Theologen laden zur Andacht ein
Nicht Friede, Freude Eierkuchen
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Andacht im ST – heute von Meinrad Funke, leitender Pfarrer von St. Sebastian.
Liebe Leserinnen
und Leser,
Christinnen und Christen begehen in den kommenden Tagen und dann sieben Wochen lang Ostern. Wir feiern das Leben und einen Gott, der das Leben so sehr liebt, dass er sich mit dem Tod nicht abfindet. Das allein könnte schon sehr glücklich machen.
Aber wäre das glaubwürdig? Hätte das etwas mit uns zu tun, die oft genug die Brüchigkeit und Zerbrechlichkeit des Lebens selbst erfahren und um das Zerstörerische in dieser Welt wissen? Krieg, Terror, Missbrauch, Krankheiten und Naturkatastrophen, die Leben nehmen.
Deshalb ist es für meinen Glauben wesentlich, dass dieser Gottessohn, der aufersteht, vorher gelitten hat. Er ist bei uns und mit uns in der Nacht, nicht erst beim Sonnenaufgang. Ostern ist nicht Friede, Freude, Eierkuchen, oder ein ständig aufgesetztes falsches Lächeln. Die Fußwaschung (der niedere Dienst) am Gründonnerstag, die Folter und die Hinrichtung am Karfreitag gehören dazu. Der Auferstandene ist immer auch an der Seite der Leidenden. Nur so zusammengedacht, empfinde ich durch diese Tage Trost, Mut und Zuversicht.
Der katholische Priester und Lyriker Lothar Zenetti (1926-2019) hat diese österliche Hoffnung des Karfreitags eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht:
Der, von dem ich erzählen will, wurde geboren in Armut und starb,
noch jung, mit ausgebreiteten Armen am Kreuz einen schrecklichen Tod.
Warum, worin bestand seine Schuld? Oder anders gefragt: wem war er im Weg?
Er raubte kein Geld, kein Land, stürzte keinen vom Thron, zog nicht in den Krieg,
schrieb nicht einmal Bücher.
Der Ort, wo er aufwuchs wie andere auch, war ohne Bedeutung: ein Nest in den Bergen
am Rande des riesigen römischen Reiches. Er lernte ein Handwerk, zimmerte Möbel,
bis er die Werkstatt verließ und sein Dorf und umherzog im Land, das Wort auszusäen.
Er sah, wie man weiß, weder Rom noch Athen. Aber er sah seinen Vater im Himmel und
sah auf der Erde die Menschen im Dunkel und lehrte sie sehn mit anderen Augen.
Er heilte die Kranken, rief Tote ins Leben. So zog er umher und warb um die Herzen
und sprach von der Liebe, dem Königreich Gottes.
Er starb, wie er lebte, und lebt, wie er starb:
mit ausgebreiteten Armen.
Aus: Lothar Zenetti, Leben liegt in der Luft. Worte der Hoffnung. Matthias-Grünewald Verlag, Ostfildern 2007
Diese ausgebreiteten Arme wünsche ich mir für unser Miteinander, gerade dort, wo Not ist, aber auch, wo wir uns mit anderen Menschen auseinandergelebt haben. Ich wünsche sie mir auch und ganz besonders für unsere Kirchen. Dass wir nicht um uns selbst kreisen, sondern die Arme ausbreiten für Menschen, die noch nach Lebenssinn suchen. Sie nicht festnageln, sondern ihnen mit der Freiheit und Geborgenheit der ausgebreiteten Arme begegnen.
Dann ist für mich die Osterbotschaft glaubwürdig. Ich wünsche Ihnen und mir die Erfahrung der ausgebreiteten Arme Jesu. Zeichen der Solidarität, der Freiheit und der Geborgenheit.
Shalom und gesegnete Ostern.
Ihr Meinrad Funke