Wirtschaft

Wie gelingt Inklusion in den Unternehmen?

Anfang März hat Dieter Ritter seinen Dienst aufgenommen. Er ist Ansprechpartner für Firmen aus dem Städtedreieck.
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Anfang März hat Dieter Ritter seinen Dienst aufgenommen. Er ist Ansprechpartner für Firmen aus dem Städtedreieck.

7293 schwerbehinderte Beschäftigte gibt es in der Region – für ihre Integration in den Arbeitsmarkt gibt es nun ein neues Angebot.

Von Manuel Böhnke

Bergisches Land. Dieter Ritter stellt einen gesellschaftlichen Wandel fest. Die Art und Weise, wie Menschen mit Behinderung betrachtet werden, verändere sich. Doch noch immer gebe es Barrieren in den Köpfen. Die möchte der 57-Jährige abbauen.

Seit Anfang März berät er Arbeitgeber in der Region, die schwerbehinderte oder ihnen gleichgestellte Kräfte einstellen möchten oder bereits beschäftigen.

Vor wenigen Wochen sind die „Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber“ (EAA) in das Industriehaus an der Neuenhofer Straße in Solingen eingezogen. Dort ist Ritter für Industrie- und Handelsunternehmen im Städtedreieck verantwortlich. Ansprechpartner gibt es auch für Handwerks- und Landwirtschaftsbetriebe sowie weitere Arbeitgeber, etwa Behörden. Diese sitzen allerdings nicht in der Klingenstadt.

Vor Gründung der EAA habe es ähnliche Angebote gegeben, erläutert Dieter Ritter. Diese Fachberatung für Inklusion sei per Gesetzesänderung in eine neue Struktur überführt worden. Der Landschaftsverband Rheinland hat die Fortbildungsakademie der Wirtschaft beauftragt, die EAA in Solingen einzurichten. Ritter fokussiert sich auf die Arbeitgeberseite. Proaktiv geht er auf sie zu.

Wie viele schwerbehinderte Beschäftigte gibt es im Bergischen Städtedreieck?

Der Bedarf scheint groß. 7293 schwerbehinderte und gleichgestellte Beschäftigte gab es im Städtedreieck im Jahr 2020 – 4638 in Wuppertal, 1753 in Solingen, 1532 in Remscheid. Die Agentur für Arbeit Solingen-Wuppertal weist auf Schwächen der Statistik hin. Denn: Anzeigepflichtig sind lediglich Betriebe mit 20 oder mehr Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Hinzu kommt, dass Beschäftigte nicht dazu verpflichtet sind, ihre Schwerbehinderung dem Arbeitgeber zu melden. Dementsprechend dürften die tatsächlichen Zahlen höher liegen.

Dennoch offenbaren die Daten eine Entwicklung: Während die Menge schwerbehinderter Menschen im Städtedreieck zwischen 2016 und 2020 von 50 977 auf 52 928 stieg, blieb der Anteil schwerbehinderter und gleichgestellter Arbeitnehmer konstant, ging zuletzt gar leicht zurück.

Ab einer 20-köpfigen Belegschaft sind Firmen dazu verpflichtet, Stellen mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen. Bleibt das aus, müssen sie eine Ausgleichsabgabe leisten. Aus diesem Topf können sie wiederum Fördermittel abrufen, um die Inklusion zu erleichtern.

Wir möchten die Unternehmen in die Situation bringen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.

Dieter Ritter, Fachberater für Inklusion

Doch häufig geschieht dies nicht. Dieter Ritter möchte das ändern. Der 57-Jährige betont jedoch, dass es nicht nur um diese monetäre Seite geht: „Wir möchten die Unternehmen in die Situation bringen, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.“

Wie gut das bislang gelingt, sei von den Strukturen in den Betrieben abhängig. Je größer ein Unternehmen ist, desto professioneller seien diese im Regelfall. „Viele kleine und mittlere Unternehmen sind so auf das Tagesgeschäft fokussiert, dass sie gar nicht die Möglichkeit haben, sich mit Inklusion zu beschäftigen“, sagt Ritter. Deshalb stehen diese im Mittelpunkt seiner Arbeit.

Dieter Ritter übernimmt zwei wesentliche Funktionen. Zum einen fungiert er als Botschafter, vermittelt den Unternehmen, was Inklusion ausmacht. Häufig gebe es Vorbehalte wegen fehlender Informationen. Andererseits ist er ein Lotse. Er berät zu möglichen Prämien, um Arbeits- und Ausbildungsstellen zu schaffen, erhalten und einzurichten.

Zudem hilft er dabei, die Arbeitsstätte den Bedürfnissen der Beschäftigten anzupassen. Dabei könne es beispielsweise um die Finanzierung einer Hebehilfe gehen, die aufgrund eines Rückenleidens notwendig ist. „Ich verschaffe mir einen Überblick und prüfe, welcher Rehabilitationsträger Mittel dafür bereitstellen könnte und kann hier bei der Antragstellung unterstützen“, erläutert Ritter. Stellenvermittlung hingegen gehört nicht zu den Aufgaben des Fachberaters für Inklusion.

Die EAA kooperieren mit zahlreichen Partnern, etwa der Agentur für Arbeit, den Rentenversicherungsträgern, Integrationsfachdiensten sowie Fachstellen für Menschen mit Behinderung im Arbeitsleben. Eine Konkurrenz zu diesen stelle das neue Angebot nicht dar. Es handele sich um eine Ergänzung.

Seit knapp eineinhalb Monaten ist der Monheimer in der Region unterwegs. Sich persönlich bei allen Firmen vorzustellen, ist nicht leistbar. Deshalb möchte der 57-Jährige Multiplikatoren wie die Arbeitgeberverbände sowie Fachtagungen nutzen, um für Inklusion zu sensibilisieren. Er wirbt dafür, sich mit dem Thema zu beschäftigen: „Das gehört zum Leben dazu.“ In kleinen Schritten möchte er diese Botschaft verbreiten. Und kann bereits erste kleine Erfolge vorweisen: Der Arbeitgeberverband Solingen wird das Industriehaus mit einem barrierefreien Zugang ausstatten und die Sanitäranlagen umbauen.


Kontakt und weitere Informationen: www.t1p.de/tmlo9

Definition

Als schwerbehindert gelten Menschen ab einem Grad der Behinderung (GdB) von 50. Mit einem GdB von 30 oder 40 ist es möglich, von der Agentur für Arbeit dieser Gruppe gleichgestellt zu werden, wenn die Betroffenen wegen ihres Handicaps keinen geeigneten Arbeitsplatz erlangen oder behalten können.

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