Oscar Zügel und Felix Nussbaum
ST-Leser lernen Millionenbild kennen
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Bei der exklusiven Führung durch das Zentrum für verfolgte Künste erfuhren die Besucher spannende Hintergründe.
Von Andreas Römer
Tiefe Einblicke in die Arbeit eines Museums und in die Kunstgeschichte erhielten 17 Leser des Solinger Tageblatts bei einer exklusiven Führung im Zentrum für verfolgte Künste. Am Mittwoch führte Direktor Jürgen Kaumkötter zunächst durch die Ausstellung „Ansichtssache(n) – Der Nachlass von Oscar Zügel“ und widmete sich schließlich ausführlich einem „Schatz“ des Museums: dem Bild „Rue triste“ von Felix Nussbaum.
Die kunstinteressierten Besucher erfuhren eine Menge spannender Hintergründe: Wie etwa kommt ein Museum an eine Sammlung wie den kompletten Nachlass des Malers Oscar Zügel? Den hatte die Tochter Katja geerbt und suchte händeringend nach einem wertschätzenden Abnehmer. Das Geld für einen Ankauf bekam das Zentrum für verfolgte Künste dann eher durch Zufall. Bei einer Ausstellungseröffnung in Krakau, saß Jürgen Kaumkötter mit Claudia Roth (Grüne) beim Abendessen an einem Tisch. Die damalige Bundestagsvizepräsidentin und heutige Kulturstaatsministerin fragte, ob sie helfen könne. Kaumkötter war selbst überrascht, als kurze Zeit später Geld aus dem Bundeshaushalt nach Solingen kam.
„Die Sammlung ist so unfassbar umfangreich, wir brauchten zwei Lastwagen, um die Sachen aus Balingen zu holen“, erzählte Kaumkötter. Auch nach zwei Jahren Aufarbeitung durch Kuratorin Hanna Sauer sei vieles noch gar nicht gesichtet, so der Museumsleiter. Vieles sei auch schwierig genau zuzuordnen, weil Katja Zügel häufig Notizen zu den Werken gemacht habe, die nicht unbedingt vom Künstler selbst so gemeint waren. In der Ausstellung sind die Beschriftungen deshalb zweifarbig. In Rot sind die töchterlichen Anmerkungen und in Schwarz die gesicherten Erkenntnisse zu lesen.
Am Leuchttisch ist das verborgene Werk zu sehen
Die Leser des Tageblatts zeigten sich während der Führung als Kenner und Kritiker. So wurde gefragt, warum sich das Zentrum für verfolgte Künste überhaupt so intensiv mit Oscar Zügel beschäftigt. Schließlich sei er doch nicht wirklich verfolgt gewesen. „Wir wissen aus vielen Briefen, dass er gegen die Nazis war, eine klare politische Position hatte und auswanderte“, erklärte Kaumkötter. Schon 1934 verließ Zügel das Land. Eines seiner Bilder zeigt deutlich, dass er die Nazis schon früh für die Zerstörung der Welt verantwortlich machte.
Auf den ersten Blick stimmiger für das Zentrum der verfolgten Künste ist das Werk des Juden Felix Nussbaum, der kurz vor Kriegsende in Auschwitz ermordet wurde. Davon gibt es im Solinger Museum allerdings nur ein Bild. Wie sich jetzt herausstellte aber ein ganz besonderes: Röntgenaufnahmen zeigen, dass Nussbaum das Bild übermalt hat. Das ursprüngliche Werk zeigt sterbende Menschen und andere, die zusehen und bezieht sich wohl auf die Pogromnacht 1938.
Eine Vorskizze von Nussbaum genau dieses Bildes ist in der jüdischen Gedenkstätte Yad Vashem archiviert, wie Experte Kaumkötter berichtete. Am Leuchttisch kann jeder Besucher das verborgene Werk besichtigen. Als nächsten Schritt will das Museum das Bild in Amsterdam mit einem Röntgengerät, das auch farbige Aufnahmen erstellen kann, untersuchen lassen. Das einst für 7000 Mark verkaufte Bild ist heute weit mehr als eine halbe Million Euro wert und das Museum würde die Leihgabe zu gern ankaufen.
Die exklusive Führung dauert viel länger als geplant, es gab eine Fülle von Informationen, Details und Anekdoten, die Jürgen Kaumkötter mit den Besuchern teilte. Er beantwortete Fragen, geht auf Interpretationen ein und macht einfach Lust auf noch mehr Kunst.
Neuerscheinung
Jürgen Kaumkötter hat sich intensiv mit Felix Nussbaum beschäftigt und seine Forschung in einem Buch zusammengefasst. „Felix Nussbaum und die Holocaust-Kunst“ erscheint im nächsten Jahr im Mai.