Finanzen und Personal
Stadttöchter bald pleite? Das plant die Politik
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Der Beteiligungsgesellschaft mit vielen städtischen Tochtergesellschaften droht die Insolvenz. Darunter fallen beispielsweise die Musikschule, das Kunstmuseum oder die Bergischen Symphoniker.
Von Andreas Tews
Solingen. Bis 2027 ist die Beteiligungsgesellschaft (BSG) mit diversen städtischen Tochtergesellschaften finanziell zwar noch lebensfähig. Aktuelle Krisen und stetig steigende Ausgaben im Personalbereich lassen in Teilen der Politik aber die Alarmglocken schrillen. Vor allem die CDU-Ratsfraktion fordert eine grundlegende Reform beim Aufbau der Stadtverwaltung.
Unter dem Dach der BSG sind diverse kommunale Gesellschaften wie die Musikschule, das Kunstmuseum, die Bergischen Symphoniker, oder die Wirtschaftsförderung organisiert, die zumeist defizitär arbeiten. Das Konstrukt, dass wirtschaftlich stärkere Unternehmen wie die Stadtwerke die Fehlbeträge ausgleichen, funktioniert nicht mehr. Mittelfristig droht eine Insolvenz der BSG. Zeit bis 2026 gewann die Stadt vor sechs Jahren. Seitdem übernehmen die Technischen Betriebe, die nicht der BSG angegliedert sind, die Verluste der Bädergesellschaft. Eine weitere Millionenspritze verschaffte später Luft für ein weiteres Jahr.
Es sei jetzt an der Zeit, ein langfristiges Konstrukt zu erarbeiten, fordert der CDU-Ratsfraktionsvorsitzende Daniel Flemm. Diese Konzeption müsse bis Ende 2024 stehen, damit sie ab 2025 umgesetzt werden könne. Flemm: „Uns wird die Sache sonst um die Ohren fliegen.“ Es müsse geregelt werden, wie der Konzern Stadt Solingen strukturell aufgebaut sein soll. Dabei sei festzulegen, was mit den städtischen Gesellschaften und ähnlichen Auslagerungen geschehen solle. Flemm will als Chef der größten Ratsfraktion Druck auf die Rathausspitze ausüben: „Wir werden den Oberbürgermeister dazu zwingen, eine Verwaltungsreform anzugehen.“ Die Stadtverwaltung müsse von innen heraus Vorschläge machen, wie sie sich leistungsfähig aufstellen könne. Dies sei nicht Aufgabe der Politik.
Reform der Verwaltung: Das sagen CDU, Grüne, FDP, BfS und SPD
Thilo Schnor (Grüne) sieht ebenfalls Handlungsbedarf. Er warnt: „Lange können wir nicht mehr warten.“ Zu klären sei unter anderem, ob die BSG angesichts sich verändernder Rahmenbedingungen wirklich noch bis 2027 gesichert ist. Ulrike Zerhau (Linke/Die Partei) stellt fest, dass dieses Thema die Politik schon seit Jahren begleitet. Und der Druck nehme immer weiter zu.
Auch FDP-Fraktionsvorsitzender Jürgen Albermann hält eine grundlegende Reform für nötig: „Wenn wir nicht handeln, laufen wir in eine Katastrophe.“ In einem Punkt widerspricht er aber dem Christdemokraten Flemm. Lösungsvorschläge müssen laut Albermann auch aus der Politik kommen. Es bringe nichts, alle Probleme bei Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) abzuladen. Albermann: „Wir brauchen Lösungen.“
Dabei sieht Jan-Michael Lange (BfS/ABI-Fraktion) einen noch größeren Zeitdruck als Flemm. Durch leichte finanzielle Verbesserungen bei einigen städtischen Beteiligungen gewinne man derzeit zwar etwas Zeit. Dennoch hält er es für nötig, dass bis Ende dieses Jahres ein konkreter Weg feststehe. „Damit wir 2024 ans umsetzen kommen.“ Dem neuen Stadtrat, der 2025 gewählt wird, will er diese Aufgabe nicht aufbürden.
SPD-Fraktionschefin Iris Preuß-Buchholz setzt für die Zukunft der Verwaltung auch auf Effizienz durch Digitalisierung. Allerdings sei dabei auch zu beachten, dass bei einer wachsenden Anzahl an digitalen Geräten zusätzliche Kräfte für deren Wartung benötigt werden. Laut Albermann muss die Verwaltung bei der Digitalisierung bald liefern. Seit vier oder fünf Jahren werde über das Thema gesprochen. „Irgendwann müssen wir so weit sein, dass Personal eingespart werden kann. | Standpunkt
Steigende Personalkosten
Einig sind sich die Vertreter der Ratsfraktionen darin, dass bei der Stadtverwaltung die Personalkostensteigerung für 2023 um 15 Prozent weitgehend gerechtfertigt sei. Diese sei vor allem auf äußere Faktoren wie Tarifsteigerungen oder neue Aufgaben im Sozialbereich zurückzuführen. Zudem seien ein Ausbau der Kindergärten und eine Stärkung der Feuerwehr nötig. Solingen habe gegenüber anderen Städten einen stärkeren Anstieg, weil der Dienstleistungsbetrieb Gebäude aufgelöst werde und dessen Mitarbeiter wieder im Stellenplan der Stadt auftauchen. Thilo Schnor (Grüne) rechnet mit einem weiteren Zuwachs. Neue Stellenbedarfe sieht er bei der Planung der Mobilitätswende und beim Klimaschutz. Jan-Michael Lange (BfS/ABI) hält eine Aufgabenkritik für nötig. Dies gelte auch für das Büro des Oberbürgermeisters mit seinen 38 Stellen. Im Bezug auf mögliche Einsparungen warnt Ulrike Zerhau (Linke/Die Partei) vor „Mogelpackungen“. Würden Leistungen ausgelagert, steigen auf der anderen Seite die Sachkosten.
Nicht nur die Belegschaft im Rathaus (links oben) steht vor Veränderungen. Auch die Beteiligungsgesellschaft muss umgebaut werden. Zu ihr gehören unter anderem die Stadtwerke (rechts oben), die Musikschule (links unten) und das Kunstmuseum.
Standpunkt von andreas Tews: Karten auf den Tisch
Seit Jahren schieben Rathaus und Politik eine grundlegende Reform der Beteiligungsgesellschaft vor sich her. Wiederholt hat man Zwischenlösungen etabliert, um eine Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft zeitlich zu verschieben, unter deren Dach wichtige Tochtergesellschaften der Stadt ausgelagert sind.
Zwei Jahre vor der Wahl droht jetzt ein Thema, durch das der städtische Haushalt außer Kontrolle geraten kann. Muss die Stadt die Verluste ihrer defizitären Töchter im Etat auffangen, kann dies im schlimmsten Fall nur mit Hilfe von Steuererhöhungen gelingen. Der Unmut in der Bevölkerung wäre groß.
Darum ist es jetzt an der Zeit, die Karten offen auf den Tisch zu legen und deutlich zu machen, an welchen Stellen Prioritäten gesetzt werden sollen. Gegenüber den Bürgern muss klar kommuniziert werden, welche Ausgaben auf die Stadt zukommen, wie diese aufgefangen werden können und auf welche Leistungen die Stadt und ihre Bürger verzichten müssen. Es braucht Mut für unbequeme Wahrheiten.