Verkehr
Verwirrung um Ausbaupläne für A 3
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Der achtspurige Ausbau der Autobahn könnte beschleunigt werden – ob das auch für eine Standstreifenlösung gilt, ist unklar.
Von Björn Boch
Solingen. Kommt der Ausbau der Autobahn 3 zwischen Leverkusen und Hilden nun schneller als gedacht? Darüber herrscht aktuell nicht einmal im Landesverkehrsministerium Klarheit. Denn während das Projekt „achtspuriger Ausbau“ in einer Anfrage des Bundesverkehrsministers Volker Wissing (FDP) an das Land für das sogenannte Genehmigungsbeschleunigungsgesetz noch enthalten ist, fehlt es in einem vorläufigen Entwurf der Bundesregierung zu eben diesem Gesetz. Beide Dokumente liegen unserer Redaktion vor.
Wie mehrfach berichtet, soll der Autobahnabschnitt zur Engpass-Beseitigung auf acht Spuren ausgebaut werden – so steht es im Bundesverkehrswegeplan (BVWP) 2030. Unter anderem Solingen und Langenfeld sowie der Kreis Mettmann wollen das nicht. Sie bevorzugen eine dauerhafte Standstreifennutzung mit verkehrsabhängiger Freigabe als vierte Fahrbahn – aus Kosten- und Umweltschutzgründen.
Der Ausbau der rund 20 Kilometer langen Strecke soll laut BVWP 285,9 Millionen Euro kosten. Die Standstreifenlösung wäre mit rund 60 Millionen Euro wesentlich günstiger zu haben, wie der Solinger Bundestagsabgeordnete Ingo Schäfer (SPD) betont.
Landesverkehrsminister findet Standstreifenidee „zielführend“
Aus dem Landesverkehrsministerium von Oliver Krischer (Grüne) gibt es grundsätzliche Kritik an der Liste zu beschleunigender Vorhaben: „Das Kriterium des vordringlichen Bedarfs ist nicht schlüssig angewandt worden“, heißt es in einem Schreiben von Krischer an den Amtskollegen im Bund, Volker Wissing. Außerdem müssten – schon aus Gründen der Rechtssicherheit – „die Interessen der Betroffenen und der Schutz von Natur und Umwelt sowie des Klimas“ berücksichtigt werden. Die A 3 zum Beispiel grenzt an das Naturschutzgebiet Ohligser Heide.
Zudem ist laut Krischer „nach wie vor unklar, worin genau die Beschleunigung im Einzelnen besteht“. An dieser Stelle des Schreibens nach Berlin wird die A 3 auch explizit genannt. Den Vorschlag Solingens und anderer, den Standstreifen zu ertüchtigen, bezeichnet Krischer als „zielführend“ – und fragt, ob nicht dieser Vorschlag bei der Planungsbeschleunigung in Anspruch genommen werden könne statt des achtspurigen Ausbaus.
Dann gebe es auch Klarheit für wichtige Brückensanierungen. Bei einem achtstreifigen Ausbau dagegen müssten Brücken neu gebaut werden. Angesichts der Vielzahl maroder Brücken in NRW fordert Krischer die „klare Priorität: Erhalt vor Neubau“. Bis Ende voriger Woche war beim Landesverkehrsministerium noch keine Antwort des Bundes „auf unsere Einwände etwa zu den A3-Planungen“ eingegangen, erklärte ein Sprecher. Das Bundesverkehrsministerium wiederum teilte am Montag mit, Fragen des Tageblatts rund um den Ausbau der A 3 „schnellstmöglich“ zu beantworten.
Unklare Konsequenz bei Verzicht auf den achtspurigen Ausbau
Der Abgeordnete Ingo Schäfer fordert, sich auf die Standstreifennutzung festzulegen und den achtspurigen Ausbau aus dem Verkehrswegeplan zu streichen. „Die Zeiten haben sich geändert. Wir müssen Umweltschutz ernst nehmen, die Standstreifenlösung ist schneller und preiswerter.“ Spreche die Region mit einer Stimme, so Schäfer, gebe es durchaus Chancen, den BVWP entsprechend zu ändern.
Stattdessen sieht Schäfer Risse in der bislang aus seiner Sicht einheitlichen Linie der Region gegen den achtspurigen Ausbau, insbesondere bei der CDU – und fürchtet, dass der achtspurige Ausbau kommt, sofern er nicht ausgeschlossen wird. Etwa, um Geld für den „Zwischenschritt“ Standstreifenlösung zu sparen.
Sebastian Haug sieht das anders: „Wenn wir den Ausbau ausschließen, fürchte ich, dass wir gar nichts bekommen“, so der CDU-Landtagsabgeordnete, an dessen Wahlkreis die Autobahn grenzt. Dass sich etwas auf der A 3 tun müsse, da seien sich fast alle einig. Haug werde sich in einem ersten Schritt dafür einsetzen, die Standstreifenlösung samt Nothaltebuchten zu beschleunigen.
Jürgen Hardt (CDU), der wie Schäfer für Solingen im Bundestag sitzt, erklärt, dass er die Temporäre Seitenstreifenfreigabe (TSF) als vierte Fahrbahn samt einer Ertüchtigung des Schallschutzes weiter unterstütze. „Allerdings möchte ich den achtspurigen Ausbau der A 3 ausdrücklich nicht ausschließen und weiter im Bundesverkehrswegeplan verfolgen, denn wir können nicht sicher sein, dass die TSF die notwendige Entlastung gewährleistet“. Die TSF sei eine „vorübergehende, keine alternative Maßnahme“.
Standstreifen
Kritiker der Standstreifenlösung und die Autobahn GmbH erklären, dass eine Standstreifenlösung nur in Ausnahmefällen und als Übergang zum Ausbau zulässig sei. Laut CDU-Politiker Sebastian Haug fuße das aber auf einem 20 Jahre alten Rundschreiben. „Das ist kein Gesetz. Da lässt sich sicher etwas machen.“
Kommentar von Björn Boch: Beschleunigte Spannung
Befürworter eines Autobahnausbaus führen gerne die Bedürfnisse „der Wirtschaft“ ins Feld. Im Fall der A 3 allerdings rät selbst die Industrie- und Handelskammer davon ab, achtspurig auszubauen. Das dauere zu lange, sei sehr teuer – und „null innovativ“, wie IHK-Präsident Henner Pasch im August 2022 im Tageblatt diagnostizierte. Zumal eher marode Brücken und lange Umwege aktuell für Unmut sorgen.
Ja, es scheint wie aus der Zeit gefallen, laut Planungen fast 300 Millionen Euro auszugeben (sicher sind es längst mehr), um 20 Autobahnkilometer direkt am Naturschutzgebiet auszubauen. Eine Alternative scheint mit verkehrsabhängiger Standstreifennutzung gefunden – ergänzend mit einem zeitweisen Tempolimit, wenn ohnehin viel Verkehr ist? Stichwort: digitale Verkehrssteuerung. An der Umsetzung scheint es aber zu hapern, weil etwas anderes in einem Bundesplan steht. Etwas, das die Kommunen vor Ort nicht mehr wollen.
Seien wir gespannt auf die „beschleunigten“ Pläne aus Berlin.