Verfahren

Ohligser ISG zum Stillstand verdammt

ISG-Geschäftsführerin Gloria Göllmann mit den Immobilieneigentümern Jörg Bergmann (M.) und Dr. Teut-Achim Rust vom ehrenamtlichen Vorstand.
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ISG-Geschäftsführerin Gloria Göllmann mit den Immobilieneigentümern Jörg Bergmann (M.) und Dr. Teut-Achim Rust vom ehrenamtlichen Vorstand.

Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Ohligs ist seitens der Eigentümer vor Ort beschlossene Sache. Und doch herrscht Stillstand. Das ist der Grund.

Von Björn Boch

Solingen. Die Fortführung der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Ohligs ist seitens der Eigentümer vor Ort beschlossene Sache. Und doch herrscht Stillstand. Grund: Der Vertrag zwischen Stadtverwaltung und ISG ist nicht final ausgehandelt. Und die Politik muss einer Verlängerung der ISG zustimmen. „Unsere Liquidität ist gleich null. Wir sind ein Stück weit lahmgelegt“, bedauert Jörg Bergmann, ehrenamtlicher ISG-Vorstand und Inhaber des gleichnamigen Optikgeschäftes an der Düsseldorfer Straße.

Seit Anfang 2018 gibt es die Gemeinschaft im Ohligser Zentrum. Rund 90 Eigentümerinnen und Eigentümer von mehr als 70 Grundstücken haben sich gesetzlich verpflichtet, mit privaten Investitionen den Stadtteil zu verschönern. Über fünf Jahre floss so eine höhere sechsstellige Summe in das Gebiet rund um die Düsseldorfer Straße. Das Geld wird unter anderem investiert in mehr Sauberkeit, Marketing sowie Feste und Veranstaltungen.

Die ISG gilt allgemein als Erfolgsmodell, auch die Ohligser sind zufrieden. „Wir haben schon im Januar 2022 signalisiert, dass wir nahtlos weitermachen wollen“, betont Dr. Teut-Achim Rust, ebenfalls ehrenamtlicher Vorstand und Zahnarzt am Ohligser Markt.

Nun wird es frühestens im Juli 2023 weitergehen. Doch selbst an diesen Starttermin glaubt Gloria Göllmann nicht mehr so recht. Sie ist die bisherige Geschäftsführerin der ISG – und soll das auch künftig bleiben. Aktuell ist sie wegen des Stillstands ohne Arbeitsvertrag und engagiert sich ehrenamtlich.

Die Zustimmung von Bezirksvertretung und Rat gilt als Formsache, kann aber frühestens im Juni erfolgen. Im aktuellen Gremienzyklus reichte es lediglich für eine Information an den Stadtentwicklungsausschuss. Dort wurde informiert, dass die ISG weitermachen kann: Nur 29,2 Prozent der Eigentümerinnen und Eigentümer hatten einer Fortführung widersprochen. Bezogen auf die Fläche lag die Widerspruchsquote bei 25,7 Prozent. Mehr als ein Drittel hätte gegen die ISG stimmen müssen. Über diese Vorlage hinaus gibt es seitens der Stadtverwaltung derzeit keine Angaben zum ISG-Verfahren.

Der Stillstand kommt für Ohligs zur Unzeit: In einer umfangreichen Baumaßnahme werden derzeit der Ohligser Marktplatz und die Düsseldorfer Straße umgebaut. Im Mai soll der Marktplatz nach einigen Verzögerungen neu eröffnet werden. „Wir haben uns viele Maßnahmen rund um das Baustellen-Marketing ausgedacht“, berichtet Göllmann. Für manche Händler ist die Phase der Bauarbeiten eine schwierige Zeit. Die Ideen sollen nun weitergegeben werden, etwa an die Ohligser Werbe- und Interessengemeinschaft (OWG), die Ohligser Jongens oder das Stadtteilbüro.

Jetzt müssen andere in die Bresche springen

Für das Kinderfest, das bislang von der ISG finanziert wurde, soll eine Lösung mit dem Stadtteilbeirat gefunden werden. Auch bei anderen Projekten drängt die Zeit. „Wir müssen weiterhin an der Gestaltungssatzung arbeiten. Sie muss fertig sein, wenn die Bauarbeiten an der Düsseldorfer Straße im kommenden Jahr beendet sind“, betont Bergmann.

Außerdem ist die Informationskampagne „Ohligs 2024“ geplant. Sie soll die Vorteile des Stadtteils nach dem Umbau hervorheben und Eigentümer mit Leerstand sowie potenzielle Ladenbetreiber zusammenbringen. In Planung sind auch ein Beleuchtungskonzept und eine Solarinitiative. Das alles soll weitergehen, die Arbeit von Gloria Göllmann ist aber aktuell nicht finanzierbar. Ein weiterer Mitarbeiter, zuständig für das Straßenbild, Sauberkeit und Veranstaltungen, musste gekündigt werden. Er soll erstmal bei der Awo unterkommen.

Sich nur über die Stadtverwaltung beklagen, das wollen sie seitens der ISG nicht. Auch wenn sie frustriert sind und die zeitlichen Probleme nicht kommen sahen. Vielleicht, sagen Bergmann, Rust und Göllmann, hätten sie selbst voriges Jahr noch stärker hinterher sein müssen.

Allerdings überschätzt die Stadt ihre eigene Geschwindigkeit. Im Vertrag für die zweite ISG-Phase stehe, dass man sich sechs Monate vor Ablauf wegen einer Verlängerung zusammensetzen wolle. Ein Zeitrahmen, der aktuell klar nicht eingehalten werden konnte. „Wir wollen aus den Fehlern lernen und das auf 18 Monate erhöhen“, sagt Rust. Damit in fünf Jahren nicht wieder Stillstand herrscht.

Zeitplan

9. August 2022: Offizielle Antragstellung des Vereins ISG Solingen-Ohligs für die zweite Laufzeit (2023 bis 2027).

7. Oktober 2022: Information an den Ausschuss für Stadtentwicklung.

November 2022: Nach „verwaltungsinterner Prüfung durch die fachlich von den ISG-Planungen betroffenen Stadtdienste“ startet das gesetzlich vorgesehene Beteiligungsverfahren. Eigentümerinnen und Eigentümer werden per Einschreiben mit Rückschein angeschrieben.

Februar 2023: Ablauf der Widerspruchsfristen.

Aktuell: Die Verwaltung setzt „formal und gesetzlich vorgeschriebene Verfahrensschritte um“, damit die zweite ISG ihre Arbeit aufnehmen kann.

15. Juni: Geplanter Ratsbeschluss. Erst danach kann die ISG wieder Geld von den Eigentümern einsammeln und ausgeben.

Standpunkt von Björn Boch: Kein Anschluss

bjoern.boch@solinger-tageblatt.de

Stellen Sie sich vor, Sie können momentan nicht telefonieren. Es gibt einfach keinen gültigen Vertrag zwischen Ihnen und Ihrem bisherigen Anbieter. Und während Sie vielleicht gedacht haben, dass die Verlängerung rasch nachgeholt werden kann – Sie wollen ja einfach nur auf der gleichen Grundlage weitermachen –, verweist der Anbieter auf ein kompliziertes Verfahren. Telefonieren können Sie wohl wieder im Sommer.

So ähnlich – mit der für Vergleiche üblichen Unschärfe – gestaltet sich derzeit das Verhältnis von Stadtverwaltung und Immobilieneigentümern in Ohligs. Zwar gab es übergeordnete Gesetze – etwa zum ISG-Finanzierungsschlüssel, der neu berechnet werden musste. Dennoch hätte der Stillstand vermieden werden können und müssen – mit einem vorausschauenden Hinweis an die ISG, wie viel Zeit das Verfahren tatsächlich in Anspruch nimmt. Das hat die Stadt offenbar versäumt. Hoffentlich bleibt die aktuelle Zwangspause in dieser wichtigen Phase ohne große Folgen.

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