Einsatz
Reichsbürger: Polizei stellt zahlreiche Waffen sicher
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Das Spezialeinsatzkommando rückte am frühen Mittwochmorgen an: Razzien gab es in Aufderhöhe und in der Solinger Innenstadt.
Von Hans-Peter Meurer
Die Polizei hat gestern die Wohnungen von zwei sogenannten Reichsbürgern in Solingen gestürmt und zahlreiche Lang- und Kurzwaffen sowie Munition und Schwarzpulver sichergestellt. Die 40 und 57 Jahre alten Männer aus Aufderhöhe und der Innenstadt sind Sportschützen und besaßen die Waffen bislang legal. Die Aktion und Sicherstellung der Waffen sei Teil eines verwaltungsrechtlichen Verfahrens, sagte Polizeisprecher Christian Wirtz.
Bei den Durchsuchungen wurden in den Wohnungen zwölf Langwaffen, neun Kurzwaffen, drei Luftdruckwaffen, eine Halbautomatikwaffe sowie mehrere erlaubnisfreie Waffen (Speer, Machete, Gaspistolen, Messer, Dolche, Pfefferspray), über 20.000 Schuss Munition und zahlreiches Zubehör zum Fertigen weiterer Munition beschlagnahmt.
Der Zugriff der Kräfte des Düsseldorfer Spezialeinsatzkommandos (SEK) und der Wuppertaler Bereitschaftspolizei erfolgte parallel am frühen Morgen gegen 6 Uhr: Schwer bewaffnete SEK-Beamte brachen gewaltsam die Wohnungstüren der beiden Männer an der Steinendorfer Straße in Aufderhöhe sowie an der Kirchstraße in der Solinger Innenstadt auf. Anwohner und Nachbarn wurden durch die laute Detonation von Blendgranaten aus dem Schlaf gerissen. Die beiden Männer konnten ohne Gegenwehr festgesetzt werden, so dass die vom Amtsgericht Solingen genehmigte Durchsuchung der Wohn- und Kellerräume durch Kripobeamte vollzogen werden konnte. Der Einsatz, an dem über 80 Beamte beteiligt waren, endete um 12.10 Uhr.
Zweifel an der persönlichen Eignung der Männer zum Besitz von Waffen
Beide Solinger sind der Verfassungsschutzbehörde als Reichsbürger bekannt. Sie hätten in der Vergangenheit bereits mehrfach Pamphlete verteilt, sagte Polizeisprecher Wirtz. „Bei der Durchsicht der Kartei der gemeldeten Waffenbesitzer sind uns dann diese Sportschützen aufgefallen.“
Die Kreispolizeibehörde habe wegen der offensichtlichen Gesinnung erhebliche Zweifel an der persönlichen Eignung der Männer zum Besitz von Waffen gehabt. Sie seien mit einem Anhörungsbogen angeschrieben worden. „Die beiden Männer haben jedoch mit der bei Reichsbürgern üblichen Ablehnung behördlicher Anordnungen reagiert.“ Darum habe man sich schließlich aus Gründen der Gefahrenabwehr für eine Durchsuchung und die Sicherstellung der Waffen entschieden. Die Reichsbürgerbewegung ist durch die tödlichen Schüsse eines Nürnbergers auf einen SEK-Beamten vor knapp drei Wochen in die Schlagzeilen geraten. Ein Reichsbürger hatte den Beamten bei einer Razzia trotz einer Schussweste tödlich getroffen. Ein weiterer Polizist wurde bei dem Einsatz schwer, zwei Beamte leicht verletzt. Die Polizei wollte dem Reichsbürger seine 31 Waffen abnehmen, weil er bei den Behörden als nicht mehr zuverlässig galt.
Reichsbürger erkennen die Legitimität der Bundesrepublik nicht an. Die Bewegung umfasst bundesweit mehrere Gruppen von Verschwörungstheoretikern und Rechtsextremen, die sich selbst als Reichsbürger, „Staatsangehörige des Freistaates Preußen“ oder als „Natürliche Personen“ bezeichnen. Die „Reichsbürger“ glauben an das Fortbestehen des Deutschen Reiches.
In Aufderhöhe und Höhscheid sind mehrfach Flugblätter aufgetaucht
Die Bewegung entstand in den 1980er Jahren und tritt seit 2010 verstärkt auch in Solingen in Erscheinung. Die Mitglieder sind laut Innenministerium bestens vernetzt. Vor allem in Aufderhöhe und Höhscheid sind in den vergangenen zwei Jahren mehrfach Flugblätter und Aufkleber der Bewegung aufgetaucht. Laut Verfassungsschutz gibt es auch Treffen, die meist in Hinterzimmern von Gaststätten oder Privatwohnungen stattfinden. Die Polizei geht von einem knappen Dutzend Reichsbürger im bergischen Städtedreieck aus. Sie weisen sich mit einem „Europa-Ausweis“ des Deutschen Reiches aus, der nicht von den bundesdeutschen Behörden anerkannt ist und dessen Gebrauch juristisch verfolgt wird.
Polizeipräsidentin Birgitta Radermacher sagte nach dem Einsatz: „Der Besitz dieser Menge und die Qualität der Waffen und der Munition lassen sich auch durch sogenannte Sportschützen nicht begründen. Ich bin sicher, dass wir Schlimmeres verhindert haben.“
REICHSBÜRGER
IDEOLOGIE Reichsbürger lehnen grundsätzlich die Demokratie ab und leugnen häufig auch den Holocaust. Anhänger behaupten, das Deutsche Reich aus den Grenzen von 1937 bestehe fort. Sie lehnen daher auch die Bundesrepublik Deutschland ab. Sie sei juristisch nicht existent. Sie erkennen Bescheide und Erlasse von staatlichen oder kommunalen Behörden nicht an. Das gilt auch für Finanzbehörden. Sie lehnen auch einen Ausweis oder Reisepass der Bundesrepublik Deutschland ab.