Interview der Woche

Herr Türk, wie schafft man als Polizist Kontakt zu muslimischen Institutionen?


Emre Türk (34), Kriminaloberkommissar und  Kontaktbeamter für muslimische Institutionen bei der Polizei Wuppertal.
+
Emre Türk (34), Kriminaloberkommissar und Kontaktbeamter für muslimische Institutionen bei der Polizei Wuppertal.

Emre Türk pflegt als Kontaktbeamter bei der Polizei Kontakt zu muslimischen Institutionen. Ein Interview über seine Arbeit, die Sicht auf Clankriminalität, Werbung für Werte und mehr.

Von Kristin Dowe

Herr Türk, Sie sind Kontaktbeamter für muslimische Institutionen bei der Polizei Wuppertal. Was sind da Ihre Aufgaben?
Emre Türk: Ich versuche, durch intensive Kontakte zu religiösen und kulturellen Einrichtungen der Bürgerinnen und Bürger mit Einwanderungsgeschichte ein vertrauensvolles Verhältnis zu ihnen aufzubauen. Das kommt allen Beteiligten zugute.

Das heißt, auf der einen Seite können wir durch Transparenz und Verständnis für gesetzliches Handeln Vertrauen in die Arbeit der Polizei schaffen.

Auf der anderen Seite können wir, falls vorhanden, Vorbehalte und Berührungsängste gegenüber der Polizei reduzieren. Damit möchten wir gleichzeitig ein besseres Verständnis für die Sorgen und Ängste der Menschen mit Migrationshintergrund entwickeln.

Bei meiner Arbeit beschränke ich mich übrigens nicht nur auf muslimische Einrichtungen, sondern stehe auch mit Synagogen, Versammlungsstätten für christliche Araber, Moscheevereinen und Schulen in Kontakt, deren Schülerschaft einen hohen Migrationsanteil aufweist.

Insgesamt brauchen wir ein gut funktionierendes Netzwerk von Polizei, religiösen Gemeinden, zivilgesellschaftlichen Beratungsstellen, Trägern der Präventionsarbeit und städtischen Einrichtungen. Neben Präventionsarbeit biete ich auch Vorträge an zu Themen wie zum Beispiel religiöser Extremismus an.
Mit welchen Problemen wenden sich Bürgerinnen und Bürger mit Einwanderungsgeschichte an Sie?
Türk: Die Anliegen sind ganz unterschiedlich. Im Fall eines Anschlags oder bei weltweiten Konflikten suchen die Gemeinden oft den Kontakt zur Polizei, um die lokale Sicherheitssituation zu besprechen. Dann kann es auch zu meinen Aufgaben gehören, Treffen mit den Interessensvertretungen der Gemeinden und unserem Polizeipräsidenten zu organisieren. Für das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung sind solche Gespräche enorm wichtig.

Darüber hinaus sind öfters Vorträge zu polizeispezifischen Themen erwünscht, oder Vereine oder Einzelpersonen melden sich mit Hinweisen zu polizeilichen Ermittlungen bei uns.

Alle Interviews der Woche aus dem ST

Wir möchten nicht, dass kulturelle Missverständnisse unsere Arbeit unnötig erschweren. 

Emre Türk
Wo gibt es noch Probleme bei der Verständigung zwischen der Polizei und der muslimischen Gemeinschaft?
Türk: Von Problemen würde ich da nicht sprechen. Allerdings muss man sich vor Augen halten, dass das Verständnis von Polizei bei Menschen, die aus anderen Ländern zu uns kommen, deutlich von unserem Verständnis abweichen kann. Das ist nicht außergewöhnlich, da viele Zuwanderer in ihren Herkunftsländern negative Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben. Deshalb muss das Selbstverständnis einer rechtsstaatlichen Polizei immer wieder ausführlich erläutert werden.

Ich verstehe meine Funktion somit als eine besondere Form der Öffentlichkeitsarbeit, die Vorbehalte und Ängste gegenüber der Polizei abbaut.

Im Übrigen ist es meine Kolleginnen und Kollegen nicht immer einfach, bei vielen Einsätzen mit Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft konfrontiert zu sein. Wir möchten nicht, dass kulturelle Missverständnisse unsere Arbeit unnötig erschweren. Mit meiner Arbeit kann ich da manchmal einen Perspektivwechsel ermöglichen.
Wie divers ist die Polizei Wuppertal mit Blick auf Polizeibeamte mit Migrationshintergrund aufgestellt?
Türk: Der Anteil der Kolleginnen und Kollegen mit Einwanderungsgeschichte ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Offizielle Zahlen sind mir aber nicht bekannt.

Aus meinen alltäglichen Gesprächen mit Musliminnen und Muslimen kann ich Ihnen versichern, dass das polizeiliche Vorgehen gegen solche Strukturen sehr befürwortet wird. 

Emre Türk
Im Bergischen beschäftigt uns das Thema Clankriminalität immer wieder. Wie sehr leidet etwa die große Mehrheit der rechtschaffenen Muslime in Deutschland unter Stigmatisierung durch solche Phänomene?
Türk: Zunächst darf eine bestimmte Herkunft nicht zu einem Verdacht führen. Uns ist klar, dass sich auch in diesen betroffenen Familien viele gesetzestreue Menschen befinden. Allerdings können wir bestimmte Probleme nicht genau beschreiben, wenn wir dafür bestimmte Begriffe nicht verwenden dürfen, die vermeintlich stigmatisierend sein könnten. Aus meinen alltäglichen Gesprächen mit Musliminnen und Muslimen kann ich Ihnen versichern, dass das polizeiliche Vorgehen gegen solche Strukturen sehr befürwortet wird. Ich habe nicht die Erfahrung gemacht, dass sie sich grundsätzlich stigmatisiert fühlen.
Abseits von religiösen Kategorien – wie würden Sie die Strukturen in kriminellen Familienclans beschreiben?
Türk: In jedem Fall handelt es sich um Milieus, die streng hierarchisch und kollektivistisch geprägt sind. Hinzu kommt die patriarchalische Kultur. In der Regel haben diese Menschen mit dem Islam genauso viel zu tun wie andere polizeilich bekannte Strukturen mit dem Christentum.

Eine Distanz zu bestimmten Bevölkerungsgruppen – egal, ob Muslime oder Nicht-Muslime – kann sich eine zukunftsorientierte Polizei nicht leisten. 

Emre Türk
Sollte das Konzept eines muslimischen Kontaktbeamten bundesweit Schule machen?
Türk: Grundsätzlich kann man sagen, dass Prävention eine Kernaufgabe der Polizei ist. Dazu gehört auch der intensive Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern.

Und eine Distanz zu bestimmten Bevölkerungsgruppen – egal, ob Muslime oder Nicht-Muslime – kann sich eine zukunftsorientierte Polizei nicht leisten.

Außerdem machen die Kontaktbeamten landesweit Werbung für die Werte unserer Gesellschaft. In anderen Bundesländern gibt es Polizeibeamte, die teilweise vergleichbare Aufgaben wie ich haben.

Emre Türk: Kontaktbeamter für muslimische Institutionen

Emre Türk (34) ist Kriminaloberkommissar und seit 2018 Kontaktbeamter für muslimische Institutionen bei der Polizei Wuppertal. Organisatorisch wird seine Funktion der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zugeordnet. Unter anderem war er in Solingen im Streifendienst sowie als Sachbearbeiter bei der Kriminalpolizei tätig.

An allen Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen gibt es seit 2005 „Kontaktbeamtinnen und Kontaktbeamte für muslimische Institutionen“ (KMI).

Unsere News per Mail

Nach der Registrierung erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Erst mit Anklicken dieses Links ist die Anmeldung abgeschlossen. Ihre Einwilligung zum Erhalt des Newsletters können Sie jederzeit über einen Link am Ende jeder E-Mail widerrufen.

Die mit Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.

Meistgelesen

Welchen Platz suchen wir?
Welchen Platz suchen wir?
Welchen Platz suchen wir?
Kirmes am Weyersberg: Bude brennt
Kirmes am Weyersberg: Bude brennt
Kirmes am Weyersberg: Bude brennt
Gericht: Borbet-Kündigungen unwirksam 
Gericht: Borbet-Kündigungen unwirksam 
Gericht: Borbet-Kündigungen unwirksam 
Am Montag streiken die Busse in Solingen
Am Montag streiken die Busse in Solingen
Am Montag streiken die Busse in Solingen

Kommentare