29. Mai 1993

Das Gedenken bekommt historischen Charakter

Stadtsprecher Lutz Peters ist eng mit Familie Genç verbunden. Im Rathaus hat er viele Fäden in der Hand, wenn das öffentliche Gedenken an den Brandanschlag von 1993 geplant wird.
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Stadtsprecher Lutz Peters ist eng mit Familie Genç verbunden. Im Rathaus hat er viele Fäden in der Hand, wenn das öffentliche Gedenken an den Brandanschlag von 1993 geplant wird.

Lutz Peters begleitet als Sprecher der Stadt Solingen das öffentliche Gedenken seit 1993.

Von Philipp Müller

Solingen. Am 29. Mai 1993 erschütterte der Brandanschlag Solingen. Familie Genç beklagte fünf Opfer. Schnell waren vier rechts-extreme Tatverdächtige gefasst und später verurteilt. Heute, 30 Jahre später, habe der Termin eine neue, jetzt historische Dimension erreicht, sagt Stadtsprecher Lutz Peters. Warum? Gerade die jüngeren Generationen wüssten in der Tiefe mit dem Brandanschlag nichts mehr anzufangen. Das Gedenken sei lange von der persönlichen Erinnerung von 1993 geprägt gewesen. Dieses ritualisierte Gedenken wird ab diesem Jahr durch eines ersetzt, das den Opfern mehr Gesicht gibt und die antirassistische Botschaft des respektvollen Zusammenstehens stärker betont.

Presseamtsmitarbeiter Lutz Peters stand 1993 an der Brandruine, verneigte sich vor den dort aufgebahrten Särgen und wurde zur wichtigen Person im Hintergrund für das Gedenken. „Ich bin ein Freund der Familie geworden“, blickt er heute zurück. Wenn in einer Woche am 28. und 29. Mai erneut an Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç gedacht wird, so hat Peters das mitgeplant. Aber stets zusammen mit Familie Genç.

Es sei Mevlüde Genç, die bei dem Anschlag fünf Familienangehörige verlor, gewesen, die den Wechsel von der persönlichen zur historischen Dimension erkannt habe. Ihre Frage „Wie können wir das künftigen Generationen vermitteln?“, zeige die „Genialität von Mevlüde Genç“, sagt Lutz Peters.

Antwort auf die Frage gibt ein neues Gedenken mit der Ausstellung „Solingen 93“ im Zentrum für verfolgte Künste, die den Brandanschlag in den historischen Kontext rechtsextremer Anschläge bis in die Neuzeit einordnet. Aber es gibt auch weitere Gedenktermine wie die große Veranstaltung im Konzertsaal und damit noch andere Fragen.

Warum ist die Gedenkveranstaltung mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier so groß?

Lutz Peters berichtet, dass schon im vergangenen Jahr zu spüren gewesen sei, dass aus vielen Richtungen Interesse an dem 30. Jahrestag besteht. Er nennt das dreisprachige Buch zu Mevlüde Genç, Interesse des Hauses der Geschichte NRW und auch das des Düsseldorfer Schauspielhauses. Das alles sei schon in die Richtung gegangen, dass sich der Brandanschlag in Richtung historisches Ereignis bewegt.

Warum kommt in diesem Jahr so viel politische Prominenz?

Der langjährige Stadtsprecher spricht da von einer Eigendynamik. Die Stadt habe gerade wegen des spürbar größeren Interesses an dem Gedenken auch breiter eingeladen. Und dann hätten das Rathaus sehr viele Zusagen erreicht. „Es entsteht bei so etwas auch immer eine politische Bühne“, hält Peters als Erklärung fest. Das alles aber auch mit einer finanziell unangenehmen Note: Die Kosten für die Gedenkveranstaltung von der Büroklammer bis zum Sicherheitsmitarbeiter trägt Solingen selbst. Peters schätzt, dass ein niedriger, sechsstelliger Betrag herauskommen wird.

Was müssen die Solinger und Anlieger wissen?

Einige Einschränkungen gibt es laut Lutz Peters für die Anwohner der Unteren Wernerstraße und deren Zufahrtsstraßen. „Die wurden angeschrieben und gebeten an den Gedenktagen ihre Autos anders zu parken.“ An der Schlachthofstraße stelle die Ditib-Gemeinde das Gelände der künftigen Moschee bereit. Das Theater und Konzerthaus sowie die Straßen drumherum werden am 29. Mai nicht gesondert abgesperrt. Verzögerungen im Verkehr sind aber denkbar, denn es werden viele Wagen-Kolonnen mit den Festgästen aus der Politik erwartet. Deren Ankunft am Theater könne aus der Ferne beobachtet werden. Aber der Festakt selbst gehört nicht zu den öffentlichen Terminen.

Wie hat sich die Stadt seit 1993 geändert?

Lutz Peters ist sicher, dass die Integration der Migranten große Fortschritte gemacht hat. „Solingen ist die Stadt der Integration“, betont er. Er gibt zu, 1993 selbst mit der türkischen Gemeinschaft kaum bis keine Berührungspunkte gehabt zu haben. Erst vor den Särgen der Opfer sei ihm klar geworden, wie wenig man von den „Gastarbeitern“ in der Nachbarschaft wusste, die ihre Kultur mitgebracht hatten und sie lebten. In der Breite sei das auch in der Stadtgesellschaft angekommen. So steige der gegenseitige Respekt der verschiedenen Kulturen, die in der Klingenstadt leben. Daher ist er auch an der Seite von Oberbürgermeister Tim Kurzbach, wenn der sich für kommenden Pfingsttage wünscht, dass alle in Solingen Lebenden den notwendigen Respekt für das Gedenken entwickeln.

Gedenk-Termine

Sonntag, 28. Mai: 16.30 Uhr Der Mercimek-Platz wird in Mevlüde- Genç-Platz umbenannt. 17.30 Uhr Mahngang zur Unternen Wernerstraße. Dort ab 18 Uhr Gebete und stilles Gedenken.

Montag, 29. Mai:
11 Uhr: Gedenken an Gürsün İnce, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç. Dazu: Einweihung der Gedenk-Stele der Jugendhilfewerkstatt. Veranstalter: Ditib-Gemeinde Solingen und Angehörige der Familie Genç.

12 Uhr: Gedenkveranstaltung mit Kultur und Reden auf dem Neumarkt. Veranstalter: Solinger Appell und andere

14 Uhr: Gedenkveranstaltung der Stadt Solingen im Theater und Konzerthaus (nicht öffentlich).

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