Vortragsreihe

Stadtplanung kann Angsträume verhindern

Im Vorfeld seines Vortrages hat Dr. Tim Lukas von der Bergischen Universität in Solingen sogenannte Angsträume ausgemacht. Unter anderem war er in der Unterführung des Hauptbahnhofs.
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Im Vorfeld seines Vortrages hat Dr. Tim Lukas von der Bergischen Universität in Solingen sogenannte Angsträume ausgemacht. Unter anderem war er in der Unterführung des Hauptbahnhofs.

Uni-Vortrag mit Dr. Tim Lukas am Montag, 15. Mai, um 19 Uhr im Gründer- und Technologiezentrum.

Von Knut Reiffert

Solingen. Straßen, Parks und Plätze, die vor allem in der Dunkelheit und wegen der Anwesenheit von Drogen- und Alkoholabhängigen oder Obdachlosen gemieden werden, gibt es einige in Solingen. Der Soziologe Dr. Tim Lukas hat sich im Vorfeld seines mit Spannung erwarteten Uni-Vortrags (Montag, 15. Mai, 19 Uhr im Gründer- und Technologiezentrum) am Solinger Hauptbahnhof und in der Innenstadt auf die Suche nach sogenannten Angsträumen gemacht.

In Ohligs gehört dazu für viele Menschen die Bahnhofsunterführung, die gerade am östlichen Ende entschärft wird. Positiv bewertet der im Bereich Stadtentwicklung, Kriminalgeografie und -prävention tätige Forscher der Bergischen Universität den Umbau der Düsseldorfer Straße: „Mehr Attraktivität führt zu Belebung und damit zu sozialer Kontrolle.“ Am Beispiel des am Vormittag geradezu einladend wirkenden Graf-Wilhelm-Platzes stellt er klar, dass Angsträume durch das subjektive Sicherheitsgefühl der Passanten und Anwohner definiert sind – unabhängig vom objektiven Vorhandensein von Gewalt und Kriminalität.

Regelrecht erschreckt zeigte sich Lukas vom Zustand der Unteren Hauptstraße. „Leerstand ist aus kriminalpräventiver Sicht immer schlecht.“ Sie führe in den betroffenen Straßenzügen fast zwangsläufig zu Verwahrlosung. Welche Möglichkeiten es gibt, derartigen Zuständen durch intelligente Stadtplanung entgegenzusteuern, ist das Kernthema seines Vortrags mit dem Titel „Die Angst ,ausRäumen' – Sicherheit und Sicherheitsgefühle in der Stadt verbessern“.

250 Einzelmaßnahmen umfasst der Werkzeugkasten zur Kriminalprävention, wenn Tim Lukas als Leiter einer Forschungsgruppe Kommunen berät, die ähnliche Probleme haben wie Solingen. Dazu gehören auch Erkenntnisse der Kriminalgeografie: „Für fast alle deutschen Großstädte gilt, dass 50 Prozent der Straftaten in nur fünf Prozent der Straßen stattfinden“, weiß er. Die lägen in der Regel in der Innenstadt. Ganz einfach, weil sich dort auch die meisten Menschen aufhielten. „Dazu gehören auch die häufig konkurrierenden Szenen von Drogen- und Alkoholkonsumenten oder die der Wohnungs- und Obdachlosen.“

Deren Auftreten sorgt dafür, dass sich ein Großteil der sogenannten Normalbevölkerung unsicher fühlt. „Vor allem wenn sich deren Treffpunkte auf wenige Orte in der Innenstadt konzentrieren“, stellt der 47-Jährige klar, der in seinem Uni-Vortrag am Rande auch auf das in Solingen zuletzt häufig kritisierte aggressive Betteln eingehen wird.

Dass es nicht gelingen kann, die genannten Szenen durch permanente Einsätze von Polizei und Ordnungsamt zu verdrängen, hat unter anderem ein Versuch am Wuppertaler Hauptbahnhof gezeigt. Die Zugehörigen sind vom Döppersberg einfach einen Platz weiter gezogen – an die Elberfelder Citykirche. Was dort wiederum für Ängste bei Anwohnern und Passanten gesorgt hat. „Die Innenstadt ist der Lebensmittelpunkt dieser stigmatisierten Menschen“, erklärt Lukas das Phänomen. „Sie sind darauf angewiesen, sich hier aufzuhalten, und werden sich selbst immer wieder neue Treffpunkte suchen.“

Es sei denn, den Szenen werden Angebote gemacht, sogenannte Toleranzräume. Das sind möglichst dezentrale und zumindest mit sanitären Anlagen versehene Plätze, an denen sich ihre Mitglieder aufhalten können.

Zu den vielversprechenden Beispielen, die Lukas in seinem Vortrag vorstellen wird, gehört der Bremer Platz am Münsteraner Hauptbahnhof. „Der ist in drei Abschnitte eingeteilt“, beschreibt der Soziologe. Im Süden gebe es Sportgeräte zur Belebung, in der Mitte eine offene Grünfläche und im Norden den Szenetreffpunkt mit Wetterschutzsegel, fünf Bänken, zwei Sitzblöcken sowie fünf Abfallbehältern und einem Urinal. „Dieser Bereich ist so gestaltet, dass er für Passanten uneinsehbar ist, von der Polizei oder dem Ordnungsamt aber jederzeit kontrolliert werden kann.“

Nach Möglichkeit sollten alle Betroffenen bei der Entwicklung von Toleranzräumen beteiligt werden. „Dann besteht die große Chance, eine Win-Win-Situation zu erreichen“, glaubt der Referent. „Die Szene hat eine Rückzugsmöglichkeit, während die Normalbevölkerung in allen anderen Bereichen mit einem guten Sicherheitsgefühl unterwegs sein kann.“

Vor einer möglichst anregenden Diskussion möchte Tim Lukas die Besucherinnen und Besucher seines Vortrags auch darum bitten, mehr Toleranz gegenüber den am Rande der Gesellschaft stehenden Menschen zu entwickeln. Fest steht für ihn zudem: „Eine hundertprozentige Sicherheit, wie sie etwa die DDR für sich in Anspruch genommen hat, kann es nicht geben.“ In so einem System wolle kein Mensch leben.

Der Vortrag

Thema: Die Angst „ausRäumen“ – Sicherheit und Sicherheitsgefühle in der Stadt verbessern.

Referent: Nach seinem Soziologiestudium an der Uni Bielefeld (Diplomarbeit zum Thema „Bauliche Sanierung als Kriminalprävention“) war Dr. Tim Lukas an zahlreichen Studien zu Themen wie Geldwäsche, Menschenhandel und elektronisch überwachter Hausarrest beteiligt. Von der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg wechselte er 2011 als Akademischer Rat zur Bergischen Universität. Hier leitet er unter anderem die Forschungsgruppe Räumliche Kontexte von Risiko und Sicherheit. Lukas ist 47 Jahre alt und lebt mit seiner Partnerin in Düsseldorf.

Termin: Montag, 15. Mai, 19 Uhr, im Gründer- und Technologiezentrum, Grünewalder Straße 29-31. Der Eintritt ist frei.

Weiterer Termin

Montag, 5. Juni, 19 Uhr: Wege aus der Energiekrise – so kann das nachhaltige Energiesystem der Zukunft gelingen. Referent: Prof. Dr.-Ing. Markus Zdrallek, Lehr- und Forschungsgebiet Elektrische Energieversorgungstechnik.

Ort: Alle Termine finden im Gründer- und Technologiezentrum statt, Grünewalder Straße 29-31.

Gut zu wissen: Der Eintritt ist frei. Dauer der Vorträge jeweils circa eine Stunde, danach sind Rückfragen an die Experten möglich. Kostenlose Parkmöglichkeiten vor Ort sind ausreichend vorhanden.

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