Standpunkt

Kommentar: Wann fahren die Rettungswagen – und vor allem wohin? 

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Die Lachnummer aus Solingen ist nur eine Posse. Viel wichtiger ist die Frage, wohin sie fahren, wenn es kein städtisches Klinikum mehr gäbe. Dabei spielt die Gewerkschaft DGB keine rühmliche Rolle, analysiert ST-Chefredakteur Stefan M. Kob.

Solingen. Eine peinliche Posse – aber mehr auch wieder nicht. Die zehn nigelnagelneuen Solinger Rettungswagen (Stückpreis 230.000 Euro), die seit Weihnachten untätig auf dem Hof stehen, sorgen bundesweit für Spott.

Von BILD bis dpa war die Geschichte zu lesen, dass die feuerroten Mercedes-Transporter seit fünf Monaten noch keinen Kilometer gefahren sind, weil die dazugehörigen Tablets für die Besatzung nicht einsatzfähig sind. Softwareprobleme – und das ausgerechnet in der Klingenstadt, die sich ganz weit vorne auf dem Digitalisierungspfad zur „Smart City” wähnt

Auch wenn sich sogar ein internes Satirevideo über die Panne lustig macht (siehe Video unten), hat es angeblich keinen Sinn, die neuen Hightech-RTW ohne diese sogenannten Ambulance-Pads zu betreiben. Frühestens Mitte Mai können hoffentlich die ersten Patienten in den rollenden Technikwundern versorgt und transportiert werden – ob sich damit der Imageschaden heilen lässt, ist fraglich. 

Weit ernster ist dagegen die Frage, wo denn die Rettungswagen in Zukunft ihre Patienten abliefern? Die Antwort ist keineswegs trivial, denn die Kplus Gruppe zum Beispiel verlagert die Abteilungen der St. Lukas Klinik ab 2026 ins Hildener St. Josefs Krankenhaus.

Der Klinikstandort an der Schwanenstraße in Ohligs ist damit Geschichte. Das ist ausreichend Grund, alarmiert zu sein. Denn ob das Klinikum als städtischer Vollversorger auf ewig bestehen bleiben kann, ist längst keine Selbstverständlichkeit – auch wenn sich die bedrohliche wirtschaftliche Situation unter der Führung des neuen Geschäftsführers Dr. Martin Eversmeyer stabilisiert hat https://www.solinger-tageblatt.de/solingen/solingen-klinikum-so-sieht-der-masterplan-aus-91601416.html und das Solinger Haus so hoffen darf, dass es bei der landesweiten Krankenhausreform nicht unter die Räder gerät.

Doch das eine – die Zukunftsperspektive als Maximalversorger – geht nicht ohne das andere: die Wirtschaftlichkeit. Auch wenn eine städtische Einrichtung weniger renditegetrieben als eine Privatklinik ist: ohne Gewinne keine Investitionen, ohne Investitionen keine Zukunft. So einfach ist das. 

Daher ist die Schärfe, mit der die Gewerkschaft den mühsamen Sanierungskurs verurteilt, schwer zu verstehen. Die Kritik an einer Servicegesellschaft im Klinikum, in der ein niedrigerer Tarif gelten soll, führt nun sogar dazu, dass der DBG zum Tag der Arbeit keinen SPD-Stand auf dem Neumarkt duldet.

Sozialdemokraten und Gewerkschaften – das war einst ein untrennbarer Bund, zwischen den nicht mal ein Blatt Papier gepasst hätte. Nunmehr ist die SPD unerwünscht, weil sie es gewagt hat, gemeinsam mit CDU und FDP diesen überlebenswichtigen Sanierungsbeschluss zu tragen.  

Auch das Aus für den Räderhersteller Borbet ist ein DGB-Protestthema. Dabei ist doch genau Borbet ein besonders trauriges Beispiel dafür, wohin es führen kann, wenn sich die Vertreter von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite im Streit um die Job-Bedingungen bis aufs Blut bekämpfen – nämlich zum endgültigen Aus.

Soll das am Ende des Streits stehen? Dass im Klinikum zwar weiterhin die höchsten Tarife gelten, es aber irgendwann kein Klinikum mehr gibt? Auch die Grünen sollten über diese Fragen nachdenken, denn sie drohen mit einer Klage gegen den nichtöffentlich gefassten Beschluss zur Tarifgesellschaft. 


Wird es denn in Zeiten der Vollbeschäftigung und des Fachkräftemangels – besonders im Gesundheitswesen – nun Ausbeutung und Niedriglöhne grassieren? Wohl doch kaum, denn erstens gibt es überhaupt einen Tarif, wovon Arbeitnehmer in anderen Bereichen und Branchen nur träumen können. Und zum anderen kann kein Arbeitgeber die Augen davor verschließen, dass er attraktiv sein muss, um gute Leute zu gewinnen und zu binden. Dazu gehört eine faire Entlohnung. Nur eben nicht über dem Niveau, das andere bezahlen, und das den Rahmen der Wirtschaftlichkeit sprengt. 

Wie weltfremd der DGB hier agiert, erkennt man an seinem neiderzeugenden, populistischen Vorschlag, stattdessen das Chefarztsystem abzuschaffen. Ein Klinikum ohne Exzellenz kann sich gleich im Gesundheitsministerium melden, um den Betrieb einzustellen.

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