Immobilien

Erbpacht soll bei Stadtplanung helfen

Über einen Verkauf des alten Hauptbahnhofs in Solingen-Mitte wird aktuell diskutiert.
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Über einen Verkauf des alten Hauptbahnhofs in Solingen-Mitte wird aktuell diskutiert.

Das Rathaus und die Politik prüfen Alternativen zum Verkauf städtischer Immobilien.

Von Andreas Tews

Solingen. In den vergangenen Jahren hat die Stadt etliche Grundstücke und Immobilien verkauft, damit Investoren dort bauen oder umbauen können. Dies brachte nicht immer den gewünschten Erfolg. Rathaus und Politik prüfen nun Alternativen zum Verkauf. Sie haben dabei auch die Beispiele anderer Städte wie Hamburg, München oder Remscheid im Blick, die kommunale Grundstücke vermehrt in Erbbaurecht vergeben. Ein Vorschlag der Fraktion Linke/Die Partei, dies in Solingen grundsätzlich zu tun, fand zunächst aber keine Mehrheit. Vom Tisch ist das Thema Erbpacht damit aber nicht.

Das frühere Hallenbad an der Birkerstraße wurde vor Jahren verkauft. Lange Zeit tat sich dort nichts.

Die Stadt hat nach Rathaus-Angaben bereits etwa 160 Grundstücke in Erbbaurecht vergeben. Viele bedeutende städtische Immobilien und Areale wurden in den vergangenen Jahren aber verkauft. Dazu zählten unter anderem die beiden ehemaligen Hallenbäder an der Birker- und der Sauerbreystraße, die Ohligser Festhalle, das ehemalige Omega-Gelände an der Kölner Straße und der Walder Stadtsaal. Aktuell wird über den Alten Bahnhof diskutiert.

Beim Erbbaurecht geht es aber auch oft um Wohngebiete. So hat die Stadt Remscheid das Gelände einer früheren Grundschule im Stadtteil Lüttringhausen selbst erschlossen, um es jetzt in Erbpacht an neue Bewohner zu vergeben. Die Idee dahinter war, nicht nur Gutverdienern ein Eigenheim zu ermöglichen.

„Wir müssen aus schlechten Erfahrungen lernen.“

Carsten Becker (CDU) zu früheren Verkäufen

In der Solinger Politik hat man aber eher die Möglichkeit im Blick, Immobilien und Grundstücke nicht ganz aus der Hand zu geben. Es müsse das Ziel sein, dass die Stadt bei einer neuen Nutzung wichtiger Flächen immer wieder ein Mitspracherecht habe, hatte Fraktionsvorsitzende Ulrike Zerhau (Linke/Die Partei) im Rat der Stadt erklärt. Es gehe um eine langfristige Bodenvorratspolitik. Im Antrag ihrer Faktion heißt es zudem, dass die Stadt nicht ihr „Tafelsilber verscherbeln“ dürfe.

Nach dem Verkauf der Ohligser Festhalle drohte vor Jahren der Abriss. Ein Vorkaufsrecht sicherte zuletzt die weitere Nutzung.

Dem Antrag ihrer Fraktion, städtische Grundstücke generell nur noch in Erbpacht zu vergeben und nicht mehr zu verkaufen, folgten die anderen Fraktionen aber nicht. Dass das Gemeinwesen langfristig Zugriff auf bedeutende Flächen habe, sei aber kein falscher Ansatz, erklärte der Vorsitzende des Ausschusses für Städtebau und Stadtentwicklung, Carsten Becker (CDU) auf ST-Anfrage. Die Beispiele der alten Hallenbäder hätten gezeigt, dass es bei einem Verkauf an einen Investor nicht immer schnell vorangehe. Die Stadt müsse aus schlechten Erfahrungen lernen. Das Erbbaurecht könne ein Weg sein, für die Stadt mehr Rechte zu wahren. Eine generelle Erbpacht-Vergabe wäre aus seiner Sicht aber nicht sinnvoll. Gerade bei Gewerbeimmobilien legen Investoren nach seiner Einschätzung oft Wert darauf, die Grundstücke zu kaufen. Nachdenken müsse man aber auch über Vertragsformulierungen, bei denen die Stadt auch nach einem Verkauf mehr Druck machen könne.

Auch die Fraktionsvorsitzenden Iris Preuß-Buchholz (SPD) und Jürgen Albermann (FDP) zeigten sich prinzipiell offen für Erbpacht-Vergaben. Die Politik müsse aber genau prüfen, wie sie einen entsprechenden Beschluss formuliere, sagte Preuß-Buchholz.

Laut Albermann sollte von Fall zu Fall entschieden werden. Die Art der Vergabe von Grundstücken hänge vom Gesamtpaket ab, das mit einem Investor ausgehandelt werde. Interessant werde es zum Beispiel, wenn an ein Wohnbauprojekt der Bau eines Kindergartens gekoppelt werde. Entscheidend sei bei einer Abwägung auch, ob für Grundstücke bei einem Verkauf gute Preise zu erzielen seien.

Auch aus Sicht des Rathauses sollte die Vergabefrage abhängig von der Marktlage entschieden werden. Werde zum Beispiel ein marktgerechter Erbbauzins erhoben, entstünden für die Stadt keine finanziellen Nachteile. Wohl müsse aber beachtet werden, dass mit einer solchen Vergabe im Rathaus dauerhaft Arbeit anfalle.

Auf dem früheren Omega-Gelände will ein Investor Wohngebäude errichten. Wann genau, steht noch nicht fest.

Laut Grünen-Fraktionssprecher Frank Knoche könne es Fälle geben, in denen ein Erbbaurecht nicht förderlich wäre. Jan Michael Lange (BfS/Abi) weiß außerdem, dass Banken bei der Kreditvergabe eine Erbpacht „nicht so gerne sehen“. Für eine bereits während der Ratssitzung von Knoche angeregte Abschwächung des Antrags von Linke/Die Partei zeigte sich Zerhau offen. Die Erbpacht wird in den kommenden Monaten also wieder auf der politischen Agenda stehen. 

Erbbaurecht

Durch ein Erbbaurecht (umgangssprachlich: Erbpacht) sichert sich ein Nutzer langfristig das Recht, auf einem Grundstück ein Gebäude zu bauen oder es zu unterhalten und es langfristig zu nutzen. Erbbaurechtsverträge haben eine lange Laufzeit – üblicherweise über 99, in manchen Fällen aber auch nur über 70 oder 80 Jahre. Der Nutzer des Grundstücks muss dem Eigentümer einen Erbbauzins zahlen. Auf die Gestaltung von Gebäuden hat der Grundstückseigentümer durch das Erbbaurecht keinen größeren Einfluss.

Kommentar von Andreas Tews: Gegen den Stillstand

andreas.tews@solinger-tageblatt.de

Warum sich bei Immobilien, die ein Investor gekauft hat, oft jahrelang nichts tut, ist den Bürgern nicht zu erklären. In manchen Fällen haben die neuen Eigentümer Gebäude oder Grundstücke als Spekulationsobjekte erworben, andere haben sich mit Großprojekten übernommen, nicht selten erweist sich ein Umbau als aufwendiger als erwartet und manchmal fehlt es an Genehmigungen der Behörden.

Etliche Beispiele zeigen, dass ein Verkauf an private Investoren nicht immer den gewünschten Effekt hat. Es gibt aber auch Gegenbeispiele. Das Erbbaurecht kann sicherlich in manchen Fällen helfen, die Städtebauplanung voranzubringen. Ein Allheilmittel ist aber auch das nicht. Dafür ist die Immobilienbranche zu kompliziert.

Die Stadt muss sich viele Wege offenhalten, um einen Stillstand an vielen Ecken zu vermeiden. Bei Verkäufen geht es zum Beispiel um eine geschickte Vertragsgestaltung – zum Beispiel nach dem Motto: Wer nicht innerhalb von fünf Jahren baut, muss ein Grundstück wieder abgegeben.

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