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Kunstverein präsentiert Live-Stream zum Gedenken an Kriegsende in Solingen
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Der Solinger Kunstverein präsentierte zum Gedenken an das Kriegsende in Solingen einen Live-Stream mit Text, Klang und Malerei.
Von Jutta Schreiber-Lenz
Solingen. Einen kurzen Moment hielt Daniela Baumann nach getaner Arbeit inne, um ihr Werk anzuschauen. Dann trat sie ab, drehte sich nach vorne zur Kamera und verschwand im Off. Eine knappe Stunde hatte sie mit Stiften gezeichnet, zuvor und immer mal wieder zwischendurch mit einem Quast grundiert und am Schluss Farbe über alles laufen lassen. Deren dunkle Linien krochen über das zuvor Geschaffene und ergänzten und vollendeten es. Schwarz-Weiß-Fotos von ehemaligen Widerstandskämpfern und Opfern des Nazi-Regimes hatten sie in ihrem Tun inspiriert. Anlass war das Gedenken an das Kriegsende in Solingen am 17. April 1945.
Die historischen Aufnahmen wurden überdimensional groß in der evangelischen Kirche in Gräfrath auf Leinwand projiziert. Mal zog die Künstlerin Konturen – zum Beispiel jeweils Kinn oder Ohrläppchen – nach, mal schienen die Linien ein Eigenleben zu entwickeln und wurden zu temperamentvollen und energiereichen Schwüngen.
Dazu erklang die sanfte und dennoch nachdrückliche Stimme von Claudia Gahrke, die aus dem Handbuch für amerikanische Soldaten vorlas, das 1944 den im „Feindesland“ befindlichen GIs ethisches Rüstzeug und klare Anweisungen gab, wie sie sich den besiegten Deutschen zu nähern hätten, mit Respekt und ohne Hass.
Sounddesigner Peter Schilske lieferte kontemplative Klänge im Hintergrund. Sie umhüllten Stimme und Malerei und fassten sie zu einem Ganzen zusammen.
Solingen: Sohn von Heinrich Böll verfolgte das Projekt online
„Der Krieg wird niemals zu Ende sein, solange noch eine Wunde blutet, die er geschlagen hat“: Dieser Satz von Heinrich Böll stand als Überschrift über dem vom Solinger Kunstverein initiierten und organisierten besonderen Projekt. Durch den Einmarsch der US-Armee in Solingen sei die Befreiung von „Nazi-Diktatur, Rassenwahn und menschenverachtender Ideologie“ vollzogen worden, wie Oberbürgermeister Tim Kurzbach es in seinem Grußwort ausdrückte, das dem künstlerischen Live-Stream aus der Kirche vorangestellt war.
Auch der Hausherr, Pfarrer Thomas Schorsch, und Christa Berger als Vorsitzende des Kunstvereins wiesen auf die Bedeutung des Kriegendes hin, das als Neubeginn von Freiheit zurecht gefeiert werde.
Andreas Schäfer schlug als Regisseur beziehungsweise Kurator in einer kurzen Einleitung den Bogen zwischen dem irlandbegeisterten Böll und der Künstlerin Daniela Baumann, die 2014 als „artist in residence“ im Heinrich Böll Cottage, Achill Island in Irland gewirkt hatte.
Eigentlich war die Aktion vor Publikum im öffentlichen Raum gedacht. Aus gegebenem Anlass musste kurzfristig ein neues Konzept entwickelt werden.
Während Daniela Baumann in der Kirche in die Foto-Projektionen malte, waren Gahrke und Schilske aus dem Zentrum für verfolgte Künste zugeschaltet und traten optisch als „kleine Bilder unten rechts“ in Erscheinung. Wie man am Bildschirm verfolgen konnte, schwankte die Zahl der zugeschalteten Interessenten ein wenig, pendelte sich aber bei gut 50 ein.
Die Kommentarfunktion kündete von echter Begeisterung der Zuschauer, unter ihnen offensichtlich auch Böll-Sohn René, der die gute und interessante Vorstellung“ und die „tollen Bilder“ lobte.
KUNSTVEREIN
GRÜNDUNG Der Solinger Kunstverein gründete sich im Jahr 1989. Zuletzt sorgte er mit dem „Lackballett“ von Oskar Schlemmer für Furore, das er zu seinem 30. Geburtstag auf die Bühne des Pina-Bausch-Saales holte.