Verkehr
Sicher ist sicher: Eine Vollbremsung will geübt sein
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Die Polizei in Solingen, Wuppertal und Remscheid bietet in Kooperation mit der Verkehrswacht Fahrsicherheitstrainings an. Bei uns gibt ein Experte wertvolle Tipps.
Von Katharina Rüth
Solingen. Der Aha-Effekt kommt mit dem Lineal. Wenn Polizeihauptkommissar Hans-Jörg Holz das 30-Zentimeter-Lineal senkrecht durch die Hand seiner Versuchsperson fallen lässt, kann diese, wenn sie reaktionsschnell ist, es festhalten.
Beim zweiten Durchgang fragt Holz ganz beiläufig nach dem Namen der Versuchsperson – das Lineal saust ungehemmt zu Boden. „Jede Ablenkung verzögert unsere Reaktionszeit“, erklärt Holz.
Eigentlich klar. Gilt natürlich auch fürs Autofahren: „Wenn ich anfange zu sprechen, bin ich langsamer in der Reaktion“, macht Holz auch bei Fahrsicherheitstrainings immer wieder deutlich. „Immer wenn ihr mit eurem Fahrer sprecht, geht ihr ein höheres Risiko ein. Egal, ob der ein Handy in der Hand hält oder über die Freisprechanlage spricht, sich mit seinem Mitfahrer unterhält oder interessiert einem Radiobeitrag zuhört – immer ist die Reaktionszeit verlangsamt.“
Beim Autofahren kann es auf schnelle Reaktionen ankommen, manchmal zählen Bruchteile von Sekunden. Dann reagieren wir ohne Nachdenken. Der Körper tut, was er gewohnt ist. „Deshalb bremsen viele zu langsam“, erklärt Holz, „wie im normalen Straßenverkehr.“
Wie sollte der Fahrersitz im Auto eingestellt sein?
Eine Vollbremsung, bei der wir sofort mit aller Kraft aufs Bremspedal treten, muss man üben. Erst mit der Wiederholung fängt das Gehirn an zu lernen. „Je häufiger wir etwas tun, desto schneller ist es abrufbar.“ Wichtig sei, Dinge fehlerfrei zu lernen. Beim Bremsen etwa den richtigen Sitz: möglichst gerade, damit bei einer Vollbremsung ein Widerstand da ist, wir nicht die schräg gestellte Lehne hochrutschen. Solche Vollbremsungen üben die Teilnehmer bei Sicherheitstrainings.
Trainiert wird auch das Bremsen auf einer halbseitig glatten Fläche, das Bremsen vor einem Hindernis und das Umfahren eines solchen Hindernisses. „Das ist nicht einfach, denn man muss die Beine anspannen und in den Armen locker sein“, erklärt Holz. Da hilft nur üben.
In den 70er Jahren wurden solche Sicherheitstrainings entwickelt, damals lagen die Unfallzahlen noch wesentlich höher. Um diese zu reduzieren, machte man sich nicht nur Gedanken über eine verbesserte Autotechnik, sondern auch, wie die Fahrer zu schulen sind. „Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat hat ein Programm entwickelt“, berichtet Holz. „Das wurde auch überprüft: Die Fahrer konnten tatsächlich besser reagieren.“
Wir erreichen leider nur einen kleinen Teil der Bevölkerung.
Das wurde seither immer weiterentwickelt. Vier bis acht Stunden dauert ein solches Training, Teilnehmer werden häufig von Firmen geschickt. Es kommen Berufskraftfahrer, Mitarbeiter von Pflegediensten, Fahrdienste für Behinderte. „Wir erreichen leider nur einen kleinen Teil der Bevölkerung“, bedauert Holz. Sinnvoll sei es für alle, für Fahranfänger und Pensionäre.
Er beginnt ein Training mit etwas Theorie, bespricht Standard-Situationen und fragt nach gefährlichen Situationen, die die Teilnehmer schon erlebt haben. Etwa das plötzlich auftauchende Stau-Ende.
Was tun, wenn plötzlich ein Stau-Ende naht?
Holz macht deutlich, dass man bei Gefahr statt auf das letzte Auto des Staus lieber in die Lücke zwischen Autoschlangen lenken sollte: „Da ist genug Platz, ich passe da durch.“ Dabei hilft es, wenn man geübt hat zu bremsen und dabei an einem Hindernis vorbeizufahren. Beim Sicherheitstraining ist dafür Platz auf einem großen Gelände.
Die Teilnehmer fahren mit eigenen Autos, beschleunigen und bremsen auf Kommando, fahren durch enge Kurven, üben das Gegensteuern, wenn das Heck ausbricht, bremsen und umfahren Pylonen – und reduzieren jedes Mal ein bisschen mehr das Stresslevel.
Beim Thema Abstand erinnert Holz daran: „In Deutschland gilt Sichtgeschwindigkeit. Das heißt, ich darf nur so schnell fahren, dass ich das Auto jederzeit innerhalb der sichtbaren Fahrstrecke anhalten kann.“
Wie viel Abstand muss zum Vordermann gehalten werden - und gibt es einen Trick?
Wie viel Abstand ich dann halten muss? Keiner erinnert sich mehr genau an die Zahlen zum Bremsweg aus der Fahrschule. Er nennt eine einfache Formel: „Zwei Sekunden, 21, 22 zählen“. Wenn das Auto vor mir etwa einen Brückenschatten erreicht, sollte ich „21, 22“ zählen können, bevor ich selbst dort bin. „Wenn nicht, habe ich zu wenig Abstand. Das passt bei jeder Geschwindigkeit.“
„Ein Sicherheitstraining ist wie ein Airbag“, sagt Hans-Jörg Holz. Den habe ich auch und hoffe, dass ich ihn nie brauche.
Die Polizei in Wuppertal, Solingen und Remscheid bietet solche Sicherheitstrainings in Kooperation mit der Verkehrswacht an. Es gibt aber auch andere Anbieter. „Der Begriff ist nicht geschützt, deshalb sollte man darauf achten, dass das Training vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR) zertifiziert ist“, empfiehlt Holz.
Informationen gibt es im Internet: www.verkehrswacht-wuppertal.de/sicherheitstraining