Tag der Arbeit
Klinikum-Streit wird am 1. Mai Thema - die SPD hat keinen Stand
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Nach scharfer DGB-Kritik ist die Partei auf dem Neumarkt nicht vertreten. Debatte um Servicegesellschaft und klare Forderungen an Mona Neubaur erwartet.
Von Manuel Böhnke
Solingen. Mit einem Stand wird die SPD am 1. Mai nicht auf dem Neumarkt vertreten sein. Dennoch seien die Sozialdemokraten zur Kundgebung des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in der Innenstadt eingeladen, betont der Solinger DGB-Vorsitzende Peter Horn. „Um zu überlegen, ob ihr Abstimmungsverhalten richtig war.“
Hintergrund ist die Diskussion über eine Servicegesellschaft am Städtischen Klinikum, in der niedrigere Löhne gelten sollen. Ende 2022 hatte sich der Beteiligungsausschuss für deren Gründung ausgesprochen – auf Antrag von CDU, SPD und FDP.
Als „Tarifflucht“ bezeichnete Peter Horn das Ende März – der DGB erwarte, dass sich SPD, CDU und FDP am 1. Mai „nicht als Kämpfer von Arbeitnehmendeninteressen zeigen“.
Nun steht fest, dass Oberbürgermeister Tim Kurzbach – bekanntlich SPD-Mitglied – auf dem Neumarkt sprechen wird. Am Freitag nimmt Peter Horn zudem am Arbeitnehmenden-Empfang des OBs teil. Ein Widerspruch? Nein, findet der Gewerkschafter. Kurzbach spreche als Stadtoberhaupt, nicht als Parteirepräsentant.
Wie positioniert sich DGB in Solingen zu den Parteien?
Die Wogen zwischen DGB und SPD scheinen sich zu glätten. Horn berichtet von Gesprächen mit einzelnen Vertretern. Nach dem 1. Mai sei denkbar, diese zu vertiefen. „Ein Umdenken bei der SPD scheint durchaus möglich.“ Auch Austausch mit CDU und FDP schließt er nicht aus.
Das Thema wird am Montag auf dem Neumarkt eine Rolle spielen. Der DGB kündigt die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin und Wirtschaftsministerin Mona Neubaur (Grüne) als Rednerin an. „Mit ihr wollen wir über das diskutieren, was in Solingen nicht gut läuft“, erklärt Horn. Dazu zähle neben der Servicegesellschaft am Klinikum das Aus der Borbet Solingen GmbH. Der Räderhersteller hat sein Werk an der Weyerstraße mit 600 Beschäftigten Ende 2022 geschlossen. Seitdem gibt es Kritik am Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung.
Wir wollen klare Forderungen an Mona Neubaur richten.
„Wir wollen klare Forderungen an Mona Neubaur richten“, sagt Peter Horn. Sie soll einerseits ihren Einfluss in Berlin geltend machen, um das Insolvenzrecht zu verändern. Andererseits appelliert der DGB, überschuldete Städte wie Solingen finanziell zu entlasten, um sie zu befähigen, kommunale Krankenhäuser aus dem städtischen Haushalt zu bezuschussen. „Es braucht eine verlässliche Gemeindefinanzierung“, betont Verdi-Vertreterin und Linken-Ratsfrau Ulrike Zerhau.
Ist im Jahr 2023 noch ein Tag der Arbeit notwendig? „Mehr denn je“, sagt Peter Horn. Wer sozialen Frieden wolle, benötige Gewerkschaften. Zumal es viele offene Baustellen gebe. Horn verweist auf höhere Löhne, bessere Arbeitsbedingungen und die Transformation der Wirtschaft. „Die wollen wir mitgestalten.“
Die Aktionen am 1. Mai beginnen um 10.30 Uhr mit einer Demonstration vom Parkplatz Birker Straße in Richtung Neumarkt. Dort sind ab 11.30 Uhr Wortbeiträge vorgesehen, etwa die Diskussion mit Mona Neubaur. Im Anschluss findet ein Maifest mit Musik, Ständen sowie kulinarischen Angeboten statt.
Kommentar von Manuel Böhnke: Schulterschluss
Und dann werden rote Fahnen geschwenkt und „Die Internationale“ angestimmt. Ein bisschen Folklore gehört zum 1. Mai wohl dazu. Dennoch ist der „Kampftag der Arbeiterklasse“ kein Anachronismus, sondern hat auch in der Gegenwart seine Berechtigung. Es sind – Ausnahmen bestätigen die Regel – weniger fundamentale Ungerechtigkeiten als vor 125 Jahren, gegen die Gewerkschaften heutzutage aufstehen. Und doch gibt es auch im Jahr 2023 in Deutschland teils schlechte Arbeitsbedingungen und zu geringe Löhne.
Noch wichtiger scheint derzeit allerdings, den Blick auf den grundsätzlichen Zustand der deutschen und bergischen Wirtschaft zu richten. Viele Betriebe, insbesondere in der Industrie, kämpfen mit hohen Energiekosten und dem internationalen Wettbewerb. Sie für die Zukunft zu rüsten, wird nur mit einem Schulterschluss aller Beteiligten gelingen – Arbeitnehmer, Unternehmen, Politik und Verwaltung. Denn bei allen inhaltlichen Differenzen eint sie ein Ziel: den Wirtschaftsstandort zu erhalten.