Verkehr
Busse fahren in Solingen auf Straßenbahnlinien
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Stadtarchivar und Historiker Ralf Rogge hat den Aufbruch ins neue Verkehrszeitalter um 1897 untersucht und dabei einige Erkenntnisse zur heutigen Verkehrssituation gewonnen.
Von Philipp Müller
Solingen. Es war so etwas wie Pionierstimmung in Sachen öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV) ab 1892 in Solingen zu spüren. Eine Straßenbahn sollte her. Und sie fuhr auch bereits fünf Jahre später. Das hat Stadtarchivar Ralf Rogge untersucht und für das jährliche Heft „Die Heimat“ des Bergischen Geschichtsvereins aufgeschrieben. Eines seiner Ergebnisse: Von dieser damaligen Verkehrswende profitieren wir bis heute. Denn die O-Busse fahren fast alle auf bereits vor 125 Jahren geplanten Straßenbahntrassen.
Warum wurde die Straßenbahn in Solingen gebaut?
Vereinfacht kann man sagen: Andere Städte hatten sie auch, Fortschritt war ausgangs des 19. Jahrhunderts der Leitgedanke vieler Entscheidungen. Doch schaute sich die Stadt Solingen ab Mitte 1893 die Entwicklung der Straßenbahn in Remscheid gut ein Jahr lang an, bevor eigene Pläne im Jahr 1897 nach der Planung mit der ersten Fahrt am 2. Juni umgesetzt wurden. Das sei klug gewesen, sagt der Historiker Ralf Rogge, so habe man sehen können, wie alles funktioniert.
Was wurde vor der Eröffnung der Straßenbahn 1897 geplant?
Es gab die Stadt Solingen, den heutigen Stadtkern Mitte und Dorp bis zur Krahenhöhe. Wald, Gräfrath, Höhscheid und Ohligs waren eigene Städte, gehörten aber zum Kreis Solingen. So wurde parallel geplant. Die Stadt wollte eine Bahn vom Schlagbaum bis zur Krahenhöhe. Die Linie 683 verkehrt noch heute auf dieser Strecke. Im Kreis setzte sich am Ende eine Ringbahn durch, die Ohligs einmal über Wald und den Central mit dem Schlagbaum verband und im anderen Halbkreis den Schlagbaum über Merscheid wieder mit Ohligs – heute durch die Linien 681 und 682 abgebildet.
Wie wurde der Bau der Straßenbahn finanziert?
Es gelang mit Public Private Partnership (PPP). „Public“ waren Kreis und Stadt, die die Straßen zur Verfügung stellten. „Privat“ waren Unternehmen engagiert, vor allem die in Stadt und Kreis aktive Berliner Union-Elektrizitäts-Gesellschaft. Sie finanzierten die Strecken auf eigene Kappe. So im Kreis Solingen. Die Stadt schaffte eigene Straßenbahnen an. Mehrere Wege führten wirtschaftlich ins neue mobile Klingenstadt-Rom. „Partnership“ bedeutet auch, dass Kreis und Stadt Solingen Lizenzen und Konzessionen für den Betrieb der Bahn vergaben. Das hatte laut Stadtarchivar Rogge aber fatale Konsequenzen. Die privaten Unternehmen fuhren die Straßenbahnen in der Regel auf Verschleiß. Profit statt Erhalt war die Devise. Solingen kam nicht umhin, einen eigenen Verkehrsbetrieb zu gründen und zu stützen.
Wie fuhren die Straßenbahnen?
Die Taktung ähnelt der heutigen der O-Busse. Es gab Strecken mit einem 15-Minuten-Takt und solche mit 7,5-Minuten. Da die Trassen zunächst nur ein Gleis hatten, gab es Buchten, wo der Gegenverkehr warten konnte. Zudem wurde freies Feld, etwa zwischen Wald und Ohligs oder Merscheid und Solingen durchfahren. Rogge erklärt: 1897 hatte das heutige Solingen der fünf damaligen Städte etwa 100 000 Einwohner, heute sind es knapp 165 000 Solingerinnen und Solinger.
Wer nutzte die Straßenbahnen?
Am 2. Juni 1897 fuhr die erste Straßenbahn. Am 15. Juli 1897 wurde die Müngstener Brücke eingeweiht. Beides seien Meilensteine der Stadtgeschichte, sagt Historiker Rogge. Mag es vor 1897 die Erwartungshaltung gegeben haben, dass die Straßenbahn vor allem Arbeiter schneller in die Fabriken und Manufakturen bringt, so stellte sich ein anderer Effekt ein. Zur Eröffnung der „Riesenbrücke“ erlebte die Linie zur Krahenhöhe einen echten Ansturm. Laut Rogge setzte sich der Trend fort, dass die Menschen im Gebiet die Bahn vor allem für Freizeitfahrten nutzten.
Wie ging es weiter mit den Straßenbahnen?
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das Straßenbahnnetz zunächst wieder aufgebaut und genutzt. Schließlich aber ersetze die Stadt ab Mitte 1952 bis Ende 1959 die Straßenbahnen durch kostengünstigere O-Busse. Dazu kamen die Dieselbusse.
Die Heimat, Ausgabe 38, 7,50 Euro, erhältlich in den ST-Geschäftsstellen