NS-Verbrechen
„Gerechtigkeit verjährt nicht“
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Abend in der Cobra beschäftigte sich mit der Aufarbeitung von NS-Verbrechen.
Von Jutta Schreiber-Lenz
Solingen. Gut 100 Interessierte verfolgten am Montag in der Cobra den Film „Fritz Bauers Erbe“ und die sich anschließende Podiumsdiskussion über die juristische Aufarbeitung von NS-Verbrechen.
Warum holt man fast 80 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und der KZ-Befreiung noch ehemalige Lager-Wachleute oder Verwaltungssekretärinnen vor Gericht und zieht somit über 90-jährige Menschen zur Verantwortung – für ihre Beteiligung als „kleine Rädchen“ in der unvorstellbar grausamen und konsequenten Tötungsmaschinerie des NS-Staates?
Mehr als eine Antwort darauf gaben der Film und ein sich anschließendes Podiumsgespräch durch den Untertitel des Streifens, „Gerechtigkeit verjährt nicht“ – es wurde tiefer gegraben. „Weil es letztendlich weniger darum geht, ob die inzwischen hochbetagten Angeklagten am Ende ihre Strafe absitzen, sondern weil das verkündete Urteil endlich das lang ersehnte Zeichen der Mitschuld auch ‚kleiner Rädchen im Getriebe‘ setzt“, sagte zum Beispiel Dr. Stefan Lode am Schluss. Als Nebenkläger-Anwalt war er zuvor in dem Dokumentarfilm über Fritz Bauers Erbe vielfach zu sehen.
Gottlob habe sich die Herangehensweise deutscher Gerichtsbarkeit auf die Dinge von damals gewandelt, sagte auch Isabel Gathof – neben Sabine Lamby und Cornelia Partmann eine der Regisseurinnen des Streifens. Eindrücklich konnten die drei in ihrem Dokumentarfilm aufzeigen, dass nun, nach so langer Zeit, nicht mehr der Einzelschuldnachweis Grundlage für eine Verurteilung ist, sondern dass die Beteiligung an der grausamen systematischen Vernichtung so vieler als „unwert“ bezeichneter Menschen reicht, um für Mord beziehungsweise für Beihilfe zum Mord zur Rechenschaft gezogen werden zu können.
Sicht auf diese NS-Verbrechen hat sich gewandelt
Der Film gab einen beeindruckenden, dichten Eindruck in die juristische und gesellschaftliche Sicht auf diese NS-Verbrechen, die sich seit den 60er Jahren gewandelt hat. Generalstaatsanwalt Fritz Bauer musste trotz seines Ansatzes der Kollektivschuld – wonach auch Mitläufer Mittäter sind – in den ersten Auschwitz-Prozessen erleben, dass viele Verfahren eingestellt wurden. Oder mit Freisprüchen für Personen, die am Holocaust beteiligt waren, endeten. Berührend zeigte der Film an Beispielen noch lebender Opfer, die als Nebenkläger auftraten, wie wichtig diese öffentliche Rechtsprechung für die Betroffenen von damals ist.
Auch die evangelische Kirche habe erst spät zu einer öffentlich klaren Haltung der Verurteilung gefunden, sagte Superintendentin Dr. Ilka Werner. „Um am Ende Vergebung und Gnade zu erlangen, bedarf es zuvor eines Schuldbekenntnisses beziehungsweise einer Schuld-Feststellung. Die erfolgt gerade erst in den laufenden neuen Verfahren.“
Die Veranstaltung fand zum Tag des Gedenkens an die Opfer des Nationalsozialismus statt. Seit einigen Jahren erinnert die Evangelische Kirche in Solingen gemeinsam mit dem Verein Bildungs- und Gedenkstätte Max-Leven-Zentrum Solingen an die Opfer.