Mein Leben als Papa

Papas Hörspiele passen nicht mehr in diese Zeit

Kassetten sind ein Produkt ihrer Zeit – genau wie die Hörspielgeschichten.
+
Kassetten sind ein Produkt ihrer Zeit – genau wie die Hörspielgeschichten.

ST-Redakteur Gunnar Freudenberg erklärt, warum die alten TKKG-Folgen nichts mehr für Hannes (7) und Michel (4) sind.

Dass in den alten TKKG-Folgen manches anders ist, fällt Hannes schnell auf. „Die rennen dauernd in Telefonzellen. Warum nehmen sie nicht einfach ihr Handy?“, fragt er mich. Ich erkläre ihm, dass die Hörspiele zum Teil schon mehr als 40 Jahre auf dem Buckel haben. „So wie ich. Und als ich klein war, gab es auch noch keine Handys“, führe ich aus und komme mir schrecklich alt vor.

Hannes und Michel lieben Hörspiele – genau wie ihre Eltern früher. Nach einem Abenteuer von Benjamin Blümchen oder Bibi Blocksberg kann Michel abends wunderbar einschlafen. Hannes zieht sich auch gerne nachmittags in sein Zimmer zurück und taucht ab in die Welt von TKKG oder den Drei ??? Kids. Hörspielreihen, die es auch in meiner Kindheit schon gab. Mamas und Papas alte Kassetten braucht es aber nicht mehr, alle Hörspiele können die Jungs auf ihrer Streamingbox abspielen.

Die meisten Experten sind sich einig, dass Hörspiele für Kinder erheblich mehr positive Aspekte zu bieten haben als Fernsehserien. Weil sie dazu anregen, eigene Bilder zu erschaffen, während das Gehirn darüber nachdenkt. So ganz allein lassen sollte man Kinder mit den Geschichten aber nicht. Zumindest nicht mit den älteren, an die ich mich nostalgisch-verklärt gerne erinnere. Das gilt vor allem für die Abenteuer der vier Teenager und Hobbydetektive Tim, Karl, Klößchen und Gaby von TKKG. Auf der Streamingbox sind die älteren Folgen im „TKKG Retro-Archiv“ angelegt. Vor jede Folge hat der Hörbuchverlag Europa einen Disclaimer gesetzt . „Dieses Hörspiel ist ein Produkt seiner Zeit, daher kann es diskriminierende Darstellungen enthalten, die in der Gesellschaft zu wenig infrage gestellt wurden“, heißt es darin.

Was das denn soll, will Hannes natürlich wissen. Möglichst kindgerecht versuche ich ihm zu erklären, dass früher Wörter benutzt wurden, die man heute nicht mehr verwenden darf. Weil sich andere dadurch schlecht fühlen. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass Tim wegen seiner italienischen Herkunft mal als „Spaghettifresser“ bezeichnet wurde. Das versteht Hannes.

Das Weltbild ist erzkonservativ und voll von Klischees

Was mir als Kind naturgemäß nie auffiel – und was Hannes auch noch gar nicht auffallen kann: Das Weltbild, das die vier Freunde bei TKKG früher vermittelten, ist erzkonservativ und voll von Klischees. Ausländer zum Beispiel stehen grundsätzlich und ohne Indizien unter Generalverdacht – und der bestätigt sich in aller Regel. Araber etwa sind öläugige Betrüger und heißen Schacha Ben Öli. In Folge 19, die von Europa aus dem Programm genommen wurde, sagt Karl einmal den Satz: „Mit Zigeunern haben wir nichts am Hut.“ Obdachlose werden als „Penner“ bezeichnet und von Kampfsportler und TKKG-Anführer Tim verprügelt. Über die Figur seines fülligeren Freundes Klößchen macht sich Tim gerne lustig. Dafür beschützt er seine brave Freundin Gaby, wenn es gefährlich wird: „Du kommst heute Abend nicht mit, du bist doch ein Mädchen.“

Alle Folgen von Mein Leben als Papa

Puh, da kommt ganz schön viel zusammen, was für mich nicht mehr in die heutige Zeit passt. Und diese Aufzählung könnte ich problemlos fortführen. „Würde ich alle Figuren mit einem differenzierten Innenleben ausstatten, würde ich die Leser überfordern“, hat der 2007 gestorbene Autor der Original-TKKG-Buchreihe, Ralf Kalmuczak, einmal in einem Interview erklärt. Mich überfordert es, meinem siebenjährigen Sohn in kindgerechten Worten zu erklären, was mich an den alten Folgen alles stört. Hannes mit diesem undifferenzierten Weltbild allein lassen, möchte ich jedenfalls nicht.

Die Retro-Folgen haben wir deshalb wieder von seiner Streamingbox entfernt. Die neuen Folgen, die zum Glück viel weltoffener sind, findet er eh besser. „Die sprechen da irgendwie cooler“, sagt Hannes. Und rennen nicht dauernd in Telefonzellen.

Der Disclaimer von Europa im Wortlaut

„Dieses Hörspiel wurde vor vielen Jahren entwickelt und aufgenommen. Es ist ein Produkt seiner Zeit, daher kann es diskriminierende Darstellungen enthalten, die in der Gesellschaft zu wenig infrage gestellt wurden. Jegliche Art von Diskriminierung ist damals wie heute falsch und passt nicht zu unserer heutigen Auffassung von einer vielfältigen und gleichberechtigten Gesellschaft. Wir haben uns dennoch entschlossen, das Hörspiel in seiner Originalfassung zu belassen und die kulturellen Versäumnisse der Vergangenheit nicht zu verbergen. Wir empfehlen, sich kritisch mit dem Thema Diskriminierung auseinanderzusetzen.“

„Mein Leben als Papa“ gibt es als Buch für 12,90 Euro in der RGA-Geschäftsstelle, im Handel und im Internet:bergisch-bestes.de

Unsere News per Mail

Nach der Registrierung erhalten Sie eine E-Mail mit einem Bestätigungslink. Erst mit Anklicken dieses Links ist die Anmeldung abgeschlossen. Ihre Einwilligung zum Erhalt des Newsletters können Sie jederzeit über einen Link am Ende jeder E-Mail widerrufen.

Die mit Stern (*) markierten Felder sind Pflichtfelder.

Meistgelesen

Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Ohligs: Der Parkplatz, auf dem fast niemand steht
Haus Müngsten startet in die Saison
Haus Müngsten startet in die Saison
Haus Müngsten startet in die Saison
Halfeshof will Jungen ein Zuhause geben
Halfeshof will Jungen ein Zuhause geben
Halfeshof will Jungen ein Zuhause geben
Spar- und Bauverein will weiter wachsen
Spar- und Bauverein will weiter wachsen
Spar- und Bauverein will weiter wachsen

Kommentare