500 Jahre Reformation

Pfarrer interviewt Fernsehdirektor Schönenborn

Journalist Jörg Schönenborn schlüpfte in eine ungewohnte Rolle: Statt selber zu interviewen, wurde er von Pfarrer Hildebrand Proell befragt. Viele Besucher waren in die evangelische Kirche gekommen. Foto: Christian Beier
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Journalist Jörg Schönenborn schlüpfte in eine ungewohnte Rolle: Statt selber zu interviewen, wurde er von Pfarrer Hildebrand Proell befragt. Viele Besucher waren in die evangelische Kirche gekommen.

Journalist Jörg Schönenborn hielt die Kanzelrede in der evangelischen Kirche Merscheid. Thema: Braucht es eine neue Reformation?

Von Manuel Böhnke

2017 feiert die Evangelische Kirche 500 Jahre Reformation. Als Jörg Schönenborn vor einigen Wochen in den USA weilte, erzählte ihm ein Wissenschaftler und Experte für Digitalisierung: „Die Reformation kommt erst noch.“ Am Sonntag sprach der Fernsehjournalist in der gut besetzten evangelischen Kirche Merscheid über den digitalen und gesellschaftlichen Wandel. Unter der Überschrift „Alles neu? Alles anders? Aber wie?“ hatte der Evangelische Kirchenkreis den gebürtigen Solinger eingeladen, um der Frage nachzugehen, ob es im 21. Jahrhundert eine neuerliche Reformation brauche.

Der 52-Jährige schlüpfte dabei in eine ungewohnte Rolle. Statt selber zu interviewen, wurde er von Pfarrer Hildebrand Proell mit Fragen gelöchert. Das lockere Gespräch ersetzte die Predigt und sorgte immer wieder für Lacher. Zum Beispiel, als der katholische Schönenborn feststellte, dass katholische Gotteshäuser „schon prächtiger sind“.

JÖRG SCHÖNENBORN 

LEBEN Der in Solingen geborene Journalist machte sein Abitur am Humboldtgymnasium. Erste journalistische Erfahrungen sammelte er beim Solinger Tageblatt. Nach seinem Studium an der Universität Dortmund begann er für den Westdeutschen Rundfunk (WDR) zu arbeiten. Seit 1999 ist er für die Wahlberichterstattung der ARD zuständig. Drei Jahre später wurde er WDR-Chefredakteur. Der Moderator des Presseclubs besetzt seit 2014 die Stelle des WDR-Fernsehdirektors.

Obwohl der Begriff Reformation in seiner Konfession keine Rolle spiele, sei er sich der großen Bedeutung des Jubiläums für Protestanten bewusst. Die Einladung zu diesem Thema ehre ihn, betonte der WDR-Fernsehdirektor. Insbesondere die schnelle Entwicklung der digitalen Welt sieht er als Zeitenwende: „Dinge haben sich noch nie so rasant verändert – im Alltag wird uns das gar nicht bewusst.“ Oft führe diese Veränderung bei einzelnen Menschen zu Angst und Ablehnung, da sie bei der Entwicklung nicht mitkommen. Politische Ereignisse wie der Brexit oder die Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten führt Schönenborn auf den Versuch zurück, den Wandel aufzuhalten. Für ihn könnte der Glauben bei der Lösung der Unsicherheit der Bürger eine Schlüsselrolle spielen: „Ich spüre, dass die jahrhundertealten Rituale stützen, ordnen und entspannen.“

Digitale Gottesdienste könnten ein Zukunftsmodell werden

Die Gotteshäuser könnten jedoch nicht nur ein Ort der Ruhe sein. Vielmehr böten sie sich zusätzlich als Diskursarena an, sagte Schönenborn, der seine ersten journalistischen Erfahrungen beim Solinger Tageblatt gesammelt hat. „Bei Streitthemen ist die Stimmung in der Politik zu vergiftet. Auf der Straße sprechen die Leute seltener miteinander. Die Kirchen genießen ein hohes Grundvertrauen und sind gesellschaftlich fest verwurzelt“, begründete er seine Hoffnung.

Hildebrand Proell und der Journalist sind sich einig, dass die Kirche nicht nur Antworten auf den gesellschaftlichen Wandel bietet. Vielmehr müsse sie selber mit der Zeit gehen und laut Proell „immer reformiert werden“. Die Vorstellung, digitale Gottesdienste zu feiern, sei zwar noch etwas futuristisch, könnte aber ein Modell für die Zukunft sein. Schönenborn, der selber regelmäßig eine Messe besucht, wünscht sich, dass die Kirchen die neuen Möglichkeiten des Internets nutzen, um auf Menschen zuzugehen: „Man muss immer dahin, wo die Menschen sind. Missionierung funktioniert heute über das Internet.“

Wenn es gelingt, durch die Kombination konventioneller und digitaler Elemente für Jung und Alt eine „Atmosphäre für Problemöffnung herzustellen“, könne es die Kirche im 21. Jahrhundert laut Jörg Schönenborn schaffen, in Zeiten des Wandels ihre gesellschaftliche Rolle weiter wahrzunehmen.

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