Verkehr

Vorwurf der Abzocke: Neuer Streit um Blitzerstandorte der Stadt

Der teilmobile Blitzer wurde im März unter anderem an der Konrad-Adenauer-Straße aufgestellt.
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Der teilmobile Blitzer wurde im März unter anderem an der Konrad-Adenauer-Straße aufgestellt.

Teilmobile Blitzer sorgen erneut für Kritik: Was die Stadt entgegnet - und wo die Geräte stehen dürfen.

Von Björn Boch

Solingen. Die Standorte für die teilmobilen Blitzer der Stadt Solingen sorgen immer wieder für Kritik. Teils werden Standorte – nicht nur, aber auch von der Tageblatt-Leserschaft – als „bewusste Abzocke“ gewertet.

Besonders dann, wenn der Abstand zwischen einem Verkehrsschild und dem Blitzer sehr gering ist, das Gerät also kurz hinter einer neuen Geschwindigkeitsbeschränkung oder kurz vor der Aufhebung eines Tempolimits steht.

Wie berichtet hat die Stadt im Herbst 2021 zunächst für zwei Jahre zwei neue Geräte gemietet. Diese könnten praktisch rund um die Uhr genutzt werden und würden an Orten aufgestellt, die „von der Bürgerschaft als problematisch gemeldet werden oder die zum Beispiel in den Bezirksvertretungen als kritisch besprochen werden“, erklärte Stadtsprecher Thomas Kraft kurz nach der Anschaffung.

Wo in Relation zu Verkehrsschildern diese Blitzer aufgestellt werden, spiele gesetzlich keine Rolle, heißt es jetzt auf Tageblatt-Anfrage. So ende eine Geschwindigkeitsbeschränkung grundsätzlich erst mit dem Aufhebungskennzeichen oder einer anderslautenden Beschilderung.

Gibt es für Blitzer einen Mindestabstand zu Verkehrsschildern?

Auch könnten Blitzer in NRW unmittelbar hinter Verkehrsschildern aufgestellt werden – „einen Mindestabstand muss es nicht geben“, betont Sachgebietsleiter Michael Ockenfels von der Stadtverwaltung. Der Messbereich eines Gerätes liege je nach Modell und Einstellung 20 bis 50 Meter vor dem Gerät.

Vor kurzem hatte ein Blitzerstandort in der Kohlfurth für Unmut gesorgt – nur wenige Meter vor dem Ende der 30er-Zone am Café Hubraum. Das erinnerte die ST-Redaktion an einen ähnlichen Fall aus dem Jahr 2022 – damals an der Burger Landstraße kurz vor dem Gut Jagenberg. Auch dort stand der Blitzer kurz vor dem Ende einer Geschwindigkeitsbegrenzung. Damals hatte die Stadt mit vermehrten Geschwindigkeitsverstößen und dem Schutz von Reitschülern argumentiert.

Im Bereich der Kohlfurther Straße nun habe es mehrere Beschwerden von Anwohnern bezüglich überhöhter Geschwindigkeit gegeben - ein Thema, das schon lange besteht.

„Daraufhin wurde eine Verkehrsauswertung mit erschreckenden Ergebnissen vorgenommen“, heißt es aus der Fachabteilung der Stadt zum diesjährigen Blitzerstandort.

Wo wird in Solingen besonders häufig zu schnell gefahren?

Gegenüber Geschwindigkeitsverstößen an vergleichbaren Messstellen lagen die Geschwindigkeitsüberschreitungen in der Kohlfurth „um ein Fünffaches über dem Durchschnitt“.

Der eingesetzte teilmobile Blitzer habe die Notwendigkeit der Geschwindigkeitsmessung bestätigt.

Nach welchen Regeln werden die teilmobilen Blitzer der Stadt Solingen platziert?

Die von der Stadt Solingen eingesetzten, teilmobilen Blitzer stünden in der Regel eine Woche lang an der jeweiligen Messstelle und würden regelmäßig nach Bedarf vor Schulen, Kitas, Altenheimen und nach Beschwerden über Raser geplant und eingesetzt.

Ebenfalls würden Unfallhäufigkeitsstellen einbezogen. Dies erfolge in enger Absprache mit der Polizei, die in die Planungen einbezogen sei – so geschehen zum Beispiel nach einem schweren Unfall an der Baustelle Schwarze Pfähle.

Die Blitzer würden zusätzlich auch an Orten platziert, an denen sich zum Beispiel Anwohner vermehrt über Lärmbelästigung in den Nachtzeiten beschweren. Es werde auch darauf geachtet, dass eine Rotation stattfindet.

Wo hat die Stadt Solingen zuletzt besonders stark kontrolliert?

Einige ausgewählte Standorte neben der Kohlfurth waren im März die Klingenstraße und die Schützenstraße, der Balkhauser Weg und die Konrad-Adenauer-Straße sowie die Wuppertaler Straße und die Aufderhöher Straße.

Wie die Geräte eingesetzt werden, hänge auch von externen Faktoren wie Parkmöglichkeiten ab.

Einnahmen

Bis Dezember 2022 stellte die Stadt bei Geschwindigkeitskontrollen rund 2,7 Millionen Euro an Verwarn- oder Bußgeldbescheiden aus (in mehr als 62 000 Verfahren). Das ist Rekord: 2021 waren es 1,6 Millionen Euro, 2020 gut 746 000 Euro gewesen. Finanzieller Spitzenreiter waren Schützenstraße und Ufergarten. Neue Zahlen soll es nach Ostern geben.

Hier hat die Stadt Solingen im März besonders häufig geblitzt:

  • Kohlfurth
  • Klingenstraße
  • Schützenstraße
  • Balkhauser Weg
  • Konrad-Adenauer-Straße
  • Wuppertaler Straße
  • Aufderhöher Straße

Standpunkt von Björn Boch: Abzocke ausbremsen

bjoern.boch@solinger-tageblatt.de

Nur wenig lässt Menschen so emotional werden wie das Thema Straßenverkehr. Geblitzt werden ist immer ärgerlich – menschlich ist es dann, einen Schuldigen zu suchen, der man nicht selbst ist. Ja, es ist nachvollziehbar, dass die Platzierung eines Blitzers in unmittelbarer Nähe eines Temposchildes als Abzocke empfunden wird. Die Stadt sollte sich jeden dieser Messpunkte daher sehr gut überlegen.

Jeder Verkehrsteilnehmer sollte aber auch so ehrlich sein zu erkennen, dass er die Kontrollen mit verursacht. Indem er bereits Gas gibt, wenn er das Schild nur sieht – oder gern auch direkt nach einem Blitzer. Natürlich hat die klamme Stadt ein Interesse an hohen Einnahmen. Das können Autofahrer aber wortwörtlich selbst ausbremsen. Und vor dem nächsten Beschleunigen oder der zu schnellen Fahrt in der Nacht, die vermeintlich niemanden stört, an die Anwohner denken.

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