Mein Blick auf die Woche
Solinger Geheimnisse um öffentliches Eigentum
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Noch immer fehlt ein Zukunftskonzept für den Alten Bahnhof. Die Stadtverwaltung erklärt das mit der Komplexität des Gebäudes – und hüllt sich sonst in Schweigen. Das ist ein Problem, findet ST-Lokalchef Björn Boch. Schließlich ist der Bahnhof öffentliches Eigentum. Eine Chance hat die Stadt noch. Die muss aber sitzen.
Stellen Sie sich vor, Sie haben viel Geld in die Sanierung eines Hauses gesteckt und dann guten Mutes jemanden mit der Verwaltung des Objekts betraut. Allerdings verdichten sich die Anzeichen, dass nicht alles so läuft, wie es sollte. Die eingebaute Technik zeigt früh Mängel, später ist der Mieter nicht mehr glücklich und zieht aus. Sie hören mehr als ein Jahr lang nichts – außer Gerüchten, die besagen, das Haus habe einen massiven Sanierungsstau und solle oder müsse verkauft werden. Da würden Sie doch wissen wollen, was los ist, oder?
Genauso verhält es sich mit dem Alten Bahnhof. Er war einst ein Vorzeigeprojekt der „Regionale 2006“. Solingen und seine bergischen Nachbarn erhielten Millionen Euro an Fördergeld – unter anderem für den ehemaligen Bahnhalt samt Forum Produktdesign, Museum Plagiarius und Güterhallen.
Früh wurde klar, dass nicht alle Ziele im Südpark erreicht werden: Gleichgesinnte Firmen der Hightechbranche oder der Kreativwirtschaft, die dort „Cluster“ bilden und sich gegenseitig voranbringen, suchte der Ex-Chef der bergischen Wirtschaftsförderer schon 2016 vergeblich.
Und heute? Die Kunstschaffenden in den Güterhallen müssen noch den Verlust des omnipräsenten Peter Amann verarbeiten. Das Museum Plagiarius hat sich etabliert, ohne die ganz großen Schlagzeilen zu machen. Und der Uni-Lehrstuhl im Alten Bahnhof arbeitet sehr erfolgreich, aber ebenfalls von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt – außer das Tageblatt schaut mal wieder vorbei.
Mit dem Restaurant Steinhaus ist seit Ende 2021 der größte Publikumsmagnet weg – dessen Fehlen macht Veranstaltungen in der Alten Schalterhalle und auf der ehemaligen Fußgängerbrücke unmöglich. Ein Nachfolger wurde noch nicht gefunden.
Nur: Warum nicht? Die Stadt bestätigte dem Tageblatt mindestens einen „initiativen“ Interessenten – das ist bereits Monate her. Mag sein, dass die Konstellation nicht gepasst hat. Aber was spricht dagegen, das in Grundzügen zu begründen? So, dass die Rechte von privaten Interessenten geschützt bleiben, aber das Recht der Öffentlichkeit auf Information gewahrt wird. Denn sie hat das Gebäude, das der Stadt und damit uns allen gehört, mit ihrem Geld schließlich aufwendig saniert.
War von Anfang an ein anderes Konzept gewünscht, gewollt oder notwendig – und wie könnte das aussehen? Keine Antwort dazu aus dem Rathaus, außer einem Verschiebebahnhof: Das Zukunftskonzept, das im Sommer 2022 kommen sollte, wurde in den November verschoben. Und dann in den Februar 2023.
So entstehen Gerüchte – und ein zunehmendes Gefälle beim Informationsstand zwischen Verwaltung auf der einen und Politik und Öffentlichkeit auf der anderen Seite. Selbstverständlich ist es Aufgabe der Politik – und der Medien – Informationen und Transparenz einzufordern. Immer wieder. Beide sind jedoch auf Mithilfe angewiesen. Denn vom schwedischen Recht, bei Behörden in alle Akten schauen zu können, sind wir weit entfernt.
Wenn Verwaltung dann nicht kommuniziert – oder unangenehme Themen in den nichtöffentlichen Teil von Sitzungen packt –, fördert sie den Eindruck, sie mache, was sie wolle. Das hatten die Grünen beim Klinikum – Stichwort Servicegesellschaft – kritisiert. Der CDU, die es da noch mitgetragen hatte, reicht es jetzt auch. Einige Anfragen der vergangenen Tage für Fachausschüsse – zum Alten Bahnhof, zur Anmietung von Büros und zum Aus für die Autoschau im Theater – enthielten stets den Hinweis, die Stadt möge bitte im öffentlichen Teil antworten. Was sie dann – zumindest in Teilen – auch tat. Gut so!
Beim Alten Bahnhof bleibt der Stadt jetzt noch, Politik und Öffentlichkeit mit einem wirklich überzeugenden Konzept – eventuell maßgeschneidert auf einen möglichen Investor – zu überraschen. Und am besten gleich zu erklären, warum die ganze Geheimniskrämerei notwendig war. Wir sind gespannt.
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