EU-Verordnung

Botanischer Garten: Lösung für Kuchenverkauf gefunden

Die Besucher Angelika und Stephan Streng mit Kaffee und Kuchen vom Kiosk im Botanischen Garten – unser Foto entstand am Ostersonntag. Da musste der Verein den Verkauf ohne selbst gebackenen Kuchen bestreiten. Ab Sonntag soll sich das wieder ändern.
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Die Besucher Angelika und Stephan Streng mit Kaffee und Kuchen vom Kiosk im Botanischen Garten – unser Foto entstand am Ostersonntag. Da musste der Verein den Verkauf ohne selbst gebackenen Kuchen bestreiten. Ab Sonntag soll sich das wieder ändern.

Die Vereinbarung zwischen Stadt und Stiftung greift bereits am Sonntag.

Von Björn Boch

Solingen. Im Fall des ehrenamtlichen Kuchenverkaufs im Botanischen Garten ist eine Lösung gefunden worden. Der dortige Verkauf selbst gebackener Kuchen bleibe zwar „grundsätzlich rechtswidrig“, wie der zuständige Dezernent Jan Welzel (CDU) auf Tageblatt-Anfrage betont. Mit einem deutlich sichtbaren Warnhinweis, den der Verein am Kiosk anbringen muss, werde der Verkauf allerdings künftig toleriert. Die Regelung gilt bereits ab Sonntag.

Jan Welzel musste in dem Fall zwei Grundrechte abwägen.

Wie berichtet war der Verkauf von selbst gebackenen Kuchen und Torten vom Bergischen Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsamt (BVLA) untersagt worden, weil er gegen eine EU-Verordnung zur Lebensmittelhygiene verstößt. Das BVLA hatte den Verkauf vor Ort sowie die Herstellung bemängelt. Die müsse eigentlich in Küchen stattfinden, die dem Standard in Gewerbebetrieben entsprechen. Das war für die vielen freiwilligen Kuchenbäcker, die das ehrenamtlich zu Hause tun, nicht zu leisten.

Jan Welzel stellt sich hinter die Lebensmittelkontrolleure, die „ihre Pflicht erfüllt und viele Wege aufgezeigt hätten, wie lebensmittelrechtliche Vorgaben auch im ehrenamtlichen Bereich eingehalten werden können“. Die Stiftung hat daraufhin die Hygiene-Bedingungen für den Verkauf vor Ort noch einmal deutlich verbessert. Die Behörde setzt in Bezug auf Selbstgebackenes nun laut Welzel statt auf ein Verbot „auf das mildere Mittel: einen deutlich erkennbaren Warnhinweis“. So obliege es der Entscheidung der Konsumenten, ob sie das Risiko des Verzehrs eines selbst gebackenen Kuchenstückes eingehen wollen oder nicht. „Eine Gefahr für die Gesundheit ist durchaus möglich, wird aber als eher gering eingestuft.“

Matthias Nitsche freut sich über den Kompromiss.

Mit dem Verein sei abgestimmt, dass er zukünftig gekauften Kuchen anbieten wird, der lebensmittelrechtlich unbedenklich ist – und das Angebot durch selbst gebackenen Kuchen ergänzen kann. Dieser wird mit einem Warnhinweis versehen: „Der entsprechend gekennzeichnete Kuchen wurde nach bestem Wissen und Gewissen durch Privatpersonen/ unsere Vereinsmitglieder zu Hause im privaten Rahmen für die Gäste des Botanischen Gartens gebacken. Der Verzehr erfolgt auf eigenes Risiko.“

Mit diesem Vorgehen, so Welzel, könne dem Gesetz und auch der Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger Genüge getan werden. „In die Abwägung ist ausdrücklich das verfassungsrechtliche Schutzgut der Vereinigungsfreiheit, unter die die gemeinnützige Tätigkeit des Vereines fällt, eingeflossen.“ ()

Matthias Nitsche vom Verein Stiftung Botanischer Garten freut sich sehr über den Kompromiss: „Wir haben bereits alle unsere Bäckerinnen und Bäcker informiert.“ Der Kuchenverkauf bringt der Stiftung, die den Botanischen Garten pflegt, mehrere Tausend Euro im Jahr ein – eine Gewinnspanne, die allein mit zugekauftem Kuchen nicht zu erreichen wäre, so Nitsche.

Und das Geld wird dringend gebraucht: Die Stiftung muss jährlich rund 45 000 Euro Pacht an die Stadt bezahlen sowie Energiekosten, Versicherungen und Reparaturen in Höhe von rund 15 000 Euro abdecken. Dabei helfen Mitgliedschaften, Spenden – und Einnahmen am Kiosk, der von April bis Oktober immer sonn- und feiertags von 14 bis 18 Uhr geöffnet hat.

Ein Aus wäre für uns ein herber Einschnitt gewesen.“

Matthias Nitsche, Stiftung Botanischer Garten

Neben dem großen Schild, das auf die Umstände der Kuchenherstellung verweist, sollen die selbst gemachten Kuchen mit Fähnchen zusätzlich markiert werden. „Und natürlich listen wir weiterhin Allergene auf und achten auf Kühlketten. Alle Helfer haben in diesem Jahr wieder Hygieneschulungen erhalten“, so Nitsche. Vor Ort sind zusätzliche Anforderungen erfüllt worden, etwa separate Handwaschbecken oder ein abspülbarer Boden. Dafür hat der Verein mehr als 15 000 Euro investiert.

Einzig selbst gebackene Torten wird es nicht mehr geben – mit Blick auf die besonderen Risiken, etwa rohe Eier. „Mit dem Kompromiss können wir sehr gut leben. Die Kuchen sind für uns das Wichtigste“, so Nitsche, der sich persönlich und im Namen der Stiftung bei der Stadt für die Lösung bedankt – und beim ST für die journalistische Öffentlichkeit. „Und bei allen, die uns angerufen oder angeschrieben haben, um ihre Unterstützung auszusprechen. Ein Aus für den Kuchenverkauf wäre für uns ein herber Einschnitt gewesen.“

Rechtlicher Hintergrund

Jan Welzel erläutert, dass im konkreten Fall zwei Grundrechte abzuwägen waren: das Grundrecht auf Gesundheit und körperliche Unversehrtheit, hier gesichert durch Lebensmittelrecht. Und das Grundrecht auf Vereinigungsfreiheit: Menschen finden sich im Verein Botanischer Garten zusammen, um die Anlage zu unterhalten und einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Nutzung zu leisten – finanziert auch durch den Kuchenverkauf. Diese Grundrechte konnten nun in Übereinstimmung gebracht werden.

Kommentar von Björn Boch: Unter dem Brennglas

bjoern.boch@solinger-tageblatt.de

Viele Regeln, die unser Zusammenleben organisieren, haben Sinn. Sei es im Straßenverkehr, auf Baustellen oder bei der Lebensmittelüberwachung. Regeln ohne Kontrolle dagegen haben wenig Sinn. Nicht jede gut gemeinte Regel aber ist gut gemacht. Und im Fall des Botanischen Gartens war die Umsetzung vor Ort – sprich: die Kontrolle – ein Ärgernis, das viele fassungslos zurückließ. Es mutet zwar fast ein wenig absurd an, dass künftig die vielen Sonntagsbesucher am Kiosk Kuchen kaufen, vor dessen Verzehr gewarnt wird. Dennoch ist diese Lösung ohne Einschränkung zu begrüßen, weil sie mündigen Bürgern mündige Entscheidungen ermöglicht.

Das ist den Engagierten im Botanischen Garten zu verdanken, die kompromissbereit sind und schon eine Vielzahl an Regeln einhalten. Einem Rechtsdezernenten, der Wort gehalten und eine Auslegung gefunden hat, die den Verkauf wieder ermöglicht. Und nicht zuletzt der Öffentlichkeit, die das Tageblatt maßgeblich hergestellt hat. Demokratie unter dem Brennglas.

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