Südpark
Klingenpride: Tausende feiern Vielfalt und Toleranz
aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Der erste Solinger Klingenpride im Südpark soll erst der Anfang gewesen sein
Von Moritz Berger und Jutta Schreiber-Lenz
Solingen. Veranstalter und Organisatoren ziehen ein durchweg positives Fazit zum ersten Solinger Klingenpride. „Ich bin total begeistert, wie gut das Fest angenommen wird“, sagte Manfred Ackermann am frühen Samstagabend. Er ist mit Patrick Baron und Claudia Schmidt Ideengeber der Veranstaltung und einer der Köpfe bei der Organisation. Viele Besucher hatten bereits tagsüber den Weg in den Südpark gefunden und sich an dem bunten Treiben auf der Meile entlang der Künstler-Ateliers erfreut. Ackermann: „Es ist schwer zu schätzen, aber wir sprechen sicher von 3000 Menschen hier, eher mehr.“
CDU-Ratsmitglied Falk Dornseifer, der mit dem Brauchtumsverein als Veranstalter zeichnete, war mehr als zufrieden. „Wir haben, auch wegen der Vorfälle im Vorfeld, auf eine leicht verstärkte Präsenz von Ordnungsamt und Polizei gesetzt. Aber es ist ruhig und friedlich geblieben.“ Unbekannte hatten vorige Woche eine Regenbogenflagge im Südpark heruntergerissen und zerstört. Die Flagge ist ein Symbol der LGBTQ-Community und steht für sexuelle Vielfalt und Toleranz.
Für Guido Baron-Buß vom Ordnungsamt war es wichtig, Maß zu halten: „Nicht durch zu viel uniformierte Mitarbeiter die Partystimmung beeinträchtigen, aber klar machen, dass wir präsent sind.“ Auch die Polizei zog ein positives Fazit.
Eine bunte, von gut 20 Vereinen und Verbänden gestaltete Zelt-Straße gehörte neben DJs und Konzerten zum Programm. Regenbogenflaggen bestimmten das Bild: Sie lugten aus Hosentaschen, waren Umhänge oder Mützen, Schals oder Wangen-Deko. „Die Flagge spannt sich über die ganze Stadt“, formulierte SPD-Oberbürgermeister Tim Kurzbach.
„Man sollte daran erinnern, dass nicht alle Menschen zu ihrer Identität stehen können.“
Den ganzen Nachmittag über schlängelten sich zahlreiche Menschen entlang der vielen Stände an den Güterhallen. Von der Awo bis zum Jugendstadtrat, von Amnesty International bis zur evangelischen Kirche in Solingen: Sie berieten, gaben Auskünfte und feierten mit den Besuchern, wie bunt und vielfältig Solingen ist. „Es geht um die Liebe“, hob Superintendentin Dr. Ilka Werner hervor und wollte darunter Achtung und Respekt vor jedem verstanden wissen. Ihr sei es ein Anliegen, zu zeigen, wie offen die evangelische Kirche sei, auch wenn es ein langer Prozess bis dahin war. „Vor allem muss die Kirche ein sicherer Ort für alle sein“, betonte Werner. Neben ihr stand ein kleiner Briefkasten mit der Möglichkeit, Wünsche an die Kirche zu äußern.
Etwas weiter hatte die Fachstelle Regenbogenfamilien der Awo ihr Zelt aufgeschlagen. Anna-Lena Pohlmann warb für das Beratungsangebot, dass sich von Fragen zum Coming-out über den Kinderwunsch bis hin zu Herausforderungen im Familienalltag erstreckt. „Sobald sich ein Familienmitglied als queer identifiziert, kann man sich an uns wenden“, erklärte Pohlmann.
Das Fest setzte auf eine Mischung aus Information und Unterhaltung. In der Zuschauermenge, die sich vor den Darbietungen des schrägen Travestie-Cabarets „Kein Kunstbar“ drängelte, hatten alle gemeinsam ihren Spaß. „Ich hätte nicht erwartet, dass solch ein queeres Fest in Solingen so gut ankommt“, war ein Satz, der vielfach zu hören war. Familien mit Kindern mischten sich unbeschwert mit der LGBTQ-Szene, etwa beim spontanen Tanz im Disco-Bereich unmittelbar an den Gleisen.
Klingenpride im Südpark




Auch zwischen den Infoständen oder rund um das Café Stückgut wuselten immer wieder Familien mit Kindern und auch ältere Ehepaare umher. Schließlich müsse man sich die Party mal anschauen, erzählten sie. Susanne Billetter war mit einer Freundin vorbeigekommen, um sich einen Eindruck vom Klingenpride zu verschaffen. Beide zählen sich nicht zur queeren Community, sind aber von der Bedeutung dieses Tages überzeugt. „Man sollte daran erinnern, dass nicht alle Menschen zu ihrer Identität stehen können“, so Billetter.
Ab 18.30 Uhr wurde das bunte und fröhliche Treiben im Südpark lichter und die Wiese vor der Hauptbühne voller. Viele machten es sich gemütlich und verfolgten den Soundcheck des Sängers Gojo, der sich mit seiner Truppe allmählich für seinen Auftritt klar machte. Den Schlusspunkt auf der Bühne setzte die Kölner Schlagersängerin Sonia Liebing, bevor das Fest bei der After-Klingenpride-Party im „Gewölbe hoch 3“ endete.
Für Manfred Ackermann – Solinger SPD-Chef, der sein politisches Engagement aber klar vom Klingenpride trennen will – steht fest, dass dieses Wochenende erst der Anfang sein soll.
Ursprung
Der Christopher Street Day (CSD) ist ein Gedenktag der LGBTQ-Gemeinschaft (Lesben, Schwule (gay), Bisexuelle, Transgender- und queere Personen). Er erinnert an einen Aufstand gegen Polizeiwillkür und findet meist als Parade statt. Im Unterschied dazu fand der Klingenpride als Straßenfest im Südpark statt. Der Landschaftsverband Rheinland finanzierte in Kooperation mit dem Brauchtumsverein die Übersetzung in Gebärdensprache auf den zwei Bühnen.
Standpunkt von Björn Boch: Bald schon Brauchtum?
Der erste Klingenpride im Südpark am Samstag hatte zwei Seiten: eine spaßige und eine informative. Die zahlreichen Stände haben nicht nur gezeigt, dass es in einigen Bereichen rund um die Rechte der sexuellen Identität noch gesellschaftlichen Nachholbedarf gibt.
Sie haben auch das Vorurteil widerlegt, beim Christopher Street Day und ähnlichen Veranstaltungen handele es sich nur um Partys, die bitteschön hinter verschlossenen Türen stattfinden könnten. Wer so denkt, vergisst, dass die „Ehe für alle“ in Deutschland im Oktober erst fünften Geburtstag feiert – und der Kampf um Gleichberechtigung keinesfalls beendet ist. Deshalb war es schön zu sehen, dass auch viele Menschen, die sich nicht zur Szene zählen, den Weg in den Südpark gefunden haben.
Weitere Veranstaltungen sollen folgen – und wir nehmen es einfach mal als Fingerzeig, dass der Solinger Brauchtumsverein den Klingenpride schon zur Premiere unterstützt hat. Er darf gerne zum Solinger Brauchtum werden.