Landgericht
„Physikalisch unmöglich“: Anwalt bezweifelt Gewaltvorwürfe
Aktualisiert:
- 0 Kommentare
-
Feedback
schließen
- Weitere
Im Vergewaltigungsprozess vor dem Landgericht sollen zusätzliche Gutachten erstellt werden.
Von Dirk Lotze
Solingen. Zusätzliche Gutachten sollen in einem Strafprozess um Gewalt und Vergewaltigung in Solingen den Angeklagten (34) entlasten. Im Landgericht Wuppertal erklärte der Anwalt des Mannes, zwei der Vorwürfe gegen seinen Mandanten seien „physikalisch unmöglich“. Der Mann habe bei seiner allgemein sportlichen aber nicht athletischen Konstitution seine ehemalige Freundin (26) nicht in der Weise misshandeln können, wie es die Anklage beschreibt.
Der 34-Jährige schweigt im Verfahren. Thema sind Geschehnisse aus der Zeit des Paares: 2016. Dabei lautet der Hauptvorwurf auf Vergewaltigung der Frau in ihrem Zimmer im September 2016 im Haus ihrer Eltern. Das Paar habe zuvor gestritten. Laut Angaben der Frau hatte sie dem Angeklagten in der Nacht zuvor Handy-Nachrichten geschickt, als wolle sie sich bei einer Escort-Agentur als Prostituierte bewerben. Der Angeklagte sei außer sich gewesen, habe sie unflätig beschimpft. Dann habe er sie festgehalten und den Geschlechtsverkehr an ihr vollzogen.
Die Mutter der Frau hat ausgesagt, sie sei durch Hilfeschreie ihrer Tochter alarmiert worden: Sie habe mit Fäusten an die Zimmertür gehämmert. Darauf soll der Angeklagte den Raum verlassen und gesagt haben: Er habe „nichts gemacht“. Zur Anzeige kam es in der folgenden Nacht.
Vier Monate zuvor soll der Angeklagte die damalige Freundin in einer Diskothek am Hals gepackt und mit einer Hand an einer Wand hochgedrückt haben. Unmöglich, laut Verteidiger, ebenso wie ein weiterer Vorwurf: Der Mann habe seine Freundin im Streit vom Beifahrersitz des Autos bei offener Tür „auf die Straße getreten“ – und dann an den Haaren auf den Gehsteig geschleift. Dazu soll laut Verteidigung ein Sachverständiger aussagen.
Video zeigt Streit zwischen Angeklagtem und Ex-Freundin
Die Besonderheit im Ablauf des Geschehens: Die Tritte im Auto sollen sich nach dem gewaltsamen, sexuellen Übergriff im Elternhaus ereignet haben, ebenso wie zwei weitere der insgesamt fünf Anklagepunkte. Das Paar soll trotz laufender Vergewaltigungsermittlungen gemeinsam im Karneval und auf einem Weihnachtsmarkt unterwegs gewesen sein; bei einer Gelegenheit hätten sie gemeinsam ein Hotelzimmer bezogen. Einer Aussage der Frau zufolge gab es während der Beziehung mehrfach Trennungen. Ihre Mutter sagte aus, der Angeklagte habe versprochen, sich wegen Aggressionen behandeln zu lassen. Ihre Tochter habe sich um Termine für ihn bemüht.
Der Anwalt des Mannes reichte im Gericht kurze Videos seines Mandanten ein: eine Szene einer ausgelassenen Geburtstagsfeier der Frau 2017; dann Bilder – angeblich aus 2016 – bei der sie in einer Tiefgarage im Karnevalskostüm vor ihm posiert. Dazu kam eine ungewöhnliche Aufnahme, womöglich vom Tag der Geschehnisse am Auto: Die Frau sitzt weinend auf dem Beifahrersitz und macht ihm Vorhaltungen. Zeitweise scheint das aufnehmende Handy auf dem Rücksitz gelegen zu haben. Unklar blieb, warum der Mann während eines Streits mit seiner Freundin dieses Video ausgelöst hat. Weder er noch sein Anwalt machten dazu Angaben. Das Gericht will am 9. Mai 2022 weiter verhandeln.