Leitfaden gilt im Bergischen nicht
Sprach-Knigge bleibt Solingens Polizisten erspart
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Praktiker schütteln den Kopf: In Berlin sollen die Beamten niemanden mehr mit Herr oder Frau ansprechen.
Von Axel Richter
Solingen. Berliner Polizisten sollen zukünftig politisch korrekt sprechen. Ein Leitfaden gibt ihnen Weisungen für den „diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch“. Asylbewerber sind danach „schutzsuchende Menschen“ und bei illegalen Einwanderern handelt es sich um „irregulär eingereiste Personen“. Einen solchen „Polizei-Knigge“ gibt es im Bergischen Land nicht. Aber auch für Solinger Polizisten gelten Regeln.
Gepaukt werden die im Landesamt für Ausbildung, Fortbildung und Personalangelegenheiten der Polizei NRW. Das verordnet den angehenden Beamtinnen und Beamten wohl keinen Sprach-Kodex. „Ungeachtet dessen überlassen wir die professionelle Kommunikation der Polizistinnen und Polizisten aber selbstverständlich nicht dem Zufall“, erklärt Behördensprecher Victor Ocansey.
Unter anderem bereiten sich die Aspiranten, die sich in einem dreijährigen Bachelor-Studiengang für den gehobenen Polizeivollzugsdienst qualifizieren, in Rollenspielen auf die verschiedenen Einsatzszenarien im Polizeidienst vor.
„Zu den übergreifenden Zielen des Studiums gehört die Vermittlung einer grundlegenden Haltung der Achtung gegenüber jedem Menschen“, erklärt Victor Ocansey: „Das schließt eine von Wertschätzung, Empathie und Diskriminierungsfreiheit geprägte Begegnung ein.“
Das klingt schön. Im Polizeialltag kann es dennoch sein, dass ein Beamter sein Gegenüber auf der Straße wie selbstverständlich mit einem Du statt einem Sie anspricht. „Nicht aus Respektlosigkeit“, sagt einer, der seit Jahren auf den Straßen im Bergischen Land unterwegs ist. „Es kommt darauf an, den Menschen zu erreichen. Dazu braucht es eine Sprache, die er versteht.“
Dass der Mann nicht genannt werden möchte, zeigt, wie sensibel das Thema ist. Und wie umstritten. In Nordrhein-Westfalen regelt seit 2011 ein Erlass des Innenministeriums, in welchem Fall zum Beispiel Nationalitäten gegenüber der Presse genannt werden dürfen. Danach gilt: „Auf die Zugehörigkeit zu einer Minderheit wird in der internen und externen Berichterstattung nur hingewiesen, wenn sie für das Verständnis eines Sachverhalts oder für die Herstellung eines sachlichen Bezugs zwingend erforderlich ist.“
Das hat zuweilen absurde Folgen: So sprach, um nachher nicht des Antiziganismus geziehen zu werden, die Polizei Wuppertal in einem Zeugenaufruf nach einem Haustürbetrug auch schon mal von „bunt gekleideten Frauen“.
Die Berliner „Empfehlungen für einen diskriminierungssensiblen Sprachgebrauch“ gehen noch einen Schritt weiter. Während andere Polizeipräsidien in ihren Fahndungsmeldungen vorläufig weiterhin vom südländischen Typ berichten, soll der in Berlin künftig Westasiate heißen.
Noch komplizierter wird es, wenn erst die Geschlechter ins Spiel kommen. Bei Fahrzeugkontrollen müssen die Polizisten auf die Anrede Herr oder Frau verzichten und sollen nur Vor- und Zuname nennen. Es könnte eine diverse Person am Steuer sitzen.
Was die Berufspraktiker im Bergischen Land dazu sagen? Außer Kopfschütteln nicht viel. „Als kleiner Beamter hält man sich aus der großen Politik besser heraus“, sagt der Schutzmann, der seine Pappenheimer auch schon mal mit einem Du anspricht.