurde.
Bis zu zehn Beschäftigte zählte der Betrieb an der Messerstraße. Als Karl-Heinz Rodenkirchen im Jahr 1993 die alleinige Verantwortung übernahm, florierten die Geschäfte bereits nicht mehr. Sukzessive verkleinerte er die Firma, 2000 ging der letzte Mitarbeiter. Die einstige Fabrik ist heute ein Wohnhaus, der 82-Jährige fertigt in einer kleinen Manufaktur.
Das dafür nötige Handwerk hat sich der gelernte Industriekaufmann angeeignet. „Wichtig ist, interessiert zu sein. Man arbeitet sich an die Materie heran und bekommt irgendwann ein Gefühl dafür“, erklärt er. Offensichtlich: Neben Zangen, die Paul Hölzer vertreibt, fertigt der Solinger pro Jahr rund 1000 Pinzetten unter dem Markennamen Asket. Die Kunden kommen aus der Antwerpener Edelsteinindustrie, sind Juweliere. Auch Goldschmiede, Elektroniker sowie die Textil- und die Medizinindustrie setzen auf Qualität aus der Klingenstadt. Vor einigen Jahren erschloss Karl-Heinz Rodenkirchen zudem mit seinen Koch- und Grillpinzetten eine völlig neue Zielgruppe.
Letztere verkauft unter anderem das Handelsunternehmen Manufactum. Akquise betreibt der 82-Jährige kaum. Seine Ehefrau unterstützt ihn als Minijobberin im Büro, die Tochter kümmert sich um Website und soziale Medien. Die meisten Aufträge entfallen auf einen festen Kundenstamm – er erstreckt sich bis nach Asien und in die USA. Manche Abnehmer beliefert die Paul Hölzer GmbH seit mehr als 50 Jahren.
„Ich freue mich über jeden Auftrag“, betont Karl-Heinz Rodenkirchen. Für große Bestellungen lege er gerne eine Extraschicht ein. „Ich muss gefordert werden.“