Mein Blick auf die Woche
Wer am falschen Ende spart, zahlt am Ende drauf
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Was haben der designierte Karnevalsprinz, der Streit um Platz in den Solinger Hallenbädern, der Schuldenstand der Stadt, Innenminister Herbert Reul und der Gewerbesteuersatz in Leverkusen miteinander zu tun? Eine Menge, erklärt ST-Lokalchef Björn Boch in seinem „Blick auf die Woche“.
Es gehört zu einer guten Pointe, dass sie mindestens einen Funken Wahrheit transportiert. Wenn der designierte Karnevalsprinz also ankündigt, die Zahl der Hallenbäder auf vier erhöhen zu wollen, dann funktioniert dieser Witz aus zwei Gründen. Erstens: Die Stadt könnte mehr Angebote im Bereich (Hallen-)Bäder gut gebrauchen. Zweitens: Mit Blick auf die Finanzlage wird das nicht passieren.
„Aus für Schwimmkurse verärgert Eltern“ titelte das Tageblatt in dieser Woche. Der Fall zeigt, dass in zwei Hallenbädern – bei fast 165 000 Einwohnern – zu wenig Platz für alle ist. Die Diskussion über Zeiten für den Schwimmunterricht der Schulen dauert ebenfalls an. Und weil die Pandemie Nachholbedarf auch in diesem Bereich verursacht hat, steht am Ende diese bittere Quote: Sechs von zehn Kindern sind mit Ende der Grundschulzeit keine sicheren Schwimmer.
Das ist eine Frage der Erziehung, aber eben nicht nur. Bei privaten Schwimmkursen gibt es lange Wartelisten. Und diese Lösung hilft nur einigen, denn längst nicht alle Familien können sich das leisten. Eine Gesellschaft muss vor allem die Kinder auffangen, deren Eltern sich zu wenig um sie kümmern (können). Und zwar so früh wie möglich.
Was beim Lernen beginnt, hört bei Sport und Schulschwimmen längst nicht auf. Es setzt sich im schlimmsten Fall fort bis zu einer Clearingstelle, deren bemerkenswerte Arbeit leider mehr als 600 Jugendliche in Solingen in Anspruch nehmen. Gründe: Probleme mit dem Lebensunterhalt, der Wohnsituation oder beruflichen Perspektiven.
Die Arbeit der Clearingstelle kostet Geld, Sozialarbeit generell kostet Geld. Doch wer das einspart, spart falsch: Denn es wird am Ende viel teurer – und möglicherweise gefährlich. „Sich wiederholende Kriminalität ist häufig eine Folge misslungener Sozialisation“, weiß die Bundeszentrale für politische Bildung. Und fügt hinzu, was eine Hauptursache für dieses Misslingen ist: Armut.
Gemeint ist hier die Armut der Menschen. Was aber, wenn nicht Einzelne arm sind, sondern gleich die ganze Stadt? Jahr für Jahr, berichtet die Clearingstelle, stelle sich die Finanzierungsfrage. NRW-Innenminister Herbert Reul lobte beim Besuch zwar die Verantwortlichen, machte aber beim Thema zusätzliche Finanzierung durch das Land wenig Hoffnung.
Kein Geld, nirgends. Die Altschulden der Stadt haben 500 Millionen Euro längst überschritten. In den Haushalten gibt es kaum Spielraum. Ausgeglichen sind sie ohnehin nur, weil Kosten rund um Corona und Ukrainekrieg ausgelagert werden konnten. Wie das zurückgezahlt werden soll? Unklar.
Eine ebenso drängende Frage ist: Wie lange kann bei diesen Fakten von gleichwertigen Lebensverhältnissen gesprochen werden? Auch angesichts von Nachbarstädten wie Monheim oder jüngst Leverkusen, das die kommunale Einnahmequelle Gewerbesteuer stark gesenkt hat. Leverkusen nimmt nun mehr Geld ein – allerdings auch von mehr Firmen. Geld, das woanders fehlt.
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