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Stadt Solingen will Büroflächen stark reduzieren
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Der kontrovers diskutierte Rathausanbau ist endgültig vom Tisch. Das Verwaltungsgebäude an der Bonner Straße in Ohligs wird erhalten.
Von Björn Boch
Solingen. Die Stadt will ihre Büroflächen in den kommenden Jahren um 30 bis 40 Prozent reduzieren. Das erklären Kämmerer Daniel Wieneke (SPD), Dirk Wagner (Ressortleitung Oberbürgermeister) und Matthias Knospe (Leiter Gebäudemanagement) in einem Gespräch mit dem Tageblatt. Nach den Erfahrungen der Pandemie würden nicht mehr so viele Arbeitsplätze vor Ort in städtischen Gebäuden benötigt. Außerdem bemühe sich die Stadt aus Kosten- und Nachhaltigkeitsgründen darum, Flächen zu reduzieren. Ende des Jahres soll das theoretische Konzept stehen, das bis dahin intensiv mit der Politik diskutiert werden soll. Die meisten der praktischen Schritte sollen bis Ende 2024 umgesetzt sein.
Die Verwaltung hatte aufgrund von Pandemie und Energiekrise angekündigt, ihre Standorte zu überprüfen. Nun werde das konkrete Konzept erarbeitet, welche Gebäude nicht mehr für Stadtdienste benötigt und aufgegeben oder anderweitig genutzt werden könnten. „Bis auf das Rathaus in Mitte und das Verwaltungsgebäude in Ohligs stehen so gut wie alle Standorte auf dem Prüfstand“, betont Kämmerer Wieneke. Ausgenommen seien dazu das Bürgerbüro in Mitte an der Mummstraße und das erst 2022 eröffnete Pendant in Ohligs an der Grünstraße. Auch das Standesamt im Haus Kirschheide bleibe erhalten.
Somit ist klar, dass ein lange in der Stadt kontrovers diskutiertes Thema vom Tisch ist: ein möglicher Rathausanbau. „Darüber sprechen wir nicht mehr“, erklärt Knospe. Die Akzeptanz von Home-Office sei in der Belegschaft sehr hoch.
Gemeinsam mit Wieneke, Wagner und einer Arbeitsgruppe werden Kennzahlen analysiert, etwa die Energieverbräuche einzelner Standorte. In den Stadtdiensten werde ermittelt, wie viele sich im Tagesschnitt vor Ort an- und wieder abmelden. Auch das Verhältnis von Mitarbeitenden und Arbeitsplätzen vor Ort werde verglichen.
„Einen Grund für eine komplette Sanierung oder gar einen Abriss des Gebäudes Bonner Straße gibt es nicht.“
Dabei gebe es keine einheitliche Lösung für alle. Als Beispiele nennt Wagner den Kommunalen Ordnungsdienst – der aufgrund von Außeneinsätzen Duschen, Umkleiden und Ladestruktur für E-Autos brauche – oder das Ausländeramt mit Prüfgeräten für Ausweisdokumente. Bei der Kfz-Zulassungsstelle an der Gasstraße müssen unter anderem tonnenschwere Lkw vorgeführt werden – das schränkt die räumliche Flexibilität ein. Außerdem erschwerten weitere Parameter die Planung: „So ist wegen fehlender Bundes- oder Landesvorgaben in einigen Bereichen unklar, welche Vorgänge in ein paar Jahren komplett digitalisiert sind und welche nicht“, so Wagner. Auch von der Digitalisierung größerer Aktenbestände erhofft man sich Einsparpotenzial bei den Räumen.
Angesichts des Fachkräftemangels müsse die Stadt als Arbeitgeber attraktiv bleiben und künftigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Home-Office und Arbeitsplätze vor Ort anbieten, sofern die Tätigkeit das zulässt. Ein Wunschkonzert werde es aber nicht geben. „Klar ist: Wenn ein Stadtdienst 90 Prozent mobile Ausstattung hat, aber weitere Räume fordert, stimmt etwas nicht“, erklärt Wagner. Es gebe Dienste, in denen sich 110 Mitarbeiter 75 Arbeitsplätze teilen – aber eben auch noch Fälle, in denen Teilzeitkräfte, die überdies einen Teil der Zeit im Home-Office sind, ein eigenes Büro haben.
Ein Grundgedanke der neuen Struktur ist, dass Dienstleistungen abseits der Bürgerbüros im Rathaus in Mitte konzentriert werden, während Stadtdienste mit weniger Kundenkontakt künftig eher in Ohligs angesiedelt sein könnten. Es gelte, so Wieneke, den Spagat zwischen Erreichbarkeit bei den Bürgerdiensten und zentralen Strukturen zu schaffen.
Wagner: Anmietung an der Prinzenstraße war notwendig
Wagner verteidigte erneut die Anmietung von Arbeitsplätzen im Coworking an der Prinzenstraße. So seien sehr kurzfristig Arbeitsplätze in direkter räumlicher Nähe für die Wohngeldstelle benötigt worden. „Wir können Mitarbeiter einiger Abteilungen nicht einfach auf verschiedene Gebäude in einzelne Büros verteilen.“ Die IT-Abteilung zieht deswegen an die Prinzenstraße. „Gerade im Hinblick auf den Fachkräftemangel ist das auch deshalb ein Vorteil, weil sie mit einem anderen Umfeld in Kontakt kommen, Gründern und IT-Experten zum Beispiel.“
Die gesamte Umstellung sei auch eine Frage der Unternehmensphilosophie. Da habe die Umstellung in der Pandemie bereits viel bewirkt. „Früher gab es hier zeitweise keine Parkplätze, heute ist das kein Problem mehr“, berichtet Wieneke, der sein Büro an der Bonner Straße hat.
Um das dortige Gebäude ist es offenbar besser bestellt als lange angenommen und öffentlich diskutiert. „Einen Grund für eine komplette Sanierung oder gar einen Abriss gibt es nicht“, erklärt Knospe. Es handele sich um ein großes Gebäude, in dem Austausch- und Unterhaltsmaßnahmen einiges an Geld kosten. Die Substanz sei aber in Ordnung, zudem seien Etagen aufgrund zahlreicher nicht tragender Wände leicht umzubauen.
Die Hauptstandorte in Mitte und Ohligs haben zusammen rund 1100 Arbeitsplätze. Da auch dort 30 bis 40 Prozent eingespart werden sollen, könnten diese Plätze mit Abteilungen aus anderen Häusern aufgefüllt werden. Wagner geht nicht davon aus, dass die Stadt in einigen Jahren in der Kernverwaltung mehr Personal haben werde. Es werde Zuwachs geben bei Kita und offenem Ganztag, aber dafür brauche es keine Arbeitsplätze in der Kernverwaltung. Auch die aktuell 180 freien Stellen der Stadt seien breit verteilt, etwa im Bereich Erziehung oder bei der Feuerwehr.
Gebäude
Städtische Standorte (Eigentum und Miete): Rathaus (Walter-Scheel-Platz und Cronenberger Straße), Bonner Straße, Kamper Straße, Gasstraße, Kieler Straße, Albertus-Magnus-Straße, Neuenhofer Straße, Beethovenstraße, Dorper Straße, Mummstraße, Clemens-Galerien, Grünstraße, Friedrichstraße, Prinzenstraße (Coworking)
Standpunkt von Björn Boch: Sparen in der „alten Welt“
Es ist interessant, wie sich Sachlagen manchmal verändern. Vor gut einem Jahr schien der Abriss des Verwaltungsgebäudes Bonner Straße quasi beschlossen. Intensiv wurde damals ein Rathaus-Anbau diskutiert. Jetzt kommt – fast beiläufig bei einer ST-Anfrage zur Standortstrategie der Verwaltung – heraus: So marode ist das Gebäude in Ohligs gar nicht. Und leicht umzubauen.
Das kann man sich vor Ort bei einem Gang durch die Flure zwar kaum vorstellen. Zumal, wenn man ausgerechnet an einem Büro vorbeiläuft, das aufgrund eines Wasserschadens geschlossen ist. Es ist aber eine gute Nachricht. Denn die Pandemie hat die Arbeitswelt grundlegend verändert, die weitere Digitalisierung wird es in viel größerem Maße tun.
Angesichts dieser Umwälzungen, die noch längst nicht in allen Bereichen abzusehen sind, wäre es falsch, auf teure Neubauten zu setzen. Die Stadtverwaltung hat zudem in moderne Konferenztechnik investiert. Da ist es folgerichtig, auch mal zu schauen, wo in der „alten Welt“ gespart werden kann.