Fischsterben
Lachse verenden in der Wupper
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Tausende Tiere geraten laut einem Experten regelmäßig in die Turbine eines Wasserkraftwerks in Leverkusen.
Von Kristin Dowe
Solingen. Gefischt werden darf der Lachs in der Wupper schon lange nicht mehr. Heimisch war der Speisefisch etwa bis 1830 im Bergischen, doch machten die zahlreichen Kotten mit ihren Stauanlagen in der Region es der Art schwer, in der Wupper zu überleben. Das Wanderfischprogramm des Landes NRW zielt darauf ab, unter anderem den Lachs wieder in bergischen Gefilden heimisch zu machen. Doch sei der Erfolg der Initiative stark gefährdet, schlägt der Geschäftsführer der Fischereigenossenschaft Untere Wupper, Christian Weber, Alarm. Grund dafür sei das Wasserkraftwerk Reuschenberger Mühle in Leverkusen-Opladen, in dessen Turbine jedes Jahr Tausende Lachse verendeten.
„Die Tiere werden in der Anlage regelrecht gehäckselt“, beschreibt Weber die Problematik, der auch für die Untere Fischereibehörde der Stadt Solingen in beratender Funktion tätig ist. So sei es den technischen Gegebenheiten des Wasserkraftwerks geschuldet, dass die Tiere durch ungünstige Strömungsverhältnisse massenweise in die Turbine gerieten – mit verheerenden Folgen: So würden im Obergraben der Anlage der Wupper 70 bis 80 Prozent Wassermenge abgezweigt, so dass dort eine starke Strömung herrsche. „Wenn der Lachs in die Flüsse geht, folgt er immer dem sogenannten Lockstrom“, erklärt der Experte. Durch das instinktive Verhalten der Tiere sei ihr Schicksal besiegelt. Das Problem treffe neben dem Lachs auch andere Arten, die deshalb gar nicht erst zu ihren bevorzugten Laichplätzen in Solingen, Leichlingen oder Wuppertal vordringen könnten.
Um den Effekt zu vermeiden, müsste der Betreiber des Wasserkraftwerks gravierende bauliche Veränderungen vornehmen, ist Weber überzeugt. So müssten etwa zwei Feinrechen an der Anlage installiert werden, um die Fische von der Turbine fernzuhalten. Weiterhin müsse der Lockstrom so gelenkt werden, dass sie den Weg zurück in das normale Gewässerbett finden. Dies sei allerdings kostenintensiv – den Aufwand dafür beziffert Weber mit bis zu zwei Millionen Euro. Eine Bitte um Stellungnahme des ST ließ der Betreiber, ein Unternehmer aus Bayern, unbeantwortet.
Auf den Missstand hat Weber auch bereits bei der Oberen Wasserbehörde bei der Bezirksregierung Köln aufmerksam gemacht, in deren Zuständigkeitsbereich sich das Kraftwerk befindet. Diese schätzt ihre Möglichkeiten begrenzt ein, auf den Betreiber einzuwirken, der über ein „altes, unbefristetes Wasserrecht“ verfüge. „Maßnahmen zur Verbesserung der Situation können deshalb nicht mit Ablauf einer Befristung und Neuantrag eingefordert werden“, teilt Sprecher Dirk Schneemann auf ST–Nachfrage mit. Wohl aber habe die Bezirksregierung Köln den Betreiber aufgefordert, freiwillig bauliche Maßnahmen für den Fischschutz umzusetzen und dafür ein Gutachten erstellt. „Sollte dies letztlich nicht auf freiwilliger Basis geschehen, können die erforderlichen Maßnahmen nur ordnungsrechtlich durchgesetzt werden“, macht Schneemann deutlich. Eine Förderung des Landes sei dafür aktuell nicht möglich.
In einen möglichen Umbau wäre auch der Wupperverband involviert, wo das Problem ebenfalls bekannt ist: „Das Wehr an der Reuschenberger Mühle ist das erste Querbauwerk in der Wupper – das heißt, alle Wanderfische wie beispielsweise Lachse müssen dieses auf dem Weg vom Rhein in die Wupper passieren“, bestätigt Sprecherin Ilona Weyer. Auch der Wupperverband kenne die Gefahr für aufsteigende Wanderfische, die sich „leicht in den 800 Meter langen Untergraben verirren“ könnten. Angesichts der gegenwärtigen Situation werde das Fangverbot für den Lachs wohl noch lange Bestand haben, vermutet Christian Weber. „Die nächsten 20 Jahre ist an eine Entnahme nicht zu denken.“
Hintergrund
Initiative: Das Wanderfischprogramm NRW beinhaltet unter anderem den Bau von Fischaufstiegen und die Aufzucht von Brütlingen. Die Wupper ist eines von drei Gewässern, das im Rahmen des Schutzprogramms betreut wird.
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Standpunkt von Kristin Dowe: Dramatische Situation
Die von der Fischereigenossenschaft beschriebene Situation an dem Leverkusener Wasserkraftwerk erscheint dramatisch. Nicht nur, dass dieser Zustand bereits seit Jahren anhält und den Erfolg des mit üppigen Fördermitteln ausgestatteten Wanderfischprogramms NRW gefährdet – durch das massenhafte Fischsterben an der Turbine werden auch jedes Jahr tonnenweise Lebensmittel vernichtet, die gar nicht erst generiert werden können.
Dabei gilt Wasserkraft eigentlich als sauber und nachhaltig. Doch viele der teilweise veralteten Anlagen müssen technisch im Sinne des Fischschutzes nachgerüstet werden. Das gilt auch für die Reuschenberger Mühle. Ganz verhindern lassen wird es sich wohl nicht, dass Fische den Kontakt mit dem Kraftwerk nicht überleben. Doch wäre dringend auch mehr Forschung notwendig, um die Risiken für die Tiere zu minimieren und den ökologischen Schaden zu begrenzen.
Sollte ein Umbau für den Betreiber tatsächlich nicht finanzierbar sein, sollten dafür zumindest Fördermittel bereitgestellt werden.