Diskussion in Solingen

SPD-Generalsekretär Kühnert fordert mehr soziale Impulse

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (l.) war auf Einladung von Ingo Schäfer zu Gast in Solingen. Thema im Proberaumhaus Monkeys: „Lebendige Politik – mitreden, mitbestimmen, mitgestalten“.
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SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert (l.) war auf Einladung von Ingo Schäfer zu Gast in Solingen. Thema im Proberaumhaus Monkeys: „Lebendige Politik – mitreden, mitbestimmen, mitgestalten“.

Bundespolitiker sprach in Solingen über Berliner Politik, teilte Richtung Koalition aus und beklagte Zynismus.

Von Björn Boch

Solingen. Demokratie, sagt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert, sei wie Klavierspielen. Klar, man könne Bücher darüber lesen. Aber man müsse schon üben, um zu wissen, wie es wirklich funktioniert. „Wie soll Begeisterung für Demokratie entstehen, wenn man nie erlebt hat, was sie bewirkt – und was man selbst bewirken kann?“, fragte er rund 80 Gäste im Proberaumhaus „Monkeys“.

Und verstand das als Aufforderung an alle, aktiv zu werden – und aktiv zu werben für Demokratie und ihre Möglichkeiten.

In die Räume der Arbeiterwohlfahrt an der Konrad-Adenauer-Straße war Kühnert am Donnerstag auf Einladung des SPD-Bundestagsabgeordneten Ingo Schäfer gekommen. „Ich habe mir vorgenommen, Berliner Politik in den Wahlkreis zu holen“, betonte Schäfer auf der Veranstaltung „Fraktion vor Ort“. Thema: „Lebendige Politik – mitreden, mitbestimmen, mitgestalten“.

Und die Gäste redeten mit, stellten Fragen – und erlebten die seltene Mischung aus politischem Talent und politischem Schwergewicht. Den erst 33-jährigen Kühnert darf man als beides bezeichnen. Seine Rolle – Generalsekretäre sind die „Abteilung Attacke“ einer Partei – beherrscht er.

Kühnert kritisiert Justizminister Buschmann und Ministerpräsident Wüst

Und setzte feine Spitzen gegen den „heiß geliebten Justizminister Buschmann“, der angesichts der Lage auf dem Wohnungsmarkt endlich „mietrechtliche Instrumente verschärfen“ müsse und gegen „Ministerpräsident Wüst und Konsorten“, die ihre Blockadehaltung gegen soziale Wohnungspolitik aufgeben müssten.

Auch Finanzminister Lindner (Thema Kindergrundsicherung) und CSU-Chef Söder (Wahlrechtsreform) bekamen ihr Fett weg. Vor allem an zu viel Individualismus und zu wenig Staat arbeitete sich Kühnert ab.

Jeder ist seines Glückes Schmied – das ist zynisch.

Kevin Kühnert über Ungleichheit

Gerade die Pandemie habe gezeigt, dass es sehr unterschiedliche Realitäten gibt, zum Beispiel in Familien. Homeschooling in einer Villa sei etwas anderes als in einer Vierzimmerwohnung. „Dann zu sagen: Jeder ist seines Glückes Schmied – das ist zynisch.“

Deshalb mache sich die SPD für Ganztagskita und Ganztagsschule stark. Und für Plätze, Park- und Skateanlagen für Jugendliche, die diese Räume bräuchten. „Das macht manchmal Lärm und Dreck. Aber das zu verbieten, ohne Alternativen aufzuzeigen, dürfen wir uns nicht mehr leisten.“

Kühnert warb für ein Wahlrecht ab 16 – nicht nur bei der Europawahl. Für eine bessere Beteiligung junger Menschen. Und für finanziell besser ausgestattete Kommunen, damit Politik vor Ort auch gestalten könne.

Nicht gegen jedes Windrad und jede Stromtrasse kämpfen

Dass Lösungen manchmal komplex sind, erklärte Kühnert an der Energiewende: Einige Brücken seien so marode, dass Schwerlast-Lkw Bauteile für Windräder nicht anliefern könnten. Es sei also nur logisch, dass der Koalitionsausschuss jüngst auch Straßenprojekte beschlossen habe. Wenn die Energiewende gelingen soll, müssten bis zu sieben Windräder neu gebaut werden – zwei Jahrzehnte lang, jeden Tag.

„Das sind krasse Veränderungen. Das ist nicht möglich, ohne dass es jemanden betrifft.“ Im Moment schaffe Deutschland die Ausbauziele. Das bleibe nur so, wenn nicht gegen jedes Windrad und jede Stromtrasse gekämpft werde.

Gefragt wurde Kühnert auch zu seiner Haltung zur Alternative für Deutschland. Er werde mit jedem, der AfD wähle, reden – „aber nicht nach dem Mund“. Bei gewählten Vertretern der Partei sei das anders: „Man muss abstrusen Meinungen keine Plattform bieten. Keine Toleranz gegenüber Intoleranten.“ Dafür gab es den lautesten Applaus.

Abgeordnete

Kühnert: Der gebürtige Berliner Kevin Kühnert gewann bei der Bundestagswahl 2021 den Wahlkreis Berlin Tempelhof-Schöneberg. Kurz darauf wurde der frühere Juso-Chef zum Generalsekretär der SPD gewählt.

Schäfer: Der gebürtige Solinger Ingo Schäfer siegte 2021 im Wahlkreis Solingen - Remscheid - Wuppertal II und zog in den Bundestag ein.

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