Theater
Unter den Nazis war die Jugend niemals frei
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Mit dem Stück „It don’t mean a thing“ für Jugendliche wirft die compagnie nik viele Fragen auf.
Von Philipp Müller
Vom Schallplattenspieler tönt ein Stück des 1938er Konzerts der Band von Benny Goodman aus der Carnegie Hall in New York. Die beiden Schauspieler der Münchener compagnie nik schwingen die Beine nach vorne. Der Swingschritt heißt Bounce. Zugleich war die Platte auch die Initialzündung für eine Jugendbewegung während der Nazizeit. Die „Swing-Heinis“ wurden sie genannt – und gnadenlos verfolgt.
Wer sich mit dem Thema befasst, der braucht viel Geschichtswissen. Nils und Dominik können das in 60 Minuten auf der Bühne nicht im Ansatz vermitteln. Und sie wollen es vor den gut 150 Jugendlichen auf der Studiobühne des Theaters auch nicht. Eine Moral ist das Ziel. Ihr Stück trägt den Titel der Swing-Hymne „It don’t mean a thing“, 1931 von Duke Ellington komponiert und von allen Jazz- und Swinggrößen gespielt.
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Mit ihrem Stück präsentieren die Schauspieler zugleich eine kleine Revue. Als Darsteller ihrer compagnie nik sind sie auf der Suche nach einem neuen Stück. Es soll Aufbruch, Revolution bedeuten – warum auch nicht, Theater muss alles.
Es soll auch um Musik gehen. Um den Swing. Durch die Hintertür lassen Nils und Dominik dann die Dämonen der Nazi-Diktatur auf die Bühne. Einen Sturmbannführer der SS, einen Gestapo-Spitzel und zwei wild tanzende Jugendliche aus den 1940er Jahren. An einem Beispiel aus Hamburg-Altona erklären sie, was mit tanzenden Jugendlichen zur Swing-Musik passieren konnte. Aus dem Saal des Kaiserhofs heraus wurden sie verhaftet. Sie kamen ins Jugendschutzlager Moringen, das KZ lag mitten in der Stadt. Jeder konnte sehen, wie die Jugendlichen gefoltert, ermordet wurden.
Das bleibt alles sehr holzschnittartig, kann es eben auch nicht anders. Das Stück fordert die Lehrer der Schüler auf, die historischen Bezüge im Unterricht nachzuliefern, damit am Ende mehr steht als die von der compagnie nik ans Ende gestellte Moral. Es ist ein Satz des Swingmusikers und Holocaust-Überlebenden Coco Schumann: „Wer den Swing in den Füßen hat, der kann nicht im Gleichschritt marschieren.“