Künstliche Intelligenz
Wenn der Computer den Aufsatz schreibt
aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Die künstliche Intelligenz von „ChatGPT“ zwingt auch Schulen zum Umdenken.
Solingen. Aus den Begriffen Ostern, Hase und Schokolade macht das Computerprogramm ChatGPT in Sekundenschnelle ein kleines Gedicht. Nicht ganz korrekt im Reimschema, aber immerhin. Und der gewünschte Aufsatz zum Thema auf Grundschul-Niveau kann sich auch sehen lassen. Geht das Ergebnis der Künstlichen Intelligenz (KI) zukünftig als eingereichte Hausaufgabe in den Schulen durch? Reichen ein paar Klicks am Computer für eine „Zwei minus“? Und wie sehen Solinger Lehrer die Gefahr durch ChatGPT?
„Man kann Software wie ChatGPT nur einbinden“, sagt Michael Becker, Leiter des Technischen Berufskollegs und Sprecher des Schulleiter-Sprecherrats. „Es ist nicht möglich, solche Programme außen vor zu lassen, also muss man die Schüler zu einem verantwortungsvollen Umgang damit erziehen.“ So müsse deutlich gemacht werden, dass ChatGPT nur scheinbar Wahrheit auswerfe. Denn in den Texten, die die künstliche Intelligenz entwirft, finden sich häufig auch Falschaussagen.
„Ich bin sicher, dass sich Schullandschaft dadurch komplett verändern wird.“
Wie könnte ChatGPT in den Unterricht eingebaut werden? Becker nennt ein Beispiel: So sei die künstliche Intelligenz auch in der Lage, einen Programmcode zu erstellen. „Eine Möglichkeit der Einbindung wäre, das Grundgerüst durch ChatGPT bauen zu lassen, das die Schüler dann ausbauen.“ Wenn die Software verwendet werde, müsse das kenntlich gemacht werden, betont Becker. Das Thema werde demnächst in der Medien AG aller Solinger Schulen diskutiert.
Frank Große-Entrup, Lehrer an der Grundschule Weyer und Medienberater für die Grundschulen, hat sich schon intensiv mit dem Thema beschäftigt. Es wurde auch schon ein Vorschlag erarbeitet, wie in den Schulen mit der Künstlichen Intelligenz umzugehen ist. Zudem hat das NRW-Schulministerium einen Handlungsleitfaden zum „Umgang mit textgenerierenden KI-Systemen“ entwickelt (siehe unten).
„Ich bin sehr sicher, dass sich unsere Schullandschaft dadurch komplett verändern wird, ebenso Arbeitswelt und normale Lebenswelt. Wir haben dann alle einen persönlichen Bot – also eine Künstliche Intelligenz, die eigenständig Aufgaben erfüllt –, die ein Apfelkuchen-Rezept ebenso in Sekundenschnelle auswirft wie eine Textanalyse “, so Große-Entrup. Lehrer müssten Techniken entwickeln, um die Schülerleistung zu erkennen.
An der Geschwister-Scholl-Gesamtschule gibt es demnächst eine Lehrerfortbildung zum Thema. „Denn nicht nur die Schüler müssen lernen, wie man das Programm fragt, um verlässliche Antworten zu bekommen“, so Leiterin Elke Mosebach-Garbade. Auch für die Lehrer ergebe sich eine Chance, etwa mit der Aufforderung „schreibe einfacher“ bestehende Texte für andere Niveaustufen umzuschreiben.
Aber auch der Künstlichen Intelligenz unterlaufen Fehler. Eine Schwäche des Chatbots: ChatGPT macht in der Regel keine Quellenangaben. Woher stammen die Informationen? Handelt es sich um eine Primär- oder eine Sekundärquelle, auf die sich der Aufsatz bezieht? Das Programm zieht seine Informationen für die Texte aus dem, womit das Programm zuvor gefüttert wurde. Nur woher diese Informationen stammen, weiß die Künstliche Intelligenz nicht. Den Text macht das zumindest für das wissenschaftliche Arbeiten in Schule und Studium nahezu wertlos.
Aber auch das bietet Möglichkeiten für die Schulen, so eine der Empfehlungen des Ministeriums. Die Texte des Chatbots könnten zum Beispiel mit den Schülern auf Fehler und Lücken geprüft werden. Insbesondere in Naturwissenschaften und Mathematik ließen sich häufiger Fehler oder falsche Ergebnisse finden, die als Ausgangspunkt für eine Diskussion über die Funktionsweise und die Nutzung des Chatbots genutzt werden können. Ein Beispiel: ChatGPT nutzt bei der Lösung einer einfachen quadratischen Gleichung eine Formel, die in der Schule unüblich ist und verrechnet sich auch noch im letzten Schritt. | Standpunkt
ChatGPT – Hinweise für die Schulen
Möglichkeiten: ChatGPT ist ein Chatbot, der in verschiedenen Sprachen Fragen beantworten, Texte zusammenfassen oder bewerten, Gedichte oder Computerprogramme schreiben oder Texte übersetzen kann. ChatGPT ist in der Lage, auch Zusammenhänge zwischen aufeinanderfolgenden Texteingaben zu berücksichtigen, so dass der Eindruck einer Unterhaltung entsteht.
Gefahr: Das Sprachmodell ist so trainiert, dass es Texte erstellt, die sich lesen, als seien sie von einem Menschen verfasst worden.
KI-Wissen: Das Training von ChatGPT wurde im Sommer 2021 abgeschlossen, die Welt nach diesem Zeitpunkt ist also zunächst noch unbekannt.
Umgang: Die Schulen werden aufgefordert, sich offen und konstruktiv mit den neuen Möglichkeiten auseinanderzusetzen und diese im Unterricht zu thematisieren. Ein generelles Verbot sei angesichts der sich dynamisch weiterentwickelnden Welt keine tragfähige Reaktion.
www.schulministerium.nrw/textgenerierende-ki
Standpunkt von Simone Theyßen-Speich: Verbot hat keinen Zweck
Das digitale Arbeiten dürfte in der kommenden Zeit in den Schulen doch schneller fortschreiten, als es manchem Lehrer lieb ist. Wenn nämlich mit dem Programm ChatGPT die Künstliche Intelligenz Einzug in die Klassenzimmer hält, könnte es für Pädagogen schwierig werden, zu unterscheiden, welcher Aufsatz vom Schüler selbst und welcher von dem Chatbot geschrieben wurde.
Es rundweg zu verbieten, hat keinen Zweck – da haben Generationen von Schülern bei vielen anderen Themen ihren Lehrern schon bewiesen, dass es bei jedem Verbot auch genügend pfiffige Tricks und Schlupflöcher gibt. Also wird man sich in den Schulen mit dem Thema auseinandersetzen müssen – ob man will oder nicht. Aber wenn uns die Künstliche Intelligenz schon das Faktenwissen abnehmen will, dann wird es – in Schule wie im Alltag – umso wichtiger, dass menschliche Intelligenz ihre Kompetenz darin ausbaut, Informationen einzuordnen, zu analysieren, zu bewerten und mit Empathie und Erfahrung Zusammenhänge herzustellen.