29. Mai
Brandanschlag-Gedenken: Bundespräsident kommt - Dieses Programm ist geplant
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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier wird eine Festrede halten. Der Gedenktag wird in enger Abstimmung mit Familie Genç geplant.
Von Philipp Müller
Solingen. Pfingstmontag, 29. Mai, kommt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeiner nach Solingen. Er wird anlässlich des Gedenkens des Brandanschlags vor 30 Jahren die Festrede im Konzertsaal des Theater und Konzerthauses halten. Mit Bärbel Bas, Präsidentin des Deutschen Bundestages, kommt auch die protokollarisch nach Steinmeier zweithöchste Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland. Ebenfalls einige Ministerinnen und Minister des Bundes werden erwartet.
Der Gedenkakt ist nur ein Teil der aufwendigen Feiern, um in Absprache mit der Familie Genç, die fünf Frauen und Mädchen durch einen rassistischen Brandanschlag verloren, dem Gedenken mehr persönliche Aspekte zu verleihen. Das sei der ausdrückliche Wunsch der am 30. Oktober 2022 verstorben Mevlüde Genç gewesen, die nach dem Anschlag zur wichtigen und lauten Stimme der Versöhnung geworden war, teil das Büro von Oberbürgermeister Tim Kurzbach (SPD) mit.
Bekannt gemacht wurden Pläne durch eine Vorlage für Fachausschüsse des Rats und diesem selbst. Im Sozialausschuss wurde dies ohne Aussprache zur Kenntnis genommen. Der Ältestenrat war bereits mehrfach vorab informiert worden. In der Vorlage wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, den 30. Jahrestag in neuer Form zu begehen. Nach 30 Jahren drohe die Bedeutung des Brandanschlags auf die historischen Fakten verengt zu werden. Zugleich hätten das Rathaus Hinweise erreicht, dass der Jahrestag bundesweit viel Beachtung finden werde.
Mevlüde Genç bat um eine persönliche Gestaltung des Gedenkens
Laut OB-Büro habe Mevlüde Genç im Juni des vergangenen Jahres in einem Brief an den Oberbürgermeister das Gespräch über die Ausgestaltung des 30. Jahrestages und vor allem die Frage gesucht, „wie das Wissen über den Brandanschlag, seine Voraussetzungen und Folgen, künftigen Generationen vermittelt werden könnte“. Wichtig sei der Familie auch, „dass das Gedenken eine persönlichere Sicht auf die fünf getöteten Familienmitglieder ermöglichen soll als es bisher der Fall war“.
In der Umsetzung wandte sich das Rathaus ans Zentrum für verfolgte Künste in Gräfrath. Im Austausch mit der Familie wurde eine Ausstellung konzipiert, die die Opfer in den Mittelpunkt stellt. Gemalte Porträts der Opfer und von Mevlüde Genç sollen im Sinne der Trauer- und der Erinnerungskultur diesen ein mahnendes Gesicht geben. Der Brandanschlag wird in den historischen Kontext rechtsextremer Anschläge bis in die Neuzeit gesetzt. Der Förderkreis des Zentrums und die Stadt Solingen hatten bereits einen Wettbewerb für Schulen gestartet, sich mit dem Thema Rassismus und Brandanschlag auseinanderzusetzen. In Absprache mit Familie Genç wird die Jugendhilfewerkstatt auch das Mahnmal an der Mildred-Scheel-Schule überarbeiten und um eine Stele mit den Porträts der Opfer ergänzen.
Zum Festakt im Konzertsaal werden die Bundesministerin des Innern und für Heimat, Nancy Faeser (SPD), der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir (Grüne), die Staatsministerin für Kultur und Medien, Claudia Roth (Grüne), und der Beauftragte der Bundesregierung für die Anliegen von Betroffenen von terroristischen und extremistischen Anschlägen im Inland, Pascal Kober (FDP), erwartet. Eingeladen sind Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und die stellvertretende Ministerpräsidentin Mona Neubaur (Grüne), haben aber noch nicht zugesagt. Cem Özdemir, der mit Familie Genç bekannt ist, ist auch in einer anderen Funktion in Solingen. Der Preisträger der „Schärfsten Klinge“ sitzt dem Kuratorium vor, dass die Ausstellung „Solingen ´93 – Niemals vergessen“ im Zentrum für verfolgte Künste fachlich und inhaltlich begleitet.
Türkei wird „hochrangige Vertreter“ zum Gedenken entsenden
Laut Rathaus hat die Generalkonsulin der türkischen Republik, Ayşegül Gökçe Karaarslan, „sehr hochrangige Vertreter“ der türkischen Regierung angekündigt. Wer das sein wird, ist unklar, am 14. Mai sind in der voraussichtlich Türkei Parlaments- und Präsidentenwahl. Das Rathaus wird zudem 350 Vertreterinnen und Vertreter der Stadtgesellschaft zum Gedenken einladen.
Das Rathaus rechnet mit Kosten von rund 92 000 Euro für das Pfingstwochenende, die mit 100 000 Euro im Haushalt ausgewiesen seien. Davon sind wegen der laufenden Haushaltsführung bisher erst 50 000 Euro gesichert. Anfragen ans Bundesinnenministerium, das Gedenken finanziell zu unterstützen, liefen ins Leere. Aber die Mitarbeit des Bundeskriminalamts, in Fragen der Sicherheit zu beraten, wurde angekündigt. Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) habe eine Teilnahme am Gedenktag abgesagt und werde auch kein Geld zur Verfügung stellen.
30. Jahrestag des Brandanschlags von 1993 - So läuft der Gedenktag ab: Festreden, Mahngang und Gebete
In die Planungen des Ablaufs des Gedenkens zum 30. Jahrestags des Solinger Brandanschlags ist nicht nur das Rathaus eingebunden. Das Kommunale Integrationszentrum koordiniert die privaten Veranstaltungen. Zudem ist die Ditib eingebunden. Und so soll nach den vorläufigen Planungen das Gedenken ablaufen:
Sonntag, 28. Mai: Um 18 Uhr findet die Umbenennung des Mercimek-Platzes in Mevlüde-Genç-Platz in Abstimmung mit der Familie statt. Um etwa 19.30 Uhr wird im Bürgersaal ein Dokumentarfilm zum Brandanschlag gezeigt. Im Anschluss startet eine Mahnwache an der Unteren Wernerstraße bis zum Morgen des 29. Mai.
Montag, 29. Mai: Um 9 Uhr wird nichtöffentlich im Zentrum für verfolgte Künste die Ausstellung „Solingen´93“ eröffnet. Um 11 findet eine Andacht der Familie Genç und der Ditib-Gemeinde an der Unteren Wernerstraße statt. Um 14 Uhr startet die Gedenkveranstaltung im Theater und Konzerthaus mit Bundesprominenz. Gegen 16 Uhr beginnt ein einstündiger Mahngang von dort zum Mildred-Scheel- Berufskolleg mit abschließendem Gebet.
Weitere Aktionen: Bereits am 15. April feiert ein Theaterstück des Stadt:Kollektiv Düsseldorf Premiere. „Solingen 1993“ wird während einer Busreise von Düsseldorf nach Solingen gespielt. Bis zu zwölf Aufführungen sind geplant. Am 29. Mai hält der Solinger Appell mit weiteren Akteuren noch eine Kundgebung in der Innenstadt ab.
Standpunkt von Philipp Müller: Wichtige Neuausrichtung
Feinfühlig wie Mevlüde Genç nach dem Brandanschlag war, rief sie 1993 unmittelbar zur Versöhnung auf. Hass und Rache waren bei aller Trauer und Wut auf die Täter nicht ihre Reaktion. Ihre Feinfühligkeit hatte sie nicht verlassen, als sie im vergangenen Sommer Kontakt zu Oberbürgermeister Tim Kurzbach aufgenommen hatte.
Das Gedenken wirkte zuletzt ritualisiert und auf die Geschichte reduziert. Allen Appellen „Nie wieder“ stellten sich zunehmend Stimmen „Es reicht jetzt“ entgegen. Den Ideen der Botschafterin der Versöhnung wird jetzt viel Raum gegeben. Die Opfer, fünf Frauen und Mädchen, die in den Flammen an der Unteren Wernerstraße Pfingsten 1993 umkamen, wird ein Gesicht gegeben.
Dies soll dazu dienen, wichtigen Anliegen von Mevlüde Genç mehr Gewicht zu geben: Die Gesellschaft muss sich konsequent gegen Rassismus stellen. Ein friedliches Miteinander der Kulturen ist das Ziel einer modernen Gesellschaft. Und das gilt stets und darf kein dahergesagtes Ritual sein.