Verein Q-Ratio
Raica Vermeegen will Frauen in Tansania stärken
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Mit dem Verein Q-Ratio klärt die Ohligserin Raica Vermeegen Menschen in einem Massai-Dorf über Familienplanung auf.
Von Kristin Dowe
Solingen/ Tansania. Wie Verhütung funktioniert, wo sich im weiblichen Körper die Eileiter und wo der Uterus befinden und welche Geschlechtskrankheiten es gibt – all das lernen Kinder in Deutschland spätestens in der Pubertät. Die Ohligserin Raica Vermeegen vermittelt dieses Wissen aber erwachsenen Männern und Frauen. Sie besucht gerade ein Massai-Dorf im Nordosten von Tansania nahe der Stadt Arusha, um ein Projekt des Solinger Vereins Q-Ratio zu unterstützen – für die Hebamme eine herausfordernde und neue Erfahrung.
Das Ziel der Aktion sei vor allem, den Menschen Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten, erklärt sie. „Wir fragen sie, was sie tun wollen, damit sie ihre Kinder ernähren und sie zur Schule zu schicken können. Und dabei regen wir sie dazu an, alte Traditionen zu überdenken.“ Bei diesem Punkt gehe es vor allem um die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau, sinnvolle Familienplanung und nicht zuletzt die sexuelle Selbstbestimmung von Frauen, erklärt Vermeegen, die in Solingen als Hebamme arbeitet. „Die Männer bei den Massai haben nicht selten mehrere Ehefrauen, wohingegen das den Frauen nicht erlaubt ist. Sie wissen oft nicht die einfachsten Dinge über ihren Körper und ihre eigene Sexualität“, beobachtet sie.
Ausgestattet mit Anschauungsmaterial wie Puppen und nachgebildeten Geschlechtsorganen, das teilweise von der Solinger Beratungsstelle Pro Familia zur Verfügung gestellt wurde, versucht sie, genau das zu ändern. Und spart dabei auch das heikle Thema weibliche Genitalverstümmelung nicht aus. „In dem Dorf, in dem ich zu Besuch bin, sind ausnahmslos alle Frauen und Mädchen beschnitten. Hier versuchen wir, vor allem bei den Männern ein Umdenken zu bewirken.“
Denn die verstünden oft nicht, was an dem rituellen Akt problematisch sein könnte, zumal auch Männer in der Kultur der Massai beschnitten werden. „Im Unterschied zu den Männern geht es aber bei den Frauen darum, ihnen mit der Beschneidung jegliches Lustempfinden zu nehmen. Sie raubt ihnen ihre Würde.“ Zwar ist die schmerzhafte Praxis in Tansania verboten und mit hohen Gefängnisstrafen belegt, in der Bevölkerung aber noch immer weit verbreitet.
Ein weiteres Problem sei, dass es vor allem bei den Männern noch immer als erstrebenswert gelte, besonders viele Kinder zu zeugen – auch wenn sie diese nicht ernähren können. Bezeichnenderweise seien sämtliche Verhütungsmittel für Frauen in Tansania gratis erhältlich, während Kondome Geld kosteten. „Die Frauen verhüten mitunter heimlich“, stellt Vermeegen fest. Ihren Vorträgen lauschen die Dorfbewohner gebannt, Übersetzer Steven ist immer mit dabei. Doch sei noch viel Aufklärungsarbeit erforderlich, um die alten Denkmuster bei der Dorfbevölkerung aufzubrechen. Große Hoffnungen lägen auf der jungen Generation, die eher zu Veränderungen bereit sei.
Neben diesem Aspekt des Projekts versucht sie, gemeinsam mit Birgit Herich von Q-Ratio, den Menschen auch praktische Fähigkeiten zu vermitteln. So stellen sie ihnen etwa leihweise einen Ofen und Nähmaschinen zur Verfügung, um ihnen Backen und Nähen beizubringen. Dabei sei es eine bewusste Entscheidung, dass es sich nur um Leihgaben handelt, betont die Solingerin. „Unser Ziel ist, dass die Menschen das Geld selbst erwirtschaften und sich versorgen können. Und der Weg dorthin führt vor allem über Bildung.“ So vergebe der Verein auch Kleinkredite an die Dorfbewohner, damit sie unter anderem touristische Angebote ausbauen können.
Weiterhin hat Q-Ratio in Tansania ein sogenanntes Familiencenter aufgebaut, in dem aktuell zwölf Kinder leben. „Die Kinder haben teilweise heftige Biografien und sollen bei uns ein wenig zur Ruhe kommen.“ Sie lernen dort Dinge wie Massagen und Meditation.
Insgesamt zwei Monate wird Raica Vermeegen in Tansania bleiben. „Ich kann mich hier gerade so richtig austoben.“
Hintergrund
Verein: 2019 gegründet, hat sich der Verein Q-Ratio Germany unter Vorsitz von Birgit Herich zum Ziel gesetzt, mit zahlreichen Projekten „Menschen in ein authentisches, unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu begleiten“, heißt es auf der Homepage des Vereins. Der Volksgruppe der Massai in Ostafrika und insbesondere dem Thema Frauenrechten widmet er besondere Aufmerksamkeit.
qratioev.de