Bürgerbeteiligung
Politik sucht mehr Nähe zu den Bürgern
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Grüne und BfS/ABI wollen Teilhabe erleichtern, CDU und SPD sehen Gratwanderung zwischen Transparenz und Effizienz.
Von Andreas Tews
Solingen. Um Bürgern die Teilhabe an politischen Debatten zu erleichtern, wollen die Ratsfraktionen der Grünen und von BfS/ABI die Regelungen zu den Einwohnerfragestunden im Rat vereinfachen. Darüber hinaus wollen die Grünen die Rolle der Bezirksvertretungen stärken. Ob es dafür eine Mehrheit gibt, ist unsicher. CDU und SPD zeigen sich zwar offen für Vorschläge. Sie sehen aber die Gefahr, dass unter der zusätzlichen Transparenz die Effizienz der Ratsarbeit leiden könnte.
Ausgangspunkt der Debatte ist eine geplante Überarbeitung der städtischen Hauptsatzung. Unstrittig ist, dass der Jugendstadtrat sowie der Senioren- und der Behindertenbeirat in die Hauptsatzung aufgenommen werden.
Diese Gelegenheit sollte man laut Niklas Geßner (Grüne) nutzen, um die Bezirksvertretungen zu stärken. Diese seien als Stadtteilgremien am nächsten an den Bürgern dran. Details nennt Grünen-Fraktionssprecher Frank Knoche. Zu mehr Klarheit und Transparenz gehört nach seiner Meinung, dass der Rat über Vorschläge der Bezirksvertretungen in jedem Fall abstimmen müsse. Ein bloßes Zurkenntnisnehmen reiche nicht aus.
Das Verfahren schreckt viele ab.
Dem hält die SPD-Fraktionsvorsitzende Iris Preuß-Buchholz entgegen, dass der Rat bei Entscheidungen das letzte Wort habe. Sie betont, dass Anregungen aus Bezirksvertretungen bereits jetzt ernst genommen würden – auch wenn der Rat mit seinem Blick auf die Gesamtstadt nicht immer im Sinne der einzelnen Stadtteilvertretungen entscheide.
Zudem will die BfS/ABI-Fraktion den Bürgern den Zugang zu den Einwohnerfragestunden erleichtern. Das derzeitige Verfahren, dass Bürger ihre Fragen eine Woche vorher schriftlich einreichen müssten, bezeichnete Fraktionsvorsitzender Jan Michael Lange als zu formal. Es schrecke viele ab. Nicht wenigen falle es zudem schwer, die Fragen im Plenum des Rates selbst vorzutragen. Lange spricht sich für eine Neuregelung aus, nach der Mitarbeiter der Verwaltung zwei Stunden vor der Ratssitzung bereitstehen, um Fragen aufzunehmen. Zudem müsse die Möglichkeit bestehen, dass Bürger die Fragen nicht selbst vortragen müssten. Ein solches Verfahren würde unter anderem Menschen mit Migrationshintergrund den Zugang zur Fragestunde erleichtern.
Auch die Grünen wollen laut Geßner zusätzlich zu den vorab eingereichten auch spontane Fragen ermöglichen. Zudem solle die Fragestunde weiterhin vierteljährlich stattfinden – nicht, wie jetzt von der Verwaltung vorgeschlagen, nur zweimal im Jahr.
Spontane Bürgerfragen im Rat sieht die SPD-Fraktionsvorsitzende Iris Preuß-Buchholz skeptisch. Es bestehe die Gefahr, dass die Bürger nicht sofort eine Antwort bekämen. Dies sei für die Fragesteller unbefriedigend. Auch CDU-Fraktionschef Daniel Flemm hält es für wichtig, dass die Verwaltung Antworten vorbereiten könne. Lange widerspricht: Wenn der Bürger Antworten nach einigen Tagen schriftlich erhalte, sei ihm auch geholfen.
Bei allen Änderungen sollte laut Preuß-Buchholz vermieden werden, dass sich politische Sitzungen noch stärker in die Länge ziehen. Es gehe auch darum, das Ehrenamt in der Politik attraktiver zu gestalten. Das sieht Flemm ähnlich. Er gibt zudem zu bedenken, dass Bürgernähe nicht alleine durch Fragestunden zu erreichen sei: „Bürgerbeteiligung muss gelebt werden.“ Dazu sei es wichtig, dass die Politiker generell ansprechbar und gut zu erreichen seien. Passend dazu kündigte auch die neue FDP-Kreisvorsitzende Nina Brattig an, dass ihre Partei verstärkt Kontakt zu den Bürgern suchen werde.
Online-Sitzungen
Im Landtag wird derzeit ein Gesetz vorbereitet, nach dem politische Gremien auch hybrid oder in Videositzungen tagen können. Laut CDU-Ratsfraktionschef Daniel Flemm wäre dies eine große Entlastung für Mandatsträger, die das politische Ehrenamt mit Beruf und Familie in Einklang bringen wollen.
Standpunkt: Klarheit und Wahrheit
Ein Kommentar von Andreas Tews
Bürgernähe und Transparenz sind wichtig. Gerade in einer Kommune sollten die Bürger bei wichtigen Angelegenheiten offen informiert und angehört werden. Beispiele wie die Theatertreppe vor einigen Jahren zeigen, wohin eine verfehlte Beteiligung der Öffentlichkeit führen kann. Darum ist es richtig, dass sich die Parteien Gedanken darüber machen, wie sie die Bürger stärker in Debatten einbinden können. Dies kann in Einwohnerfragestunden geschehen oder über die Meinungsbildung in den Bezirksvertretungen. Vor allem dürfen aber die Politiker vor Ort nicht die Bodenhaftung verlieren und damit ihre Bindung zu den vielen Solingern, die sie im Rat, seinen Ausschüssen oder den Bezirksvertretungen vertreten. Für möglichst viele Bürger ein offenes Ohr zu haben, gehört zur politischen Meinungsbildung dazu. Im Sinne der Klarheit und Wahrheit ist es aber auch wichtig, keine falschen Erwartungen zu wecken. In einer repräsentativen Demokratie fallen die Beschlüsse auf kommunaler Ebene im Stadtrat – nicht am Stammtisch, in Diskussionsforen oder auf der Straße.
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