Kriminalitätsstatistik

Zahl der Straftaten in Solingen auf Fünf-Jahres-Hoch

Die Ausgangsbeschränkungen der Corona-Pandemie hatten es Einbrechern im Bergischen schwer gemacht.
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Die Ausgangsbeschränkungen der Corona-Pandemie hatten es Einbrechern im Bergischen noch schwer gemacht.

Mehr Diebstähle, mehr Einbrüche, mehr Körperverletzungen.

Von Kristin Dowe

Solingen. Angesichts der in den vergangenen Jahren stets extrem niedrigen Fallzahlen der Kriminalität im Städtedreieck, war die Verkündung dieser Nachricht für Polizeipräsident Markus Röhrl eine bittere Pille: Im Präsidialbereich hat die Zahl der gemeldeten Straftaten den höchsten Stand seit fünf Jahren erreicht. Mehr als 51 000 Delikte hatte die Polizei für Solingen, Remscheid und Wuppertal gemeinsam zu verzeichnen – dies entspricht einem Anstieg von 14,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Analog dazu ist diese Entwicklung auch in Solingen zu beobachten: 11 355 Straftaten vermeldet die Polizei im Jahr 2022 für die Klingenstadt. Mit einem Anstieg von 12,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr ist dies ebenfalls der höchste Wert seit fünf Jahren.

Kriminalität pendelte sich teils auf Niveau vor der Pandemie ein

Auch wenn sich eine negative Entwicklung in bestimmten Deliktbereichen nicht von der Hand weisen lasse, warnt Röhrl vor Alarmismus: „Insgesamt ist das Bergische Städtedreieck noch immer eine der sichersten Regionen des Landes.“ Bei der Interpretation der Zahlen müsse vor allem die Corona-Pandemie mit den erheblichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens in den Jahren 2021 und 2020 berücksichtigt werden. Die Pandemie habe zu extrem gesunkenen Fallzahlen etwa im Bereich der Gewaltkriminalität im öffentlichen Raum geführt, die sich nun wieder etwa auf „Normalniveau“ einpendelten.

Mit Blick auf Solingen übertreffen die Zahlen allerdings auch die Jahre 2018 und 2019, als Corona noch keine Rolle in der Gesellschaft spielte. Auf dem Höchststand im Fünf-Jahres-Vergleich ist etwa die Zahl der Gewalttaten mit 456 Fällen sowie die der Körperverletzungsdelikte mit 1304 Fällen. Ein besonders drastischer Anstieg ist bei den Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung beobachten, die unter anderem Delikte wie Vergewaltigung und sexuelle Nötigung umfassen: 209 Fälle beschäftigten die Polizei in diesem Feld im vergangenen Jahr – ebenfalls die meisten seit 2018.

Den Anstieg der Zahlen führt die Polizei unter anderem auf die intensivierten Ermittlungen im Bereich Kindesmissbrauch und Kinderpornografie zurück. Insbesondere durch die erschütternden Missbrauchskomplexe in NRW in Bergisch-Gladbach, Lügde oder zuletzt Wermelskirchen seien die Ermittlungen in diesem Feld stark ausgeweitet worden, betont Röhrl. „Wir sind gezwungen, dort weiter finanziell und personell zu investieren.“

Blaulichtmeldungen aus Solingen

Derweil hat sich die Aufklärungsquote in Solingen mit 51,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr (52,5 Prozent) leicht verschlechtert, doch ist dies immer noch der zweitbeste Wert mit Blick auf die vergangenen fünf Jahre. Laut Röhrl ein „Lichtblick“, denn präsidialweit hat sich Quote mit 0,9 Prozent immerhin minimal verbessert. Was der Polizei außerdem Sorge bereitet: Bei der Kriminalitätsentwicklung rücken verstärkt Kinder und Jugendliche in den Fokus. So waren im vergangenen Jahr 21,4 Prozent der Tatverdächtigen in Solingen jünger als 21 Jahre alt, im Vorjahr waren es „nur“ 18,7 Prozent. „Überproportional hoch“ ist laut Röhrl im Bergischen auch der Anteil nichtdeutscher Tatverdächtiger, die in Solingen 2022 bei 33,4 Prozent lag – zum allergrößten Teil männlich.

Hier sieht der Polizeipräsident noch große Herausforderungen für die Integration: „Wir können junge Menschen, die aus anderen Kulturen zu uns kommen, nicht einfach sich selbst überlassen. Wir müssen ihnen unsere Werte vermitteln und sie müssen gelenkt werden.“ Hier gebe es noch gewaltige Defizite aufzuarbeiten, betonte Röhrl. „Das macht mich wütend.“

Generell seien zudem verstärkt Übergriffe gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute oder Rettungssanitäter zu beklagen. Markus Röhrl vermutet hier ein gesamtgesellschaftliches Problem: „Das Aggressionspotenziel scheint allgemein zugenommen zu haben.“  

Hintergrund

Maßnahmen: Für die Bekämpfung der Straßenkriminalität will die Polizei in besonders betroffenen Gebieten ihre Präsenz verstärken, in Solingen vor allem im Innenstadtbereich.

Betrug: Verbreitet bleiben weiterhin Betrugsmaschen, die auf ältere Menschen als Opfer abzielen wie etwa der berüchtigte Enkeltrick oder der falsche Polizeibeamte.

Häufigkeitszahl: Diese liegt in Solingen bei 7143 und zeigt die durchschnittliche Kriminalitätsbelastung in Fällen pro 100 000 Einwohner an.

Standpunkt von Kristin Dowe: Differenziert betrachten

kristin.dowe@solinger-tageblatt.de

Auch wenn der Blick auf das Balkendiagramm die Polizei im Rückblick auf das Jahr 2022 diesmal kaum zufrieden stimmen kann – voreilige Rückschlüsse auf eine generell verschlechterte Sicherheitssituation im Städtedreieck sollte man daraus nicht ziehen. Tatsächlich spielen vielfältige Faktoren bei der Entwicklung eine Rolle – allen voran die Pandemie, die die Fallzahlen in den Vorjahren trügerisch gedrückt hat. Außerdem steigen die Zahlen etwa im Bereich der Sexualstraftaten auch deshalb an, weil die Behörden glücklicherweise dem riesigen Problem von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie endlich den notwendigen Stellenwert einräumen und dabei international zusammenarbeiten.

Dies führt logischerweise zu mehr Anzeigen und Strafverfahren. Dennoch ist dieser Kampf noch lange nicht gewonnen und nur ein Deliktfeld, in dem die Polizei neben der Bekämpfung von Gewaltkriminalität nun mehr denn je gefordert sein wird. Bei aller differenzierten Interpretation der Zahlen gibt es daran nichts zu deuteln.

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