Rechtsstreit
Stadt und Firma streiten vor Gericht: Es geht um 10 000 Euro
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Unternehmerin fühlt sich um Grundstück betrogen und fordert Schadenersatz.
Von Manuel Böhnke
Solingen. Pikantes Verfahren: Am Freitag trafen sich die Solinger Unternehmerin Fatiha Essinnou und die Wirtschaftsförderung vor dem Landgericht Wuppertal. Die Inhaberin der Gräfrather Firma ESS Metall-Halbzeug fordert von der städtischen Tochtergesellschaft „Schadenersatz wegen vorvertraglichen Verschuldens“. Es geht um knapp 10 000 Euro.
Hintergrund ist der Kauf eines kommunalen Grundstücks in Gräfrath. Essinnou wollte die mehr als 5000 Quadratmeter große Gewerbefläche erwerben, um dort einen Neubau zu errichten. Die Gespräche begannen Anfang 2019 – vielversprechend.
Stadt und Firma vor Gericht: Das war geschehen
Das Gericht zitierte aus einer von Essinnou vorgelegten E-Mail. Darin sicherte ihr die Wirtschaftsförderung am 26. Februar 2019 zu, dass man „ab sofort bis zur beiderseitigen Bestätigung, dass der Verkauf an Sie abgeschlossen werden kann, keinerlei Gespräche mit Dritten über einen Verkauf“ führen werde. Einige Zeit später habe Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) die Zusage mündlich bekräftigt, berichtete die Unternehmerin in der Verhandlung.
Am 2. September 2019 lag ihr ein schriftliches Kaufangebot vor. In den folgenden Monaten geriet der Prozess ins Stocken, doch im Februar 2021 erklärte Fatiha Essinnou erneut, das Geschäft abschließen zu wollen, reichte eine aktuelle Finanzierungszusage ein. Es schien für sie keine Anhaltspunkte zu geben, dass die ursprünglichen Absprachen nicht mehr gelten. Am 21. Mai 2021 präsentierte die Inhaberin ihre Pläne dem Aufsichtsrat der Wirtschaftsförderung – wenige Wochen später wurde ihr mitgeteilt, dass ein anderer Interessent den Zuschlag erhalten habe. Ein Schock für Essinnou: „Ich bin um dieses Grundstück betrogen worden.“
Nun geht es ihr um Schadenersatz für Investitionen, die sie 2019 zum Vorbereiten des Projektes getätigt hatte. Sie habe die Wirtschaftsförderung frühzeitig darüber in Kenntnis gesetzt, dass sie – im sicheren Glauben, den Zuschlag zu erhalten – Geld in die Hand nehme. Dabei sei es um gewöhnliche Maßnahmen gegangen, die jeder tätigen müsse, der sich um ein Grundstück bewirbt, entgegnete Alexander Goldberg.
Stadt und Firma vor Gericht: Das sagt das Gericht
Der Anwalt der Wirtschaftsförderung erinnerte an die hohen Hürden, die bei Vertrauenstatbeständen gelten. Das bestätigte das Gericht. Um einen Anspruch auf Schadenersatz zu haben, bedarf es höchstrichterlichen Urteilen zufolge eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung. Dass ein Geschäft trotz Vertragsangebots nicht zustande kommt, falle nach der vorläufigen Einschätzung des Richters nicht darunter, solange nichts unterschrieben und beurkundet ist.
Er schlug einen Vergleich unter Widerrufsvorbehalt vor. Die Wirtschaftsförderung hätte ein Drittel des knapp fünfstelligen Betrags tragen müssen, Fatiha Essinnou wegen ihres tendenziell höheren Risikos, die Verhandlung zu verlieren, den Rest. Die Unternehmerin willigte in Absprache mit ihrem Rechtsbeistand ein, Goldberg lehnte nach Telefonaten mit Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderung ab. Für die Verantwortlichen wäre der Vergleich einem Schuldeingeständnis gleichgekommen, berichtete er. „Bedauerlich“ fand das der Richter. Nun wird das Gericht seine Entscheidung am 24. März verkünden.
Klägerin: „Man muss Behörden doch vertrauen können“
„Da sind viele Emotionen im Spiel“, sagte Goldberg. Die waren in Wuppertal auch bei Fatiha Essinnou spürbar. Unabhängig von der juristischen Einschätzung zeigte sie sich überzeugt: „Für mich war klar, ich kann das Grundstück haben, wenn ich es möchte.“ Die schriftlichen und mündlichen Aussagen hätten für sie keinen anderen Schluss zugelassen. „Man muss Behörden und Politik doch vertrauen können“, sagte die Unternehmerin. Nun habe sie kein neues Grundstück und zudem Geld in den Sand gesetzt. „Das passt nicht zu meinem Rechtsempfinden.“
Beide Seiten wollten sich mit Blick auf das laufende Verfahren nicht über die in der Verhandlung gemachten Angaben hinaus äußern.