Uni-Vortragsreihe

„Wir verbauen uns unsere Städte durch den Autoverkehr“

Für Prof. Dr. Ulrike Reutter ist es unumgänglich, den Autoverkehr in unseren Städten zu reduzieren. Über Strategien und Wege dazu spricht sie im Uni-Vortrag.
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Für Prof. Dr. Ulrike Reutter ist es unumgänglich, den Autoverkehr in unseren Städten zu reduzieren. Über Strategien und Wege dazu spricht sie im Uni-Vortrag.

Mobilitätsforscherin Prof. Dr. Ulrike Reutter spricht darüber, wie die Verkehrswende gelingen kann.

Von Kristin Dowe

Solingen. Zugeparkte Wohnsiedlungen und Innenstädte, nicht enden wollende Staus, zunehmende Luftverschmutzung. All diese Probleme sind in deutschen Städten zur Genüge bekannt und haben eine wesentliche Ursache: Auf unseren Straßen sind zu viele Autos unterwegs.

Doch welche Anreize kann die Politik schaffen, um Menschen zum Umstieg auf Bus und Bahn oder andere nachhaltige Verkehrsmittel wie das Fahrrad zu bewegen? Mit dieser Kernfrage beschäftigt sich die Wissenschaftlerin Prof. Dr. Ulrike Reutter von der Bergischen Universität Wuppertal in ihrem Uni-Vortrag in Solingen und Remscheid.

Für Reutter ist klar: „Wir brauchen die Verkehrswende. Denn so wie bisher kann es nicht weitergehen. Wir verbauen uns unsere Städte durch den Autoverkehr.“ Dabei geht die studierte Raumplanerin selbst mit gutem Beispiel voran. Seit 1988 besitzen sie und ihr Mann kein eigenes Auto. Wenn Bus und Bahn allein nicht ausreichen, setzt sie auf Carsharing oder einen Mietwagen.

Und damit ist sie nicht allein. Denn Städte wie Hamburg oder Münster haben Haushalte ohne Auto schon länger als interessante Zielgruppe für sich entdeckt, für die speziell auf ihre Bedürfnisse zugeschnittene Wohnprojekte, etwa autofreie Quartiere in attraktiver Lage, entwickelt werden. Weitere Flächenversiegelung für den Bau von Parkplätzen wird dann überflüssig.

Wie kann die Belastung durch Autos reduziert werden?

„Solche Vorhaben sind im Bestand natürlich sehr viel schwieriger umzusetzen als bei Neubauprojekten, aber es gibt sie“, weiß Reutter. Dennoch gebe es auch vielfältige Möglichkeiten, auch im Bestand die Belastung durch Autos zu reduzieren – beispielsweise durch verkehrsberuhigte Zonen und die Einschränkung von Parken auf dem Gehweg.

Und doch tun auch die Städte im Bergischen sich schwer, nachhaltige Mobilitätskonzepte umzusetzen, wenngleich vielerorts bereits ernsthafte Bemühungen zu erkennen sind. So werden im Rheinisch-Bergischen Kreis, unter anderem in Wermelskirchen und Burscheid, schon erfolgreich Mobilstationen betrieben.

Dabei handelt es sich um eine Erweiterung der Park-and-Ride-Idee, so dass es an einem Haltepunkt des Schienenpersonennahverkehrs unterschiedliche Mobilitätsangebote von Car- oder Bike-Sharing bis hin zu E-Scooter-Verleih gibt.

Auch dass sogenannte On-Demand-Dienste wie Taxibusse – diese bieten in Solingen beispielsweise die Stadtwerke an – schon länger etabliert sind und nur auf Bestellung festgelegte Routen bedienen, sieht Ulrike Reutter in diesem Konzept als sinnvolle Ergänzung. „Trotz der Bemühungen vieler Städte ist die fehlende Infrastruktur noch ein Hemmschuh“, stellt die Forscherin fest. „Wenn ich mir beispielsweise ein teures Pedelec zugelegt habe und nur einen Fahrradbügel vorfinde, bringt mich das nicht weiter. Dann brauche ich schon eine sichere und gut zugängliche Abstellmöglichkeit, zum Beispiel in einer Quartiers-Fahrradgarage.“

In die Verkehrswende muss investiert werden.

Prof. Ulrike Reutter fordert politischen Willen

Dies sei vor allem auch eine Frage des politischen Willens und der richtigen Prioritäten. Deshalb ist für Ulrike Reutter klar: „In die Verkehrswende muss entsprechend investiert werden. Denn der Autoverkehr hat sehr viel kostenintensivere Folgen wie die Schadstoffbelastung der Luft, Lärm, Flächenverbrauch und das Megathema Klimaschutz. Das ist seit über 40 Jahren bekannt.“

Mit Blick auf eine möglichst autofreie Innenstadt sollten Städte Reutter zufolge möglichst auf sogenannte Push-and-Pull-Maßnahmen setzen – also solche, die das Auto als Verkehrsmittel unattraktiv und nachhaltige Verkehrsmittel attraktiv machen. Anderenfalls drohe eine Entwertung der Stadträume.

Die hitzige Debatte um Autoverkehr in der Innenstadt und die Argumente der Gegenseite, dass die Nutzung des Autos zu Unrecht erschwert wird, sind Ulrike Reutter durchaus bewusst.

Gleichzeitig sieht sie angesichts von immer breiter werdenden Fahrzeugen, die viel öffentlichen Raum für sich beanspruchen, auch die Rechte anderer Verkehrsteilnehmer beschnitten und fragt: „Wer nimmt sich eigentlich die Freiheit, die Rechte der anderen immer weiter einzuschränken?“

Diese und andere Fragen rund um die Verkehrswende stehen im Mittelpunkt ihres Uni-Vortrags, für den Ulrike Reutter auf reges Interesse hofft.

Reihe:

Format: Der Uni-Vortrag ist eine gemeinsame Vortragsreihe von Solinger Tageblatt, Remscheider Generalanzeiger und der Bergischen Universität Wuppertal.

Termine: Der Vortrag mit Prof. Dr. Ulrike Reutter findet in Solingen am Montag, 17. April, 19 Uhr, im Gründer- und Technologiezentrum, Grünewalder Straße 29-31 sowie in Remscheid am Mittwoch, 10. Mai, 19 Uhr in der Klosterkirche Lennep, Klostergasse 8, statt. Eintritt frei.

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