Digitale Forschung

Neue Corona-Schluckimpfung: Solinger entwirft mit dem Computer Moleküle im Getaway

Dr. Hubert Kuhn von der CAM-D Technologies GmbH arbeitet mit anderen Firmen an mRNA-Schluckimpung und steuert Computersimulationen für stabile Hüllen um die Impftoffe (Foto rechts) zu. Finanziert wird das über das Bundeswirtschaftsministerium.
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Dr. Hubert Kuhn von der CAM-D Technologies GmbH arbeitet mit anderen Firmen an mRNA-Schluckimpung und steuert Computersimulationen für stabile Hüllen um die Impftoffe (Foto rechts) zu. Finanziert wird das über das Bundeswirtschaftsministerium.

Dr. Hubert Kuhns Firma entwickelt mit Partnern Schluckimpfung für mRNA-Vakzine.

Von Philipp Müller

Solingen. Von einem Labor hat man klare Vorstellungen: Bunsenbrenner, Petrischalen, Erlenmeyerkolben und Reagenzgläser stehen herum. Davor sitzen Forscherinnen und Forscher mit Schutzbrillen und es pufft und zischt. Das ist bei dem Solinger Chemiker Dr. Hubert Kuhn ganz anders. Sein „Labor“ befindet sich im Gebäude der ehemaligen Ohligser Diskothek Getaway und besteht aus Computern. Darin werden die Reagenzgläser digital geschüttelt. Aktuell geht es darum, die aus der Corona-Zeit bekannte Impfung mit mRNA-Vakzinen in eine leichtere Schluckimpfung zu verwandeln. Mit Partnern ( forscht die Solinger CAM-D Technologies GmbH von Kuhn dabei mit Unterstützung des Bundeswirtschaftsministeriums. Dies stellt 3 Millionen Euro bereit.

Was ist die Idee dahinter? Zu Beginn der Impfkampagne gegen Corona war die Herausforderung, dass die Impfstoffe stark heruntergekühlt transportiert und gelagert werden mussten. Denn je wärmer es wird, je leichter zerfallen die Vakzine – sie schmelzen wie Butter in der Sonne. Der Vergleich passt in etwa. Denn um die mRNA, ein Baustein, mit dem in den Zellen die Werkzeuge gebaut werden, um das Corona-Virus anzugreifen, befindet sich eine Art Fett. Diese Lipide sind hochempfindlich. Die Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) machen sich nun auf den Weg, Lipide zu finden, die nach dem Schlucken sogar der Magensäure widerstehen und unbeschädigt später im Dünndarm vom menschlichen Organismus aufgenommen und verarbeitet werden können.

Computer ersetzt Reagenzglas beim modernen Molekül-Design

Da kommt dann Dr. Kuhn mit seinem digitalen Labor ins Spiel. Er lässt seine Software untersuchen, welche Lipide dafür infrage kommen. Im nächsten Schritt müssen die Fette mit weiteren Molekülen an den Enden der Lipid-Struktur in Simulationen kombiniert werden. Denn die noch zu findende Hülle muss sich wie eine Runde Kugel um die Impfstoff-mRNA schließen. Nicht ganz einfach, neigen die untersuchten Phospholipide doch gerne dazu, eher einen geraden Strang zu bilden. Daher sagt Kuhn: „Selbst diese negativen Ergebnisse sind wichtig.“ Und nicht ganz ohne stolz betont er zu diesem Weg der Grundlagenforschung: „Das ist eine sehr innovative Methode, die wir einsetzen.“ Auf dem PC-Bildschirm zeigt der Chemiker dann, wie sich seine simulierten Moleküle tatsächlich zur Kugel formen.

Der Vorteil des digitalen Labors ist es, dass Kuhn alle Moleküle ausschließen kann, die nicht geeignet sein werden. Das macht die Computer-Simulation auch anhand bekannter Forschungsergebnisse aus früheren Zeiten möglich. Am Ende gehen die erfolgversprechenden Lipide in den Praxistest der analogen Labore mit echten Reagenzgläsern.

Kuhns Firma produziert jährlich 100 Tonnen Geruchsabsorber

Dr. Hubert Kuhn setzt dabei auf Erfahrungen, die er mit seiner Computer-Simulation bereits seit Beginn der 2000er Jahre im Bereich der Materialwissenschaften gemacht hat. Seine Rechner entwickelten ein patentiertes Molekül, das unangenehme Gerüche bindet und absorbiert. Davon produziert Kuhns Firma rund 100 Tonnen pro Jahr, die zum Beispiel in Reinigern und Sprays für Wäsche eingesetzt werden. Aber das Molekül kann auch nach einem Wohnungsbrand eingesetzt werden, um den Feuergeruch zu vertreiben.

Gerne würde Kuhn am Standort Ohligs wachsen. Aber er findet einfach keine passenden Wissenschaftler, die aus der Grundlagenforschung kommen und zugleich Experten für IT sind. „Der Markt ist leer.“ Das liege auch daran, dass bereits im Studium die digitalen Methoden kaum bis keine Rolle spielen würden.

Forschungsgemeinschaft zu mRNA

Mit ihrem Projekt wollen die FAU-Forscher im Forschungsverbund mit den Unternehmen BianoGMP , IFB , Ionovation und CAM-D Technologies , sowie dem außeruniversitären Forschungsinstitut iba nicht nur den Weg der Applikation vereinfachen, sondern auch den logistischen Transport der Impfstoffe.

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