Studentin floh mit ihrer Schwester
Ukrainische Flüchtlinge packen im Betrieb mit an
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Oleksandra Novikova und ihre Schwester Jevhenia sind froh, sich mit der Arbeit ablenken zu können.
Von Jutta Schreiber-Lenz
Solingen. Schwierig ist es nicht, die langen Aluminium-Profile versandgerecht zu verpacken: Erst werden sie in festes Papier eingeschlagen und schließlich in eine Pappröhre gesteckt. Für Oleksandra Novikova könnte sich dieses Tun bei der Firma Iventum GmbH anfühlen wie ein Studentenjob – wenn die Dinge anders lägen. Wenn dieser Job eben nicht im deutschen Solingen zu erledigen wäre, sondern in der Ukraine. Wenn sie nicht vor mehr als drei Wochen gemeinsam mit Ihrer Schwester Jevhenia (33) und deren dreijähriger Tochter Hals über Kopf aus ihren Heimatstädten Winnyzia beziehungsweise Kiew vor Krieg und Zerstörung hätten fliehen müssen.
Solingen plant Willkommensklassen für geflüchtete Kinder.
In Kiew studierte die 18-jährige Oleksandra Novikova im ersten Semester Finanzwesen. Besonders schlimm fühle es sich an, die anderen aus der Familie zurücklassen zu müssen, sagt sie: Nicht nur ihr Schwager und ihr Vater blieben dort, um das Land mit Waffen gegen die russische Invasion zu verteidigen. „Meine Mutter musste bei meiner Oma bleiben, die ist krank und nicht transportfähig.“ Täglich mindestens einmal wird telefoniert oder via Whatsapp kommuniziert, um zumindest das Wesentliche auszutauschen: „Geht es Euch gut?“
Tim Buhl bietet den Frauen Wohnung und Arbeit an
Als Tim Buhl, Geschäftsführer der Iventum GmbH, die drei ukrainischen Geflüchteten bei sich zu Hause aufnahm, hatte er noch keinen Gedanken an eine Beschäftigung. „Wir wollten erstmal nur mit einem Quartier helfen, wie gerade glücklicherweise so viele“, erzählte er. „Durch private Kanäle bahnte sich der Kontakt zu den zwei jungen Frauen mit Kind an: „Die Klavierlehrerin meiner Schwester Linda stammt aus der Ukraine, und so ging die Realisierung unseres Wohn-Angebots plötzlich sehr schnell“. Die beiden jungen Frauen sind dankbar über diese unkomplizierte Hilfe: „In dem Privathaus der Familie sind wir sogar abgeschlossen untergebracht und wir dürfen den großen Garten mitbenutzen, das ist natürlich für unsere Kleine gerade klasse, die ja nicht in die Kita oder so gehen kann.“
Dennoch war sie sehr froh, als das Angebot kam, stundenweise – so, wie Zeit und Energie vorhanden sind – im Betrieb mit anzufassen. „Wir machen das sehr gerne, damit ist weniger Zeit, sorgenvoll zu grübeln. Einerseits tun wir etwas Sinnvolles und andererseits sind wir in netter Gesellschaft mit Kollegen und sind nicht alleine, das tut gut.“ Durch das erzwungene Nichtstun fiel ihnen die Decke auf den Kopf.
Für das Familienunternehmen Iventum, das maßgefertigte Profile vertreibt, sei das eine echte Win-Win-Situation. „Wir haben gerade richtig viel zu tun im Betrieb und da kam der Gedanke auf, Oleksandra zu fragen, ob sie nicht Lust hätten, stundenweise auszuhelfen“, erzählt Tim Buhl. „Die geleisteten Stunden werden notiert und ganz normal vergütet.“ Er wünschte sich, dass andere Unternehmer im Bergischen Land diesem Beispiel folgen.
Man denkt nur von einem Tag zum nächsten.
Die Ungewissheit der aktuellen Situation sei durchaus bedrückend, sagt Oleksandra Novikova in fließendem Englisch. Auch ein paar Brocken Deutsch sind ihr geläufig. So stark sie auf den ersten Blick wirkt, so deutlich wird ihre Emotionalität, als Putins Name fällt. Wut, Trauer und Fassungslosigkeit über die Geschehnisse mischen sich mit Angst um die zurückgelassene Familie und die Sorge um die Zukunft. Kann man in absehbarer Zeit zurück? Könnte sie in Deutschland weiterstudieren, gar hierbleiben? Will sie das? Muss sie das? Alles stehe in den Sternen, man denke nur von einem Tag zum nächsten, sagt sie leise.
Solidarität mit der Ukraine
Es gibt viele Hilfsangebote in der Klingenstadt. Unter anderem Vereine, Musiker und Kultureinrichtungen organisieren zusammen mit verschiedenen Organisationen Benefiz-Aktionen, um Geld zu generieren. Wer Flüchtlingen eine Unterkunft oder andere Unterstützung anbieten möchte, kann sich telefonisch (werktags von 8 bis 18 Uhr) oder per E-Mail an die Stadt wenden, Tel. (02 12) 25 08 83 50.
fluechtlingshilfe@solingen.de
Eine Übersicht zu Hilfsaktionen für die Ukraine gibt es hier.