Fachkräftemangel auch in Solingen
Nachfolger gefunden - Auf sie kommt es bei der Energiewende an
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Martin Beu hat einen Nachfolger für seinen Sanitärbetrieb gefunden – manchem Kollegen gelingt das nicht.
Von Manuel Böhnke
Solingen. 2019 schien alles klar. Martin Beu dachte, einen Käufer für seinen Sanitärfachbetrieb gefunden zu haben. Dann geriet sein Unternehmen ins Visier von Cyberkriminellen, verlor alle Daten – und damit seine Attraktivität für den Übernahmeinteressenten. Heute blickt der 64-Jährige ohne Gram auf diese Zeit zurück. Es hat sich eine aus seiner Sicht bessere Lösung ergeben: Seit einigen Monaten führt Florian Hafer die Martin Beu GmbH. „Ich habe jemanden gefunden, der den Job genauso lebt wie ich“, sagt der Gründer.
Auch der neue Chef ist zufrieden. „Ich wollte immer einen eigenen Betrieb haben“, erklärt der 33-Jährige. 2019 machte er deshalb seinen Meister. Martin Beu und er kennen einander privat, bei einem zufälligen Treffen kamen sie über die Möglichkeit einer Zusammenarbeit ins Gespräch. 2020 startete Hafer zunächst als angestellter Monteur, übernahm wenig später wegen einer Handverletzung größere administrative Verantwortung. „Da wurde mir klar, dass ich meine Zukunft eher im Büro sehe.“
Im Herbst 2020 begannen die Gespräche über die Zukunft des Betriebs. Knapp zwei Jahre später war der Schritt vollzogen. Eine Win-win-Situation findet Florian Hafer: „Sich als Einzelkämpfer selbstständig zu machen, ist kein Zuckerschlecken.“ So konnte er eine etablierte Firma mit 13 Beschäftigten übernehmen. Martin Beu ist es im Gegenzug gelungen, das 1985 von ihm gegründete Unternehmen zu erhalten. An zwei Tagen pro Woche unterstützt er das Team weiterhin.
„Wir haben Perspektiven ohne Ende.“
Einigen seiner Kollegen ist das nicht vergönnt. „Viele Firmen finden keine Nachfolger“, bestätigt Dirk Leinen. Dafür sieht der Obermeister der SHK-Innung (Sanitär, Heizung, Klima) zwei wesentliche Gründe. Zum einen kümmern sich einige Firmen nicht früh genug um das Thema. Auf der anderen Seite fürchten seiner Beobachtung nach viele junge Menschen den Schritt in die Selbstständigkeit.
Die Situation könnte sich in den kommenden Jahren zuspitzen. Der Handwerkskammer Düsseldorf sind in ihrem Zuständigkeitsbereich knapp 4500 Betriebe bekannt, deren Inhaber 65 Jahre oder älter sind. In Solingen sind es fast 150. Ob es eine Nachfolgeregelung gibt, sei von mehreren Faktoren abhängig: „Gut aufgestellte Betriebe, die frühzeitig mit der Nachfolgesuche beginnen, und weiterhin investieren, haben auch gute Chancen die Unternehmensübergabe erfolgreich zu meistern.“
Martin Beu hat das beherzigt. 2009 zog seine Firma an die Schwertstraße. Die rund 1000 Quadratmeter große Immobilie bietet viel Lagerfläche – ein Vorteil in Zeiten von Materialengpässen. Das Gebäude ist modern, es gibt eine kleine Heizungs- und eine größere Badausstellung. Wöchentlich wird die Belegschaft geschult. Mit Angeboten wie Vier-Tage-Woche, betriebliche Altersvorsorge und Firmenevents möchte sich die Martin Beu GmbH als attraktiver Arbeitgeber präsentieren. Offenbar mit Erfolg: In der Regel stellt das Unternehmen jährlich zwei neue Auszubildende ein, Bewerber gebe es genug.
Den Nachwuchs sieht die Handwerkskammer als Schlüsselfaktor, damit nicht immer mehr Betriebe mangels Nachfolge schließen. Da bildet der SHK-Bereich – „eine der dynamischsten Branchen des Handwerks“ – keine Ausnahme.
Er leidet wie viele Gewerke unter dem Fachkräftemangel. Doch der Trend scheint positiv: Im Heizungsbau sei die Ausbildungszahl in den vergangenen zehn Jahren um rund 25 Prozent gestiegen. Mit einer Verzögerung von etwa einem Jahrzehnt verbessere das die Chancen, Betriebsnachfolger zu finden. Aber: „Der Aufwuchs beim Nachwuchs reicht definitiv noch nicht aus, den Bedarf an Unternehmensnachfolgern zu decken.“
Dirk Leinen bedauert, dass nicht mehr junge Menschen den Weg ins Handwerk finden. „Wir haben Perspektiven ohne Ende“, betont der Obermeister. Dabei denkt er etwa an die Energiewende. Um die umzusetzen, brauche es frische Kräfte. Sie zu gewinnen und zu binden, müsse die Kernaufgabe in den kommenden Jahren sein. Vergrößert sich im SHK-Bereich und anderen gebäudenahen Gewerken die Nachfolge-Lücke, befürchtet die Handwerkskammer „gravierende Folgen für das Tempo der Klimawende“. Eine wachsende Nachfrage stünde einem schrumpfenden Angebot gegenüber.
Dass der Bedarf hoch ist, spüren Florian Hafer und Martin Beu. Einerseits sei eine Torschlusspanik wegen des möglichen Verbots neuer Öl- und Gasheizungen feststellbar. Gleichzeitig werden Wärmepumpen immer beliebter. Verstärkt setzt das Unternehmen zudem auf Photovoltaik. Der Weg zu klimafreundlichen Technologien scheint unumkehrbar. Doch er könnte steinig werden: Sowohl Material als auch Manpower sind knapp.
Beratung
Wie viele Betriebe in den kommenden Jahren mangels Nachfolge verloren gehen könnten, vermag die Handwerkskammer Düsseldorf nicht prognostizieren. Damit die Zahl möglichst gering bleibt, berät sie sowohl Inhaber, die ihr Unternehmen abgeben möchten, als auch Übernahmeinteressierte.
www.hwk-duesseldorf.de/betriebsberatung
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