Erlebnisbericht
Nach Feierabend von der A3 zum Grünewald: Wie läuft der Verkehr in Solingen?
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ST-Redakteur Thomas Rademacher testet unfreiwillig Solingens Autobahnanbindung im späten Feierabendverkehr.
Von Thomas Rademacher
Solingen. Auf vier Fahrstreifen pro Richtung soll die Autobahn 3 (A3) zwischen Leverkusen und Hilden ausgebaut werden – oder auch nicht, zumal die Kommunen es bevorzugen würden, die Standstreifen als jeweils vierte Spur zu nutzen. Egal, wie die Diskussion letztlich ausgeht, das Ziel ist klar: Mittelfristig sollen Staus dort vermieden werden. Autofahrer, die in den Stoßzeiten zwischen Solingen und anderen Städten unterwegs sein müssen, dürfte dieses Thema aktuell allerdings kaum beschäftigen. Sie stauen sich in schöner Regelmäßigkeit aus der Klingenstadt heraus – oder eben in sie hinein. Welch starke Nerven dafür benötigt sind, habe ich unfreiwillig getestet.
Es ist exakt 17.46 Uhr an einem Dienstagabend, als ich auf der Rückfahrt aus Köln die Ausfahrt Solingen erreiche. Die Fahrt war bisher weitgehend ereignislos, doch dann deutet sich an, dass Geduld gefragt ist. Der vor einiger Zeit verlängerte Fahrstreifen zum Abfahren ist proppevoll. Logisch könnte ich mich unbeliebt machen, an einer Menge Fahrzeuge vorbeifahren, um mich vorne hineinzuquetschen. Dreistheit siegt ja bekanntlich oft. Es bleibt aber bei der unverfrorenen Idee, und ich stelle mich hinten an. „So lange wird es schon nicht dauern“, denke ich, als ein Anruf meiner Frau hereinkommt. Ob ich noch kurz in der Apotheke am Grünewald ein Medikament abholen könne. Ja, es muss genau dort sein, da die Arztpraxis das nötige Rezept genau da hinterlegt hat.
Ausfahrt Solingen: Noch 42 Minuten bis die Apotheke schließt
Kein Problem, ich habe 44, na gut jetzt vielleicht nur noch 42 Minuten Zeit, um diese Mission zu erfüllen. Sollte man jedenfalls meinen. Immer mal wieder geht es ein paar Meter weiter nach vorne, doch schon das Erreichen der eigentlichen Ausfahrt zieht sich. Hin und wieder rauschen Fahrzeuge vorbei, um sich in letzter Sekunde noch hereinzudrängeln. Das ärgert schon ein bisschen – noch sehe ich’s sportlich.
Abbiegen auf die B229: Noch 28 Minuten bis der ST-Redakteur in Grünwald sein muss
Um kurz vor 6 kann ich die Ampel endlich sehen. Rechts geht es nach Langenfeld, links – und da wollen gefühlt alle hin – Richtung Solingen. Der nächste kühne Plan schießt mir durch den Kopf. Einfach rechts abbiegen und drehen – das sollte schneller gehen. Sinn der Sache ist es freilich nicht, außerdem ist die Wendung sicher mühselig. Die fünf Minuten habe ich auch noch. Um 18.02 Uhr biege ich einigermaßen zufrieden auf die Bundesstraße 229 ein.
Es geht zähfließend, aber recht akzeptabel weiter am Gravenberg vorbei. An der Ampel hinter dem Sportpark Landwehr stehen auch nicht furchterregend viele Fahrzeuge. Grünewald ist im Normalfall vielleicht eine Viertelstunde entfernt. Gegen 18 Uhr scheint das allerdings nicht zu gelten. Schon kurz hinter der Kurve in der Landwehrstraße Richtung Aufderhöhe hinauf ist die nächste stehende Autokolonne. Langsam, aber sicher sinkt meine Zuversicht, die Apotheke bis 18.30 Uhr zu erreichen.
Lohnt es sich, zu drehen, um es über die Ohligser Straße Richtung Bonner Straße zu versuchen? Eigentlich ist das ein großer Umweg, und man weiß ja auch nicht, wie viel da gerade los ist. Also staue ich mich den Berg hinauf und entscheide kurz vor Bethanien, dass es keinen Sinn mehr ergibt, die Fahrt Richtung Apotheke fortzusetzen. Ich muss gestehen: Der eine oder andere Fluch ist mir bis dahin über die Lippen gekommen, der Puls ist hochgefahren.
Ankunft bei der Apotheke: Hat Thomas Rademacher es rechtzeitig geschafft?
Eine letzte Chance gebe ich mir. Da das Medikament wichtig ist, versuche ich es mit einem Anruf in der Apotheke. Vielleicht sind sie ja sowieso noch ein paar Minuten länger da? Ich schildere vorsichtig meine Situation, während ich denke, dass ich vermutlich einer von 100 Kunden bin, die in diesem Monat nach irgendeiner Extra-Wurst fragen. Begeisterung schwingt mir am Telefon verständlicherweise nicht entgegen, aber ich dürfe noch klingeln.
Damit ist zumindest der ganz große Druck aus der Situation entwichen. Der Zorn über die Verkehrslage bleibt trotzdem. Besser wird es erst nach der Ampelkreuzung Aufderhöher Straße / Löhdorfer Straße. So habe ich am Ende des Tages doch noch Glück, als ich um 18.34 Uhr – durch Höhscheid ging es überraschend zügig – auf den Parkplatz einbiege.
Doch auch mit Ruhepuls stelle ich mir die Frage: „Gibt es Menschen, die das täglich mitmachen müssen? Lernt man, mit solch immensen Verzögerungen als Solinger entspannt umzugehen? Oder hatte ich vielleicht einfach nur Pech?“ Unwahrscheinlich. Wie ich erfahren habe, soll morgens der umgekehrte Weg Richtung Autobahn ähnlicher Natur sein. Am eigenen Leib herausfinden will ich es nicht. Dieses Schneckenrennen bleibt sicher noch für eine Weile im Gedächtnis.